Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen. Группа авторов

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Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen - Группа авторов Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

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Erarbeitung alternativer Theorieentwürfe

      Aus der oben vorgestellten Unterrichtskonzeption ergibt sich als Anregung an die Fremdsprachendidaktik, den ursprünglichen Anspruch einer einzigen konsistenten Theorie des gesteuerten Fremdsprachenunterrichts aufzugeben zugunsten der Entwicklung diversifizierter Theorieentwürfe, die Alternativen für unterrichtliche Handlungen anbieten. Was im Unterricht geschieht, basiert auf spezifischen spracherwerbs- und lerntheoretischen Prämissen, die sowohl die Curriculum-Entscheidungen als auch die von der Lehrkraft praktizierten methodischen Entscheidungen75 maßgeblich bestimmen. Es gilt also, den bestehenden Unterricht im Hinblick auf seine bisher kaum in Frage gestellte theoretische Basis kritisch zu analysieren und daneben alternative Denkansätze in das Blickfeld qualitativer Forschung zu nehmen und hermeneutisch unterfütterte, d.h. auf unterrichtspraktischer Kompetenz aufbauende kreative Unterrichtskonzeptionen zu erarbeiten. Dies erfordert die Bündelung aller Kräfte – in Theorie und Praxis – für das gemeinsame Ziel, der Erarbeitung innovativer methodischer Verfahren.76 Die Fremdsprachendidaktik als angewandte Disziplin sollte ihre ‚Wissenschaftlichkeit‘ gemäß ihrem gesellschaftlichen Auftrag wieder in den Dienst der Optimierung des Unterrichts stellen77, und die Praktiker sollten ermutigt werden, sich in ihrem Unterricht freier zu fühlen und ihrem kreativen Gestaltungsdrang – je nach Wollen und Können – nachzugeben.78

      Ein weiterer Grundsatz, der die Fremdsprachendidaktik auch methodologisch weiterbringen könnte, wäre die Verpflichtung auf eine theoretische Konzeptbildung, die die Integration aller am Fremdsprachenunterricht beteiligten Faktoren ermöglicht. In der Vergangenheit sind verschiedene Aspekte oft als einander ausschließende oder sogar sich gegenseitig störende Faktoren betrachtet worden. Diese Polarisierung war vielleicht der Profilierung der jeweiligen Kontrahenten dienlich, der wissenschaftliche Fortschritt wurde dadurch eher verzögert. Alle bisher in der Fremdsprachenforschung diskutierten dichotomischen Begriffe haben sich erst dann als fruchtbar erwiesen, wenn sie als miteinander interagierende Faktoren in das Gesamtphänomen integriert wurden (Segermann 1996). Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit – Habitualisierung vs. Kognitivierung – Analyse vs. Automatisierung – Einsprachigkeit vs. Benutzung der Muttersprache – Wissen vs. Können bzw. deklaratives vs. prozedurales Wissen – Grammatikvermittlung vs. Wortschatzvermittlung – Formorientierung vs. Inhaltsorientierung – Außenfaktoren vs. Binnenfaktoren – Kognition vs. Emotion – Input-Orientierung vs. Output-Orientierung – Instruktion vs. Konstruktion – Lehrerzentrierung vs. Schülerzentrierung. Die jüngste, ebenso unfruchtbare Polarisierung heißt: Kompetenzorientierung vs. Sprachmittelorientierung.79 Das Denken in Kategorien des Entweder-Oder sollte auf jeden Fall vermieden und durch das Bemühen um ein integrierendes Denken des Sowohl-als-Auch ersetzt werden. Es sind nicht zuletzt die mit schöner Regelmäßigkeit erfolgenden ‚Pendelausschläge‘ in der wissenschaftlichen Diskussion – seien sie auch nur die Folge von Akzentverschiebungen und unterschiedlichen Fokussierungen – die die Praxis verunsichern.

      6.2.4 Experimentelle Kontrollstudien

      Die Anerkennung der primären Funktion von Unterrichtstheorien bedeutet gleichzeitig ein Umdenken in Bezug auf empirische Forschungen. Die Untersuchung des Ist-Zustands hat ihre Berechtigung, wenn es sich um Sprachstandserhebungen handelt, die auf Erfolge oder Defizite in der aktuellen Unterrichtsrealität hinweisen (cf. Fußnote 3). Aus der Beobachtung von konkretem Unterricht lassen sich jedoch mitnichten die „necessary foundations for pedagogical decisions80 about L2 curricula, syllabi, methods, techniques, activities, materials, media, and tests“ ableiten (Kasper 1988, 5).81 Die Entscheidungen folgen im Gegenteil aus der Theorie. Aus der Praxis allein kann kein Kriterium für die Gültigkeit bzw. Empfehlung einzelner unterrichtlicher Maßnahmen gewonnen werden, genau so wenig wie sich Unterrichtsprotokolle zur Verifizierung bestimmter lerntheoretischer Hypothesen eignen. Abgesehen von der notwendigen Falsifizierbarkeitsprobe lauern hier für den Beobachter so viele interpretatorische Fallstricke, dass der Untersuchungsstandard oft nicht gewährleistet ist.82 Selbst die Analyse der Wechselwirkung zwischen Lehren und Lernen als konstitutivem Faktor der fremdsprachlichen Unterrichtsforschung kann nicht das gewünschte Ergebnis bringen (cf. die ‚Bankrotterklärung‘ von F.G.Königs, cf. Abschnitt 6.1.1), wenn sie ohne Berücksichtigung des theoretischen Bezugsrahmens erfolgt.

