PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Schon in den ersten Grundzügen ist eine große Übereinstimmung zwischen den beiden vorhandenen Gliedern dieser Trilogie nicht zu verkennen. Nämlich auch beim »Staatsmann« ist die ganze Aufgabe eine Erklärung, und sie soll eben so durch Einteilung des gesamten Gebietes der Kunst, nur aus einem andern Teilungsgrunde, gefunden werden. Wie aber bei dem »Sophisten« dieses ganze Verfahren nicht durchaus ernsthaft gemeint war, so ist es auch hier nicht. Denn kaum könnte man, wenn ihm dies ein wesentlicher Teil des Ganzen gewesen wäre, dem Platon solche Fehler zutrauen als hier begangen werden: indem zum Beispiel unter das Gebietende, in wiefern es ein Teil des erkennenden ist, das bloß Gebotverkündigende mit begriffen wird, bei welchem doch gar keine eigene Erkenntnis notwendig ist, und welches wir hernach auch unter den bloß dienenden Künsten wiederfinden. Ferner indem am Ende der ganzen Einteilung die Schweine mit dem Menschen in einer näheren und geraderen Verwandtschaft stehen als mit dem Hornvieh, worüber sich freilich Platon selbst lustig macht, und uns hernach ernsthafter sagt, der Mensch verhalte sich zu den übrigen Tieren wie die dämonische Natur zu der menschlichen. Deshalb ist nun in dem wiederholten Lobe jener einteilenden Methode, daß sie sich um Großes und Kleines nicht kümmere, neben dem wahren gewiß zugleich etwas scherzhaftes; wo nicht, so wäre Platon mit Recht gestraft durch den bekannten schlechten Scherz des Diogenes mit dem gerupften Hahn, der sich ganz genau auf die eine von den hier befolgten Einteilungen bezieht. Nachdem nun aber die Erklärung gefunden worden, zeigt sich ferner daß sie nicht passend ist, sondern daß sie, weshalb ein großer Mythos ausgeführt wird, mehr den dämonischen Menschenhüter einer früheren Periode trifft, als den menschlichen Staatsmann einer geschichtlichen Zeit. Für diesen nämlich müsse von dem unter jener Erklärung befaßten erst noch vieles abgesondert werden, was in das Gebiet anderer Künste gehöre, um dann die eigentliche Staatskunst zu erhalten. Dieses Absondern nun soll, wie aus einer Abschweifung über die Natur und den Nutzen des Beispiels, die wirklich nur zur Verteidigung der im »Sophistes« und hier gewählten Methode hier stehen kann, deutlich genug erhellt, weil es ein neues Geschäft ist wie das Einteilen selbst in dem »Sophisten« ein neues war, auch, wie jenes dort, zuerst an einem geringfügigen Beispiel versucht werden, an der Weberei nämlich, mit welcher sich am Ende der Staatsmann eben so verwandt findet, wie mit dem Angelfischer und mehreren anderen der Sophist. Die Weberei selbst aber wird auch erst auf dem vorigen Wege der Einteilung erklärt; und als die Erklärung sich als eine solche zeigt, die weit leichter konnte gefunden worden sein durch die unmittelbare Anschauung, so knüpft sich hieran eine neue Abschweifung über die Art das große und kleine zu messen, und über das Maß welches jedes Ding in sich selbst habe. Hierauf nun wird zuerst von der Weberei, und dann nach diesem Muster auch von der Staatskunst, alles abgesondert was ihr bloß dient oder ihr Geschäft entfernter mitwirkend umgibt, wobei sich sichtlich die Rede als zu ihrer eigentlichen Spitze hinzudrängt zu der Absonderung des falschen Staatsmannes, für den es aber in der Weberei nichts analoges gibt, und der daher aller künstlichen Vorbereitung ohnerachtet doch ziemlich hart an die dem Staate nur dienende Klasse vermittelst einer Auseinandersetzung über die verschiedenen Formen der Staatsverfassung angeknüpft wird. Der nicht klar heraustretende Zusammenhang ist aber eigentlich dieser, daß die Verwalter solcher Staaten, welche nach bestehenden Gesetzen regiert werden, so lange sie der Voraussetzung treu bleiben, diese Gesetze seien das Werk eines wahrhaft kundigen Staatsmannes, nur Diener und Werkzeuge von diesem sind; sobald sie sich aber herausnehmen, diese Gestalt der Diener abwerfend, ihn auch in seiner Freiheit nachzuahmen, alsdann eben jenes grundverderbliche Übel werden, der falsche scheinbare Staatsmann, der wiederum als nachahmend und schlecht nachahmend genau dem Sophisten gegenübersteht, und deshalb auch als der größte Sophist und Gaukler beschrieben wird. Offenbar sieht man wie jene ganze Darstellung der Staatsformen, mit Ausnahme etwa der einzigen Stelle über ihren ungleichen Wert, nur als Mittel behandelt ist um den falschen Staatsmann zu finden; denn sobald dieser sich deutlich genug gezeigt hat, wird das Absonderungsgeschäft fortgesetzt, um auch die zunächst in der Ausübung im Großen begriffenen, die Feldherren und die Rechtsverwalter von dem Staatsmann zu trennen, so daß endlich seine Kunst als die über alle andern herrschende und alle ihre Beschäftigungen den Menschen bestimmende zurückbleibt, und dann wiederum durch einen harten Übergang und ohne daß ein natürlicher Zusammenhang erhellte, zurückkehrend zu dem Beispiel von der Weberei, so wie der Philosoph im »Sophisten« gelegentlich als ein trennender reinigender Künstler dargestellt wurde, so hier der Staatsmann als ein verbindender geschildert, welchem als sein hauptsächlichstes und fast einziges Geschäft obliegt die verschiedenen und deshalb auseinanderstrebenden Naturen untereinander zu verketten.
