Die Entdeckung der Freiheit. Группа авторов

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Die Entdeckung der Freiheit - Группа авторов

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und mehr als Mitglied der amerikanischen politischen Gemeinschaft verstand, war sie in der Lage, sich in einer kreativen Weise mit der amerikanischen politischen Tradition zu befassen. Dabei zielte ihre Beschäftigung mit der amerikanischen Revolution nicht auf eine im üblichen historischen Verständnis wirklichkeitsgetreue Rekonstruktion des Verlaufs der Revolution, sondern darauf, jene Motive und Prinzipien aufzudecken und in Erinnerung zu rufen, die die Gründungsväter der amerikanischen Republik angetrieben hatten. Tatsächlich eignete sich das amerikanische Beispiel wie kein anderes in der Geschichte der Neuzeit, Arendts Theorie der Republik und deren „Gründung im spontanen Akt des gemeinsamen Handelns“11 weiterzuentwickeln. In einer Würdigung dieser Leistung Hannah Arendts bemerkte Dolf Sternberger: „Auch hat sie […] ein Ereignis der neueren Geschichte entdeckt, untersucht und nachgezeichnet, worin die originäre Idee der Politik wiederzukehren schien: die amerikanische Revolution, die revolutionäre Staatsgründung, die Stiftung der Unionsverfassung oder – mit einem Wort, das ihr so teuer wurde, wie es den ‚gründenden Vätern‘ teuer war: die Entstehung der ‚Republik‘.“12

      Es gibt also gute Gründe, die „Entdeckung der Freiheit“ in Amerika als ein zentrales Element von Hannah Arendts politischem Denken zu begreifen. Hiervon ausgehend lassen sich Schlüsselbegriffe ihrer „Theorie“ des Politischen erschließen. Andererseits interessieren die theoretischen Voraussetzungen und Grundlagen, die Arendt gewissermaßen im „geistigen“ Gepäck mit nach Amerika brachte und die es ihr ermöglichten, die amerikanische Erfahrung aufzugreifen und auf bis dahin nicht gekannte Weise zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund versuchen die Autorinnen und Autoren der in diesem Band versammelten Beiträge, Hannah Arendts spezifischen Zugang zu einer Theorie des Politischen aus verschiedenen Perspektiven zu diskutieren.

      Im ersten Block erschließt Wolfgang Heuer Hannah Arendts „Entdeckung der Freiheit“ in Amerika überwiegend aus einer biographischen Perspektive. Bevor Hannah Arendt zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten hat, war sie, so Wolfgang Heuer, von drei Begegnungen entscheidend geprägt worden: von der Begegnung mit Heidegger und Jaspers, von der Begegnung mit dem deutschen Zionisten Kurt Blumenfeld und von der Begegnung mit Heinrich Blücher, ihrem zweiten Mann. Gerade für ihre Berührung mit Amerika sollte die letzte Begegnung eine große Bedeutung bekommen, denn gemeinsam verspürten Heinrich Blücher und Hannah Arendt nach ihren Erfahrungen im Pariser Exil „den Drang, den Abgrund ohne das begriffliche Geländer von Kommunismus oder Zionismus zu erforschen“. Arendt selbst hat die zentrale Bedeutung ihrer Beziehung zu Heinrich Blücher später in der Bemerkung zusammengefaßt: „Meine […] literarische Existenz beruht darauf, daß ich dank meines Mannes politisch denken und historisch sehen gelernt habe“. In Amerika, so Heuer, kamen beide mit einer anderen politischen Tradition in Berührung, die sich wohltuend von der Krise Europas und des europäischen Nationalstaats abhob. In der amerikanischen Trennung von Staat und Nation und der „Teilung der Gewalten als Teilung der Souveränität“ sah Arendt nach ihrer Lektüre der Gründungsdokumente der amerikanischen Republik und den Auseinandersetzungen, die dieser Gründung unter den „Founding Fathers“ vorausgingen, das Modell, an dem sich eine nachtotalitäre Politik orientieren könnte.

      Die Beiträge im zweiten Block des Sammelbandes beschäftigen sich mit dem Aufeinandertreffen des kulturkritisch geprägten Denkens vieler deutscher Emigranten mit der gesellschaftlichen Realität Amerikas und dem weitgehend unbekannten amerikanischen politischen Denken. Außer Arendt kommen dabei auch andere Vertreter der deutschen Kulturkritik, insbesondere diejenigen der Kritischen Theorie, in den Blick.

