Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов
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Zur Rolle der Sprache heißt es bei Schütz:
Jede Sprache entspricht einer bestimmten relativ-natürlichen Weltanschauung. Die innere Form der Sprache stimmt mit den grundlegenden Sinnstrukturen der Weltanschauung überein. (Schütz & Luckmann 1979: 297)
Dass die Wahrnehmung und Konzeptionalisierung dieser (Lebens-)Welt durch Sprache geprägt ist, soll im Folgenden aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden.
Ausgehend von Humboldts Ideen formuliert Whorf später das sprachliche Relativitätsprinzip, demzufolge das Sprachsystem die Wahrnehmung, das Denken und das Verhalten seiner Sprachgemeinschaft abbilde und darüber hinaus die Projektion der sprachlichen Strukturen auf die Sicht der realen Welt der Sprachgemeinschaft bestimme und erzwinge (linguistischer Determinismuslinguistischer Determinismus).
That part of meaning which is in words, and which we may call ‘reference’, is only relatively fixed. Reference of words is at the mercy of the sentences and grammatical patterns in which they occur. (Whorf 1956: 259)
And every language is a vast pattern-system, different from others, in which are culturally ordained the forms and categories by which the personality not only communicates, but also analyzes nature, notices or neglects types of relationship and phenomena, channels his reasoning, and builds the house of his consciousness. (Whorf 1956: 252)
Im Mittelpunkt der späteren Auseinandersetzung mit dem linguistischen Determinismus stehen Fragen nach der Universalität, Arbitrarität und Kulturspezifik der Sprache. Von Interesse ist vor allem die Frage, ob sich die Kulturspezifik als Folge kognitiver Modelle aus den Konzepten, aus der Semantik oder der Grammatik ergibt. Dabei wird die Unterscheidung zwischen Determinismus als der Bestimmung des Denkens durch die Sprache und linguistischem Relativismuslinguistischer Relativismus als der Beeinflussung des Denkens durch die Sprache nicht immer deutlich gemacht, weil Whorf selbst in dieser Hinsicht nicht deutlich unterschieden hat.
Das Problem der Koordination verschiedener Perspektiven auf die Welt löst Korzybski (1985) mit dem Hinweis auf das Abbildungsverhältnis von Karte und Landschaft. Das Verhältnis von Sprache und Realität entspreche der von Karte und Landschaft. Kartographische Darstellungen variieren unter anderem in Fokus (geologisch, morphologisch, mineralogisch, vegetationsbedingt, sozio- und kulturgeographisch, navigatorisch, sport- und freizeitbezogen), Projektion, Maßstab, Ausrichtung, Dimensionalität und individueller mentaler Abbildung beziehungsweise Perspektivik (mind map). Ein koordiniertes Bild der Welt, so Korzybski, könne nur da entstehen, wo der sprachliche Hintergrund der Individuen Ähnlichkeiten (oder zumindest eine Eignung für Uniformität) aufweise, also die sprach-geographischen Perspektiven Gemeinsamkeiten aufweisen. Dieser Hinweis ist nicht etwa als historisches Faktenwissen einer geschichtlich orientierten Landes- oder Geisteskunde wichtig. Vielmehr gibt er uns Anlass zu überlegen, wie wir gerade in einer Zeit ständiger technologischer Neuerungen, und gerade solcher, die sich unserer konkreten Wahrnehmung entziehen, die Welt abbilden (ab-Bild-en). Unsere Zeitvorstellungen orientieren sich an Raumvorstellungen und die gesamte virtuelle Welt ist in Räume aufgeteilt und lässt sich mit Plänen und Karten navigieren, obwohl es diese Räume eigentlich gar nicht gibt (Chat-Räume, Foren, Archive, Bibliotheken). Diese Aspekte werden im Band »Kognitive Linguistik« weiter vertieft.
Vygotsky (1986: 213) verweist in diesem Zusammenhang auf die phylogenetischphylogenetische Entwicklung von Sprache und Denken und betont gleichzeitig den vermittelnden Charakter von Sprache:
Linguistics did not realize that in the historical evolution of language the very structure of meaning and its psychological nature also change. From primitive generalisations, verbal thought rises to the most abstract concepts. It is not merely the content of a word that changes, but the way in which reality is generalized and reflected in a word […]
Thought and language, which reflect reality in a way different from that of perception, are the key to the nature of human consciousness. Words play a central part not only in the development of thought but in the historical growth of consciousness as a whole. A word is a microcosm of human consciousness.
