Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов
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Drittens ergibt sich daraus eine entscheidende Absetzung nach außen; jede Kultur soll, als Kultur eines Volkes, von den Kulturen anderer Völker spezifisch unterschieden und abgegrenzt sein: das Konzept ist separatistisch (Welsch 2005: 317).
In Begriffen wie Inter-Kultur, kulturelle Identität und Leitkultur (bis hin zu ethnic cleansing und anderen „Reinheitsbegriffen“ und Vorstellungen von kultureller Integrität, die nicht selten zu Rassismus und Gewalt führen) manifestiert sich dieses Verständnis von Kultur mit oft segregierenden Implikationen. Eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren hat versucht, den Begriff Kultur konkreter zu fassen und operationalisierbar zu machen. Als wichtigster Vorläufer für diese Versuche gilt die Erhebung von Kroeber und Kluckhohn (1954), in der circa 300 Definitionen auf eine gemeinsame Basis untersucht wurden. Dieser Versuch wurde allerdings ohne den erhofften Erfolg abgebrochen.
In weiten Kreisen sozialwissenschaftlicher Forschung hat der semiotische Kulturbegriff von Geertz (1975; vergleiche dazu auch Lüddemann 2010: 11–15) allgemeinen Referenzcharakter. Das Verständnis von Kultur als „ineinandergreifende Systeme auslegbarer Zeichen“ (Geertz, Luchesi & Bindemann 1983: 21) bildet selbstgesponnene, tradierte Systeme von Bedeutungen in Form von Symbolen ab, schließt aber deren Veränderbarkeit nicht aus. Dieser Definition zufolge ist Kultur
a[n] historically transmitted pattern of meanings embodied in symbols, a system of inherited conceptions expressed in a symbolic form by means of which men communicate, perpetuate and develop their knowledge about attitudes towards life. (Geertz 1975: 89)
Nünning und Nünning (2003: 6) stellen fest, es lasse sich eine interdisziplinäre Präferenz „für einen semiotischen, bedeutungsorientierten und konstruktivistisch geprägten Kulturbegriff“ erkennen, demgemäß „Kultur als der von Menschen erzeugte Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen aufgefasst“ werden könne, „der sich in Symbolsystemen materialisiert“.
Von einem solchen dynamischen, binnendifferenzierten und plurizentrischen Kulturbegriff, der von Akkulturations- und Mischungsprozessen ausgeht (siehe hier auch „Der Gestus der Kultur ist Mischung“ bei Bogdal 2011), waren das verbreitete Kulturverständnis und die gängige Kulturpraxis des Fremdsprachenunterrichts bisher in der Regel weit entfernt. Wenn Kultur aber weniger als Sammlung von tradierten und fixierten Artefakten, sondern als symbolisches Bedeutungssystem anzusehen ist, das sich in veränderbaren Denkweisen, Handlungen und Werten ausdrückt, die zudem viel Raum für individuelle Gestaltung und Interpretation lassen (Binnendifferenzierung), dann verändert sich auch das Konzept der Kulturvermittlung im Unterricht grundlegend.
If culture is understood not as artifacts or isolated behaviors, but as connected patterns of thought, actions, and expression; and if patterns exist in the eyes of the beholder, then the teaching of culture takes on a new meaning and function. (Webber 1990: 133)
Porter und Samovar (1994: 12) leiten aus dieser Feststellung sechs Kriterien für die Behandlung von Kultur im Fremdsprachenunterricht ab. Diese betrachten die Autoren als konstitutiv für die Vermittlung interkultureller Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht:
Kultur ist erlernt;
Kultur ist übertragbar;
Kultur ist dynamisch;
Kultur ist selektiv;
die verschiedenen Facetten von Kultur sind miteinander verbunden;
Kultur ist ethnozentrisch.
Damit ist ein Wandel in den Ansätzen der Kulturvermittlung von den auf mehr oder weniger stereotype Fakten ausgerichteten hin zu dynamischen, kontextualisierenden, perspektivierenden und transkulturellen vorgezeichnet. Eine Präferenz für einen semiotischen, bedeutungsorientierten und konstruktivistisch geprägten Kulturbegriff beginnt sich mittlerweile – zumindest partiell und zaghaft – auch in neueren Modellen der Landeskunde durchzusetzen. Sprache wird dabei als konstitutives Element von Kultur angesehen, aber nicht in allen Ansätzen auch entsprechend behandelt. In der ehemals sowjetischen, heute russischen Fremdsprachendidaktik wird auch heute noch Wert auf kulturspezifische Lexik gelegt, die auf Realitäten innerhalb einer bestimmten Gesellschaft verweist; dieser Ansatz einer Form von sprachbezogener Landeskunde wird auch als Linguolandeskunde bezeichnet.