      Dagmar Barnouw arbeitet in ihrem Beitrag heraus, daß ein Schlüssel für Arendts politisches Denken in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Zionismus und ihren bereits früh geäußerten Bedenken gegen die Gründung eines jüdischen Staates als Nationalstaat liegt. Diese Überlegungen, so Barnouw, führte sie später in ihren Studien über die amerikanische politische Tradition fort. Das amerikanische Beispiel, in der die aus der Revolution hervorgegangene „Konstitution“ nicht auf einen Gründungsmythos, sondern auf die – „römisch“ verstandene – Autorität des Gründungsaktes abhob und eine für weitere Interpretationen und Neuanfänge offene „Story“ anbot, galt Arendt – in Barnouws Interpretation – als Gegenbeispiel für das auf eine „transhistorische Einzigartigkeit der jüdischen Verfolgung“ rekurrierende und affirmativ-mythische Geschichtsverständnis, welches der Gründung Israels zugrunde lag. Daß Arendt trotz ihrer Prägung in der Tradition der deutschen Kulturkritik überhaupt die „politische Modernität“ Amerikas aufnehmen konnte, lag Barnouw zufolge daran, daß für Emigranten wie Alfred Schütz, Siegfried Kracauer, Carl Zuckmayer, Eric Voegelin und eben Hannah Arendt die Immigration in ein neues Land „die Verantwortlichkeit für das neue Gemeinwesen in sich trug“. Exil bedeutete für sie „nicht nur Verluste, sondern auch neue Anfänge“. Darin unterschied sich diese Gruppe der Exilanten von vielen Vertretern der Kritischen Theorie, die weder etwas Neues von der amerikanischen Politik erwarteten noch danach suchten, sondern sich im Gegenteil – so Barnouws Eindruck – in der Selbstgefälligkeit ihres kulturellen Elitismus und ihrer vorgefaßten Urteile über die amerikanische Gesellschaft einrichteten.

      Harald Bluhm beschreibt in seinem Beitrag Hannah Arendts Weg von den Ursprüngen der Weimarer Existentialphilosophie zur Modernität des amerikanischen politischen Denkens. Er fragt zunächst danach, was Arendt auf ihrem Weg nach Amerika „aus der Philosophie mitnimmt, wie sich ihr Denken im Exil verändert, wie sie sich in eine andere Wissenschaftslandschaft einfügt und […] sich zur politischen Ordnung der USA verhält“. Grundlegend für ihr originelles Verständnis der amerikanischen Republik sind, so Harald Bluhm, die Motive des existentialphilosophischen Denkens. Dies drücke sich unter anderem in der Art und Weise aus, in der Arendt Heideggers Weltkonzept in ihr späteres politisches Denken einfügt, aber auch in ihrer Krisendiagnose der Moderne. Insbesondere aus ihrer fundamentalen Kritik am Totalitarismus, den sie selbst als ein Phänomen der Moderne begreift, entstehe ihre Suche nach neuen Konzepten der Politik. In diesem Kontext rückt einerseits der „Rekurs auf antike politische Theorien“, andererseits auf die „amerikanische Revolution“ ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Indem Arendt in ihrer Krisendiagnostik nicht nur auf die Gefahren, sondern auch auf die Chancen von Krisen hinweist und „die Möglichkeit der Entstehung von Neuem“ herausarbeitet, setze sie sich von deutscher Kulturkritik und Verfallsdiagnostik ab. Eine zentrale Rolle spiele dabei der Begriff der Erfahrung, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Zum einen ziele Arendts Destruktion der philosophischen Tradition unter dem Einfluß von Heidegger und Jaspers darauf ab, den Blick für die eigentlichen politischen Erfahrungen und Fragen frei zu machen. Zum anderen sei die Möglichkeit von Erfahrungen an Bedingungen gebunden, die nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden können: strukturell an die Existenz eines öffentlichen Raumes, der Handeln erst ermöglicht, sowie kognitiv-hermeneutisch an das Vorhandensein adäquater Begriffe und politischer Urteilskraft bei den handelnden Subjekten. In einer interpretativen Bezugnahme auf Vita Activa und Über die Revolution entwickelt Bluhm im weiteren die Bedeutung, die Hannah Arendt dem „Pathos des Neubeginnens“ und einem „republikanischen Sinn von Freiheit“ im Prozeß des politischen Handelns zuschreibt. Er erkennt in dieser Konzeption „ein kreativistisches Verständnis des Politischen“, welches einerseits bewußt auf konkrete Handlungsvorschläge im Sinne von policies verzichtet, andererseits aber „auf einer allgemeinen Ebene Chancen und Optionen jenseits deterministischer und pessimistischer Deutungen moderner Politik“ eröffnet.

      In einer kritisch kommentierenden Auseinandersetzung mit den Beiträgen von Dagmar Barnouw und Harald Bluhm befaßt sich Thomas Geisen mit dem Verhältnis von Arendts politischem Denken zu der eher soziologisch geprägten Kritischen Theorie Max Horkheimers und Theodor Adornos. Geisen argumentiert gegenüber Barnouws Kritik an der uninteressierten Haltung der Vertreter der Kritischen Theorie an Amerika in der Zeit ihres Exils, daß es in Horkheimers und Adornos kulturkritisch motivierter Einstellung zu den USA vorrangig „um die Analyse der Formen und Ursachen kapitalistischer Herrschaft“ am Beispiel der amerikanischen Gesellschaft ging. Ihre Kritik an der Massenkultur lasse sich nicht von antiamerikanischen Ressentiments, sondern vom Nachweis des Fortgangs „sozialen Unrechts“ und damit von einem emanzipatorischen Interesse leiten. In der weiteren Auseinandersetzung mit Barnouw

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