      Der Weg aus dieser Sackgasse führt über experimentelle Kontrollstudien, die am Lehr-/lernziel der kommunikativen Kompetenz ausgerichtet sind. Es geht dabei nicht um „vergleichende Studien zur Wirksamkeit von Unterrichtsmethoden“ (cf. Ms., 22) als festgefügten ‚Vermittlungskonzepten‘, sondern um die Evaluierung der Unterrichtsergebnisse von Experimental- und Kontrollklassen, die in ihrer Arbeit auf unterschiedlichen curricularen und methodischen Konzepten beruhen. Anstatt (wie bisher) einzelne Unterrichtsprinzipien zu kontrastieren, die – wie oben dargelegt – gar nicht einander entgegengesetzt sind, sondern miteinander interagieren, sollten nur solche grundlegenden Entscheidungen in ihren Konsequenzen für die Wirksamkeit geprüft werden, die sich tatsächlich ausschließen. Dazu gehören z.B.:

       Einführung neuen Sprachmaterials durch vorgegebene Lektionstexte, die der grammatischen Progression folgen (rezeptiv: Form-Inhalt-Verknüpfungen) vs. Einführung sur demande zur Versprachlichung eigener Äußerungswünsche (produktiv: Inhalt-Form-Verknüpfungen)

       Lernen von Einzelwörtern vs. Lernen von lexiko-grammatischen Konstruktionen

       Getrenntes Anwenden von metakognitivem Wissen (lexikalische, grammatische, phonetische / orthographische Kenntnisse) vs. Integrierendes Versprachlichen von thematisch geordneten Inhaltskonzepten unter Rückgriff auf lexiko-grammatische Einheiten und Strukturmuster

       Unterscheidung von formalen Übungen und mitteilungsbezogenen Transferübungen vs. Durchgängig kommunikatives Üben als Ausübung der Sprachtätigkeiten: dialogisches Sprechen und beschreibendes, erzählendes, argumentierendes Schreiben

       Systematisierung nach grammatischen Erscheinungen und semantischen Beziehungen zwischen Einzelwörtern vs. Systematisierung nach Inhalt-Form-Entsprechungen und Klang-Schrift-Entsprechungen

       Lese- und Hörverstehens-Übungen mit didaktisch aufbereiteten Texten vs. Entwicklung der rezeptiven Fähigkeiten anhand möglichst authentischer Hör- und Lesetexte, die über dem Produktionsniveau liegen

      Aufgrund ihrer grundlegenden Verschiedenheit dürften die oben beschriebenen methodischen Variablen tragfähig genug sein, um ein Untersuchungsdesign zu erstellen, mit dessen Hilfe signifikante Leistungsunterschiede bezüglich der kommunikativen Kompetenz der Probanden – bei ausreichend großer Zahl – feststellbar werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch hier – wie bei jedem Unterricht – der Faktor der Lehrerpersönlichkeit in seiner positiven bzw. negativen Wirksamkeit für den messbaren Erfolg kaum hoch genug eingeschätzt werden kann.83 Nach einer sorgfältigen Analyse der Ergebnisse (unter interpretatorischer Einbeziehung der theoretischen Grundlagen) könnten differenziertere Möglichkeiten kreativer Ausgestaltung der innovativen Konzepte ausgelotet werden. Auf diese Weise könnte die empirische Erprobung tatsächlich zur Modell- und Hypothesen-Bildung beitragen, so dass sich Theorie und Empirie sinnvoll ergänzen.

      Am Ende meines historischen Beitrags möchte ich einen positiven Ausblick wagen. Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die soziologische Struktur der Fremdsprachendidaktik im Wandel begriffen ist, und zwar in dem Sinne, dass sie sich als angewandte Wissenschaft wieder verstärkt auf ihre eigentliche gesellschaftliche Aufgabe, die Optimierung des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs, besinnt. Dies hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die frei werdenden Didaktik-Stellen zur Zeit vermehrt mit Personen besetzt werden, die der Unterrichtspraxis durch eigene Lehrerfahrung in den allgemeinbildenden Schulen näher stehen als manche Wortführende von einst. Es besteht demnach die Hoffnung, dass die in den letzten Jahrzehnten durch ein einseitiges Verständnis von ‚Wissenschaftlichkeit‘ aufgerissene‚ unselige Kluft zwischen Hochschule

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