PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Der jüngere Sokrates: Welches?
Fremder: Ob wohl eine von den zusammensetzenden Künsten irgend eines ihrer Werke, wenn es auch das unbedeutendste wäre, gutwillig aus schlechtem und gutem bilden wird? oder ob nicht jede Kunst überall das schlechte nach Vermögen verwirft, und nur das tüchtige und gute nimmt, um aus diesem dann, Ähnliches und Unähnliches in Eins verarbeitend, eine bestimmte Kraft oder Gestalt hervorzubringen?
Der jüngere Sokrates: Wie sollte sie nicht das letzte?
Fremder: Also wird auch ihrer Natur nach die wahre Staatskunst niemals gutwillig aus guten und schlechten Menschen irgend einen Staat bilden, sondern offenbar wird sie sie erst durch Erziehung prüfen, und nach der Prüfung denen die sich darauf verstehen zum Unterricht und zur Besorgung übergeben unter ihrer eignen Anordnung und Aufsicht, wie die Weberei über die Wollkämmer und andere, welche die zu ihrem Gewebe notwendigen Vorarbeiten verrichten, immer die Aufsicht führen, ihr Geschäft begleitend anordnet und ihnen solche Arbeit aufgibt zu verrichten, wie sie glaubt daß zu ihrem Gewebe tüchtig sein werde.
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
Fremder: Eben so scheint mir auch die königliche Kunst selbst die Oberaufsicht zu führen über alle gesetzliche Erzieher und Lehrer, und ihnen nicht zu gestatten etwas zu üben, was eine ihrer Mischung nicht angemessene Gesinnung hervorbringen könnte, sondern darin allein zu unterrichten befiehlt sie, und die welche nicht vermögen an tapferer und besonnener Gesinnung Teil zu nehmen und was sonst zur Tugend führt, sondern in Gottlosigkeit, in Frevel und Ungerechtigkeit durch die Gewalt einer bösartigen Natur hineingestoßen (309) werden, diese stößt sie aus durch Todesstrafen und durch Verweisungen, oder züchtiget sie durch die härtesten Beschimpfungen.
Der jüngere Sokrates: So soll es wenigstens sein.
Fremder: Die aber wiederum in Torheit und großer Niedrigkeit des Sinnes sich herumwälzen unterjocht sie in das Sklavengeschlecht.
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig.
Fremder: Von den übrigen aber deren Naturen zu dem edleren mit Hülfe der Erziehung fähig sind gebildet zu werden und kunstmäßig Vermischung mit einander einzugehn, von diesen versucht sie die zur Tapferkeit mehr sich hinneigenden, deren derbere Gemütsart ihr als das für die Kette geeignete erscheint, und die anderen zum sittsamen, welche nach dem vorigen Bilde gleichsam das fettere, weichere, einschlagartige Gespinst sind, wie auch beide einander entgegenstreben, dennoch auf folgende Weise mit einander zu verbinden und zu verflechten.
Der jüngere Sokrates: Auf welche denn?
Fremder: Zuerst indem sie wie es der Verwandtschaft gemäß ist den ewigen Teil ihrer Seele durch ein göttliches Band vereiniget, und nächst dem göttlichen auch den tierischen durch ein menschliches.
Der jüngere Sokrates: Wie meintest du das wieder?
Fremder: Die wahrhaft wahre Vorstellung von dem Gerechten, Schönen und Guten und dessen Gegenteil, wenn sie wohl begründet der Seele einwohnt, nenne ich eben das göttliche in einem dämonischen Geschlecht.
Der jüngere Sokrates: Das gehört sich auch wohl so.
Fremder: Und von dem staatskundigen und guten Gesetzgeber wissen wir daß ihm allein gebührt, mit Hülfe der Muse der königlichen Kunst eben dies denen einzubilden, welche einer richtigen Erziehung teilhaftig geworden, wie wir eben von ihnen gesagt?
Der jüngere Sokrates: Man sollte es denken.
Fremder: Wer aber dies, o Sokrates, zu bewirken unvermögend ist, dem wollen wir nie den Namen beilegen dessen Bedeutung wir jetzt untersuchen.
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig.
Fremder: Wie also? Wenn eine tapfere Seele jene Wahrheit ergreift, wird sie nicht gezähmt und begehrt dann vorzüglich mit dem Gerechten Gemeinschaft zu haben; hat sie aber jene nicht ergriffen, neigt sie sich dann nicht vielmehr zu einer wilderen Natur?
Der jüngere Sokrates: Wie anders?
Fremder: Und wiederum die sittsame Natur, wenn sie jener Vorstellungen sich bemächtiget, wird sie dann nicht das wahrhaft besonnene und sittliche wie es im Staate sein soll werden? wenn sie aber mit dem was wir meinen nicht in Gemeinschaft tritt, dann mit größtem Recht in den schimpflichen Ruf der Stumpfsinnigkeit kommen?
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
Fremder: Aber für Böse unter sich oder auch für Gute mit Bösen wollen wir nicht sagen daß diese Verflechtung und Verbindung jemals haltbar sein, noch daß sich deren irgend eine Kunst im Ernst für solche bedienen werde.
Der jüngere Sokrates: Wie sollte sie auch!
Fremder: Aber den schon von ihrer Geburt an gutgearteten (310) und ihrer Natur gemäß gebildeten Gemütern allein werden diese Vorstellungen durch die Gesetze sich einbilden, und eben unter diesen dies nun das kunstmäßige Heilmittel und wie wir gesagt haben das göttlichere Band sein für die von Natur einander unähnlichen und entgegengesetzt fortstrebenden Teile der Tugend.
Der jüngere Sokrates: Vollkommen wahr.
Fremder: Die übrigen Bande menschlicher Art sind, wenn nur dieses göttliche vorhanden ist, weder schwer zu sehen, noch wenn man sie gesehen hat schwer in Anwendung zu bringen.
Der jüngere Sokrates: Wie so aber und welche sind es?
Fremder: Durch die Ehegesetze und Verbindungen der Kinder und auch einzeln durch die Verheiratungen und Ausstattungen. Denn die Meisten binden hiebei nicht richtig zusammen zum Behuf der Kindererzeugung.
Der jüngere Sokrates: Wie so?
Fremder: Daß auf Reichtum und Macht hiebei Jagd gemacht wird, weshalb sollte man sich nur die Mühe geben dies noch ernsthaft zu tadeln?
Der jüngere Sokrates: Für nichts freilich.
Fremder: Eher wäre es billig über diejenigen, welche hiebei auf die Abkunft sehen, etwas zu sagen, ob auch diese der Sache nicht gemäß handeln.
Der jüngere Sokrates: Das wäre wohl billig.
Fremder: Und freilich handeln sie nach gar keinem richtigen Grunde, wenn sie nur der augenblicklichen Bequemlichkeit nachgehend mit denen sich gefallen die ihnen ganz ähnlich sind, und die Unähnlichen nicht leiden mögen weil sie auf das Beschwerliche dabei allzuviel Rücksicht nehmen.
Der jüngere Sokrates: Wie das?
Fremder: Die Sittsamen und Bescheidenen suchen wiederum ihre Gemütsart, heiraten soviel es sich tun läßt nur von solchen, und geben auch ihre Töchter wiederum nur an solche aus. Eben so macht es auch das tapfere Geschlecht, und geht seiner Natur nach, da beide Arten hievon ganz das Gegenteil