Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt. Группа авторов
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![Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt - Группа авторов Gesundheit - Begriff, Phänomen, Konstrukt - Группа авторов Theologisch-praktische Quartalschrift](/cover_pre1064397.jpg)
(3) Jede einzelne Person ist ein absolutes Novum. Mit jedem Menschen, der zur Welt kommt, wird ein absolutes Novum ins Sein gesetzt, zur Wirklichkeit gebracht.
Frankls dritte These zur Person hat die Wertschätzung des Menschen im Blick. Durch ständige Beanstandung kann im Menschen zerstört werden, was als Novum angelegt ist und sich nicht im „Leisten“ manifestieren kann. Wertschätzung führt zur Aufwertung der Person in ihrer Einzigartigkeit und trägt zur Selbstachtung und Integrität bei. Oft zitiert Frankl an dieser Stelle Johann Wolfgang Goethe: „Wenn wir den Menschen so nehmen, wie er ist, dann machen wir ihn schlechter. Wenn wir ihn aber so nehmen, wie er sein soll, dann machen wir ihn zu dem, der er werden kann.“28 Die autonome Entscheidung eines jeden Menschen, in einer schicksalhaften Situation konstruktiv und nicht destruktiv am Werk zu bleiben, ist hier gefragt. Die Herausforderung besteht darin, die Ermächtigung des Menschen, seine geistige Dimension als ein absolutes Novum seines Seins zu aktivieren. Diese Dimension, die nie verschwindet oder krank wird, hat die Fähigkeit, in allen Kränkungen von der Trotzmacht des Geistes zu künden und alle gegebenen Freiräume zu nutzen, autonom Werte zu verwirklichen, Probleme zu lösen, Positives zu suchen und zu finden und seine intakten Bereiche zu weiten und sich als vom Leben Gefragten zu erleben.29
Daraus folgt für die kirchliche Praxis, wertschätzend und mit großem Vertrauen dem Menschen zu begegnen. Die kirchliche Praxis ist hier gut beraten, auf die Entscheidungskraft des Menschen zu setzen, ihn neugierig zu machen und damit seine Kreativität, sein Interesse, sein Vertrauen oder seinen Humor zu aktivieren. All diese Dispositionen im Menschen sind auch Selbstheilungskräfte, in denen sich die geistige Dimension aktiviert und die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Seins ad situationem und ad personam erfahrbar werden. Geeignet für diesen Blick in der Seelsorge sind die Katechese, die Predigt, die Krankenbesuche sowie das tägliche Miteinander.
(4) Die Person ist geistig. Damit steht sie im Gegensatz zum psychophysischen Organismus.
Viktor Frankl formuliert hier eine Definition der Person, in welcher die geistige Dimension des Menschen eine zentrale Rolle einnimmt. Auch wenn der Organismus unheilbar krank ist, bleibt der Mensch eine Person, die in ihrer Geistigkeit unzerstörbar ist. Somit kommt nicht zuletzt die Würde dieser Person in den Blick, und zwar unabhängig von ihrer vitalen, gesundheitlichen oder sonst welcher Verfassung. Das Wissen um die unbedingte Würde der Person zeigt sich ebenso in der unbedingten Ehrfurcht vor der menschlichen Person – auch vor einem kranken Menschen. Die Geistlosigkeit einer Zeit manifestiert sich in ihrer Blindheit für die Würde der Person. Das Wissen um die unzerstörbare Geistigkeit der Person setzt der Überheblichkeit und dem Missbrauch Grenzen und kann zu einem kleinen subjektiven Abschnitt der objektiven und unbegreiflichen Wahrheit werden.30
Daraus folgt für die kirchliche Praxis, sich in all ihren Bereichen für die unantastbare Würde eines jeden Menschen einzusetzen. Vor allen im Umgang mit Kranken, mit Menschen, die mit Behinderungen leben, ist diese Einstellung gefragt. Darüber hinaus ist die Kirche gefordert, ebenso in den gesellschaftlichen Diskursen etwa zu Altern in Würde, Euthanasie, Schutz für geflüchtete Menschen … einen Beitrag zu leisten.
(5) Die Person ist existenziell und nicht faktisch. Der Mensch als Person ist kein faktisches, sondern ein fakultatives Wesen; er existiert je als seine eigene Möglichkeit, für oder gegen die er sich entscheiden kann.