Dieses Konzept verfolgt die Vermittlung landeskundlicher Kenntnisse, unter anderem auch durch den an Gesellschaftsrealia gebundenen Assoziationswortschatz. Die sprach- und kulturphilosophischen Grundlagen des Konzepts der sprachbezogenen Landeskunde von Kostomarov und Vereščagin (1990 [1973]) basieren auf fünf Annahmen (ausführlich bei Abendroth‑Timmer 1998: 166f; in Venohr 2007: 70): Die wichtigste Annahme bei diesem Ansatz besagt ebenfalls, dass „die Sprache ein Mittel ist, um an eine andere Welt heranzuführen. Die Welt erschließt sich über Sprache, da sie die Funktion des Trägers und Überträgers von Denkweisen hat“ (Abendroth‑Timmer 1998: 166f). Diese „mentalitätskognitivistische“ Tradition wird auch heute noch weitergeführt, unter anderem im Bereich der Ethnokonnotation (vergleiche Bykova 2000), die gerade auch bei der Sinnerschließung von Texten durch kulturspezifische Informationen eine entscheidende Rolle spielt. Dies verdeutlicht Bykova an Texten, genauer an Textgattungen, wie der Sage, die sie als „Fundgrube für kulturspezifische Informationen“ bezeichnet und zwar auf lexikalischer Ebene (2000: 174).
Sprachorientierte Ansätze in der Landeskunde, bei denen sprachliches Handeln und interaktionale Kompetenz im Fokus stehen, können durch kulturanthropologische ergänzt werden. Dabei geht man zunächst vom Zeichencharakter von Kultur (Barthes 1964 [1957]) aus. Texte – auch als Abfolge von Zeichen verstanden – sind die primäre Organisationsform, in der sich die menschliche Sprache in der Gesellschaft manifestiert. „Texte sind deshalb auch zentraler Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts, also Ausgangs- und Endpunkt des Lehrens und Lernens“ (Barthel 1991: 7). Das in kulturwissenschaftlicher Perspektive favorisierte Textverständnis ist ein anderes als die schriftliche Fixierung von Sprache, es greift vielmehr auf die (kulturelle) Texterfahrung von Lernern durch wiederkehrende Muster zurück.
Textwissenschaftliche Perspektivierungen von Kultur, die darin eine Konstellation von Texten sehen, die über das geschriebene und gesprochene Wort hinaus auch in Ritualen, Theater, Gebärden, Festen und weiteren Objektivationen verkörpert sind, werden als höchst aufschlussreich angesehen, wenn es darum geht, das Netzwerk historischer, sozialer, geschlechtsspezifischer Beziehungen im Licht ihrer kulturellen Vertextung, Symbolisierung und Kodierung zu rekonstruieren. Ziel ist es dabei, Zugang zu den Selbstverschreibungsdimensionen einer Gesellschaft im Horizont der Metapher als Text zu gewinnen (Bachmann-Medick 2006: 10). Zur Interpretation von Texten bedarf es nach Stanley Fish interpretativer Gemeinschaften:
Indeed, it is interpretive communities, rather than either the text or the reader, that produce meanings and are responsible for the emergence of formal features. Interpretive communities are made up of those who share interpretive strategies not for reading but for writing texts, for constituting their properties. In other words, these strategies exist prior to the act of reading and therefore determine the shape of what is read rather than […] the other way around. (Fish 1995: 14)
Die Wissenskonstruktion, die Interpretation von Texten, benötigt demnach Abstimmungsprozesse in der Gemeinschaft, das heißt die ViabilisierungViabilisierung im Kollektiv. Fish (1995) geht es dabei aber nicht so sehr um das Verstehen von Bedeutung, also um das Lesen von Texten, sondern um das Ziel, Texte selbst produzieren zu können. Das Textverstehen übernimmt die Aufgabe eines Hilfsmittels in Form von interpretativen Strategien (interpretive strategies). Diese Strategien gelten als generisches, nicht semantisch determiniertes