Sieht man nun allein auf dasjenige was so den Hauptfaden des Ganzen bildet und auf das letzte Resultat, so kann dieses allerdings dürftig genug erscheinen. Nicht etwa nur dem großen Haufen der heutigen Politiker, dessen höchste Aufgabe immer nur die ist den Staatsreichtum zu vermehren; denn wie wenig Platon mit diesen zu tun hat, muß ihnen schon aus dem Anfang jenes Absonderungsgeschäftes deutlich werden, wo dem Landbau wie dem Handel in Beziehung auf den Staat gar verächtlich begegnet wird. Sondern auch denen, welche höhere sittliche und wissenschaftliche Ansichten mitbringen, könnte das Ergebnis dürftig vorkommen, und dieses letzte und einzige Geschäft des Staatsmannes, wenn gleich etwas großes, ihren Erwartungen doch nicht genügen, um so weniger als nicht einmal unmittelbar angegeben zu sein scheint, auf welchen Zweck nun eigentlich diese Verknüpfung der Naturen und jene Herrschaft über die Beschäftigungen und Dinge in Staaten zu beziehen, und unter welcher Form, ob überall unter derselben oder hier unter dieser und dort unter jener beides auszuüben sei. Diese nun mögen zunächst bedenken daß wie in jenem Gespräch die Erklärung des Sophisten offenbar mit Hinsicht auf den damaligen Zustand der Wissenschaft angelegt war: so auch hier die Erklärung des Staatsmannes mit Bezug auf die bürgerlichen Verhältnisse jener Zeit unter den Hellenen, indem hier von den Verirrungen und der Wut der Parteien die tiefste wie die edelste Ansicht gefaßt ist, und allerdings von diesen den Staat zu befreien oder frei zu erhalten als die höchste Kunstausübung des Staatsmannes mußte dargestellt werden. Besonders aber mögen sie sich erinnern lassen, daß in unserm Gespräch ganz dieselbe Verflechtung und Zusammensetzung statt findet wie in dem vorigen, und daß sie daher nicht vergeblich in dem, was bloß als Abschweifung und beiläufig gegeben wird, die wichtigsten Aufschlüsse suchen dürfen über das, was sie in jenem unmittelbar zusammenhängenden Hauptfaden vermissen. Was zum Beispiel zuerst die Form des Staates betrifft, so läßt freilich Platon deutlich genug vernehmen, daß der wahre Staat wegen Seltenheit der politischen Kunst kaum eine andere als eine monarchische haben könne; allein wenn wir, wie er auch tut, den wahren Staat ganz aus dem Spiel lassen, und den Staatsmann nur ansehn wie er einem andern Staate, der eine Nachahmung werden soll, seine Gesetze vorschreibt, so läßt er zwar alle drei genannte Formen als solche gelten, allein aus seinem Geschäft die Naturen zu vereinigen oder die Beschäftigungen zu beherrschen allein kann doch nicht erhellen unter welchen Umständen er einem Staate jede von jenen Formen geben, und wann er lieber Einem oder Wenigen oder der Menge auftragen wird ihn nachzuahmen. Deshalb nun ist eben jene Abschweifung über den Wert der verschiedenen Formen, welche deutlich genug zu verstehen gibt, daß, in dem Maß als sich Tapferkeit und Besonnenheit in Einigen oder Einem schon vereinigen, auch die Gewalt in ihm oder ihnen darf zusammengedrängt sein, in dem Maß aber als beides noch getrennt ist, auch die Gewalt muß zerstückelt und der Staat also in demselben Maß muß ohnmächtig sein als jenes Hauptgeschäft des Staatsmannes in ihm noch unvollendet ist. Ferner auch wird die ganze Ansicht der Staatskunst sehr aufgehellt durch jene andere, wenn gleich gar nicht in Bezug auf den Gegenstand sondern nur zur Verteidigung des beobachteten Verfahrens eintretende Abschweifung von der Idee des Maßes. Denn eben so bestimmt als absichtlich erklärt Platon, daß die Staatskunst wie jede andere Kunst in ihren Werken dies natürliche auf ihrem Wesen beruhende Maß suche, welches also der wahre Staatsmann als der