Mensch-Sein heißt, sich immer entscheiden zu können, was im nächsten Augenblick geschieht. An diesem Punkt zeigt sich der Unterschied zu Freud. In seiner Psychoanalyse heißt es nämlich, der Mensch entscheide sich nicht, vielmehr werde er getrieben von seinen Instinkten, von seiner Vergangenheit oder von seinen seelischen, oft unbewussten Vorerfahrungen. Mensch zu sein im Sinne von Entschieden-Sein, heißt immer auch verantwortlich zu sein. In dieser Verantwortlichkeit macht Frankl das Wozu der menschlichen Freiheit aus. Die Existenzanalyse arbeitet also nicht triebdeterminiert, sondern sinnorientiert.31
Daraus folgt für die kirchliche Praxis, den Menschen adäquat mit seiner Freiheit und der daraus resultierenden Verantwortlichkeit zu konfrontieren, ihn zu fordern, sich für diese Freiheit einzusetzen. Darüber hinaus kann dies heißen, für eine verantwortbare Lebensgestaltung zu plädieren, anstatt für eine provisorische Daseinshaltung oder für eine fatalistische Lebenseinstellung. Ebenso ist die Kirche gefragt, gegen ein kollektivistisches Denken, sowohl gesellschaftlich, aber auch kirchlich aufzutreten, das sich heutzutage vor allem in rassistischen oder ausgrenzenden Haltungen zeigt. Schöpfungsverantwortung, Solidarität, Subsidiarität und Personalität werden in dieser Hinsicht aktueller denn je. Predigten, Erwachsenbildung, Katechese, Seelsorgegespräche oder Jugendarbeit zeigen sich als geeignet, den Spannungsbogen zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit aufrechtzuerhalten.
3 Anmerkungen zum Schluss
Freilich wäre die Kirche gut beraten, die hier ausgewählten und dargestellten Thesen zur Person nach Frankl nicht nur in der seelsorglichen Praxis zu beherzigen, sondern diese sinngemäß auch in die Kirchenentwicklung zu übertragen. Papst Franziskus spricht nämlich immer wieder auch von der Krankheit der Kirche. Die Botschaft für die Kirche – ähnlich wie jene für den Menschen – heißt, aus sich selbst heraustreten, um gesund, wohlauf zu bleiben, trotz aller Fragmentaritäten und Schattenseiten des Lebens:
„Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank. Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickelten, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit.“32
Sowohl der Mensch als auch die Kirche werden in jedem Moment angefragt, das Leben frei und verantwortungsvoll zum Wohle anderer zu gestalten. Ob jemand oder die Kirche also wohlauf ist, hängt entscheidend von seiner/ihrer geistigen Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens ab.
Die Autorin: Klara-A. Csiszar, geb. 1981, Studien der katholischen Theologie und Germanistik in Cluj Napoca (Klausenburg), Konstanz und Wien, seit 2019 Professorin für Pastoraltheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz; Publikationen: Megújult lendülettel. A szatmári jezsuiták története, Budapest 2015 (Mit erneuertem Schwung. Die Geschichte der Gesellschaft Jesu in Satu Mare. Die Geschichte der Jesuiten in Satu Mare); zus. mit Martin Hochholzer u. a. (Hg,), Mission 21. Das Evangelium in neuen Räumen erschließen, Regensburg 2017; Kirche in Liebesdynamik. Integrales Missionsverständnis mit praktischen Konsequenzen. Skizze einer existenzanalytischen Pastoraltheologie, in: Studia UBB Theologica Catholica Latina LXIII (2018), H. 2, 52–64; Das Angesicht der Erde erneuern. Die kirchliche Entwicklung in Rumänien nach dem Kommunismus, Ostfildern 2018; zusammen mit Johann Pock und Ioan Vik, Pastoraltheologie in Mitteleuropa. Bestandsaufnahme und Entwicklungsmöglichkeiten, Ostfildern 2021; Missio-Logos: Beiträge über ein integrales Missionskonzept einer Kirche bei den Menschen, Regensburg 2021; GND 1125745835.
Weiterführende Literatur:
– Vikor Frankl, Grundkonzepte der Logotherapie, Wien 2015.
– Elissabeth Lukas, Freiheit und Geborgenheit. Süchten entrinnen – Urvertrauen gewinnen, München 2011.
– Elissabeth Lukas: Lebensstil und Wohlbefinden Logotherapie