Sprache wird gerade auch von Lernern mit grammatischen Kategorien und Regeln gleichgesetzt. Dass es verschiedene Konzepte von Grammatik gibt, zeigt sich bei Habermas (1979: 237), der den organisierenden Charakter der Grammatik im pragmalinguistischen Sinne als Sprachspielgrammatik, also als Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Beteiligten in unterschiedlichen Situationen, fasst und ihn als gesellschaftlichen Konsens unterschiedlicher Perspektivierungen individueller Sprecher („gebrochene Intersubjektivität“) folgendermaßen darstellt: „Eine Sprachspielgrammatik verknüpft Symbole, Handlungen und Expressionen; sie legt Schemata der Weltauffassung und der Interaktion fest.“ (Habermas 1979: 237)
Die sich aus der Kulturspezifik ergebenden Differenzen zwischen Sprachen werden auch von Vertretern universalistischer Ansätze nicht ignoriert, sondern als Schnittmenge gemeinsamer Prinzipien und Eigenschaften interpretiert (vergleiche Greenberg 1990) und als in dieser Forschungsrichtung vernachlässigtes konstitutives Element sprachlicher Systeme gesehen (Jackendoff 2007).
Die landeskundlich relevante Frage ist jedoch, wie sich das Verhältnis von Kultur und Sprache in Vermittlungsansätzen abbilden lässt. Diese Aufgabe lösen traditionelle Ansätze vorwiegend deskriptiv und rekonstruktiv, manche – wie die Modelle des interkulturellen Trainingsverfahrens – dabei weitestgehend deterministisch. Die Lerneinheiten 3.1 und 3.2 von Bauer in diesem Band beschäftigen sich eingehender und durchaus auch kritisch mit dieser Thematik.
An dieser Stelle sei nochmals auf die praktische Nutzbarmachung und methodische Umsetzung der bisher vorgestellten Ansätze für den DaF-Unterricht hingewiesen: Bei der Verbindung von Sprach- und Landeskundevermittlung können das Verständnis von Wahrnehmung durch Sprache (kognitionsformender Sprachcharakter, vergleiche Einstein 1981) im interkulturellen Vergleich zu wichtigen Erkenntnissen über die Sprachgebundenheit von Kultur (auch im Sinne von LinguakulturLinguakulturen) führen.
Dies gilt auch für die nun folgende Diskussion über den geeigneten Kulturbegriff für die unterschiedlichen Auffassungen von Landeskundevermittlung (dazu ausführlicher bei Zeuner in der Lerneinheit 7.1 in diesem Band).
1.1.3 Kulturbegriffe
Zur Problematik der Kulturbegriffe
Die ‚LandeskundeLandeskundesdiskussion-Diskussion‘ könnte man seit ihren Anfängen als Abfolge exklusiv behaupteter Ansätze kennzeichnen, als ‚Pendelschwungbewegungen‘ von realistischen zu idealistischen Zielen, von anwendbarem Wissen zu individueller Bildung, von Fertigkeiten zu Fähigkeiten, von pädagogisch zu politisch legitimierten oder gesetzten Zielen – und vice versa. (Simon-Pelanda 2001: 48)
Diese Pendelbewegungen manifestieren sich in der Landeskundediskussion auch im Begriff Kultur. Er wird polysem verwendet und zeichnet sich durch entsprechende Unschärfe aus. Welsch (1995) weist darauf hin, dass dem allgemeinen Kulturverständnis implizit meist eine Vorstellung von Kultur zugrunde liegt, die dem Symbol der Kugel bei Herder entspricht. Demnach werden Kulturen als voneinander abgrenzbare und abgegrenzte und daher weitgehend geschlossene Systeme verstanden.
Nach Herders von 1784 bis 1791 erschienenen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit bestimmen drei Merkmale das gängige Kulturverständnis:
Erstens soll eine Kultur das Leben des betreffenden Volkes im Ganzen wie im Einzelnen prägen und jede Handlung und jedes Objekt zu einem unverwechselbaren Bestandteil gerade dieser Kultur machen: das