Heilung aus dem Jenseits. Tim Braun
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Handeln, im Namen der Liebe
Man sagt, dass man das Leben vorwärts erfahren muss, es aber nur in der Rückschau verstehen kann. Ich schaue gern auf meine Lektionen zurück und erkenne, wie sie mich weitergeführt haben, eine nach der anderen. Jede Lektion brachte mir eine neue Ebene des Verstehens. Meine Lektion in diesem Moment mit Mutter Theresa war, dass ich die Liebe verstand.
Die nächsten anderthalb Wochen saß ich jeden Abend neben ihr, während sie eine Stunde lang betete. Mein Herz war voll. Ich wusste, mein Leben würde nie wieder dasselbe sein.
Ich traf die Entscheidung, auf das zu hören, was das Kind mir über viele Jahre hinweg nicht hatte sagen können. Ich begriff meine eigene, spezielle religiöse Erziehung plötzlich ganz klar, als ich lernte, ganz zu lieben, mit grenzenlosem, offenen Herzen und die anderen nicht länger auf Grundlage ihrer Glaubenssätze und Lebensformen in Schubladen zu stecken.
Auf den Straßen
Ich begann am nächsten Tag damit, im Hospiz zu arbeiten. Jeden Tag ging eine Gruppe von uns zum Bahnhof und suchte die Straßen nach Leuten ab, denen nur noch Tage oder sogar Stunden vor ihrem Tod blieben. Wir brachten sie in das Hospiz und kümmerten uns um sie. Dort konzentrierten wir uns größtenteils darauf, ihnen ihre letzten Tage zu erleichtern. Ich erinnere mich, dass ich ihnen in die Augen schaute und oft Freude und Angst gleichzeitig darin sah.
Ich schaute den Kindern zu, wie sie auf den Müllhaufen spielten. Sie lachten und lächelten mich an, und ich fragte mich, wie sie in solcher Armut so glücklich sein konnten. Ich dachte an meine Freundschaft mit Joey zurück und wie ich mich einst nach der Akzeptanz von Kindern in meinem Alter gesehnt hatte.
Eines Tages fanden wir am Bahnhof einen alten Mann, der sich in einer Ecke zusammengekauert hatte und kaum noch atmete. Seine Haut war wie in der Sonne getrocknetes Pergament, das sich über seine Knochen spannte. Wir hoben ihn sanft hoch, wie ein zerbrechliches Stück Glas, und brachten ihn ins Hospiz, damit er dort in Würde sterben konnte.
Jeder Tag verlief so, eine lebensverändernde Erfahrung nach der anderen, und Schritt für Schritt begann ich mich zu verändern. Als ich dort war, um den Einwohnern von Kalkutta zu helfen, halfen auch sie mir; ich lernte wahres Mitgefühl und wahre Liebe. Eines Abends rannte ein Missionar herein und brüllte – ein Baby in den Slums war von Öl verbrannt worden. Wir rasten durch die dunklen Straßen und erreichten es gerade noch rechtzeitig. Mit dem Licht meiner Videokamera als einziger Lichtquelle behandelten wir den kleinen, verbrannten Körper. Wir rieben ihn überall mit Salbe ein, sodass der kleine Mann zu weinen aufhörte und schließlich einschlief. Plötzlich erkannte ich, wie all die Armut, der Schmerz und das Leid um uns herum verpufften, als wir begannen, diesem kleinen, bedürftigen Menschlein zu helfen. Das Einzige, was zurückblieb, war die reine Liebe.
Annahme
Ich erkannte schnell, dass es Mutter Teresa und ihren Missionaren darum ging, alle anzunehmen. Es spielte keine Rolle, ob du Hindu, Muslim, Christ oder sogar Atheist warst – alles, was zählt, ist, dass wir durch unsere Menschlichkeit verbunden sind, Punkt.
Jede Religion auf der Welt interpretiert Spiritualität anders, je nach der Grundlage ihres kulturellen Inputs und menschlicher Beobachtungen. »Im Hier und Jetzt sein« ist als buddhistische Eigenschaft bekannt. »Liebe deinen Nächsten« ist ein christlicher Charakterzug. »Dem Pfad der Rechtschaffenheit folgen« ist ein muslimisches Prinzip, »Hingabe an Gott« ein Grundzug des Judentums. Aber Mutter Teresa handelte einfach im Namen der Liebe und gleichzeitig hakte sie alle religiösen Kästchen ab, ohne überhaupt zu versuchen, religiös zu sein! Das war der Schlüssel – sie machte einfach weiter!
Ich fühlte, wie sich die Jahre meiner strikten religiösen Erziehung auflösten, weil mich diese weltberühmte katholische Nonne in echter Spiritualität und wahrer, bedingungsloser Liebe unterrichtete. Alle meine »Regeln« wurden weggewaschen und ich konzentrierte mich nur noch auf das, was wirklich wichtig war.
Mein bestimmender Moment kam, als ein acht Jahre alter Junge namens Jai hereingebracht wurde, der hysterisch schrie. Sein Bein war zerfetzt und in ein blutbedecktes altes Hemd gewickelt. Es war von einem Wagen am Knie abgetrennt worden, als er auf der Straße spielte. Mein Herz schrie: »Warum muss hier so enormes Leiden herrschen?«
Aber Mutter Teresa stellte diese Frage nicht. Sie fragte tatsächlich nie nach dem Warum – sie konzentrierte sich einfach auf das Was und das Wie.
Nach nur zwei Tagen konnte sich Jai im Bett aufsetzen. Er quietschte vor Aufregung, als ich ihm ein Spielzeugauto gab. Er ließ das Leiden bereits hinter sich – wie Mutter Teresa konzentrierte er sich auf das Was und das Wie. Und wenn es darum geht, wirklich zu helfen, dann, so sah ich jetzt, war das der Fokus und nicht das schreckliche: Warum?
Ein paar Tage später war ich im Kinderheim und ging durch den Korridor, als mich jemand rief: »Mister Tim!« Es war Jai. Sie hatten ihn verlegt. Er öffnete seine Arme und ich rannte zu ihm und umarmte ihn. Ich wusste. Ich verstand.
Klarheit
Ganz plötzlich hatte ich es. Durch den Reichtum der Erfahrung in Indien ergab sich ein sinnvolleres Leben. Bald würde ich in mein eigenes Land zurückkehren, ein enormer Kontrast bezüglich dessen, was »reich und erfolgreich« bedeutete – protzige Autos, teure Kleidung, perfekte, ausgestanzte Villen auf baumgesäumten Straßen, all das verblasste im Vergleich mit dieser unglaublichen, wahrhaft reichen Erfahrung.
Los Angeles, Kalifornien
»Ich suche nach der Mandelmilch. Sie haben nur Sojamilch, wo ist die Mandelmilch?«
Die Reihe sieben im Vons-Supermarkt bei meiner Arbeit könnte nicht weiter von den Straßen von Kalkutta entfernt sein. Meine Perspektive hatte sich so radikal verändert und ich kämpfte mit den Forderungen der Welt in Los Angeles. Nur ein paar Stunden zuvor war ich von verarmten und bedürftigen Menschen umgeben gewesen. Obwohl sie jetzt Tausende von Meilen entfernt waren, trug ich sie wie eine Familie in meinem Herzen.
Indien hatte mir einen Grund geliefert, morgens aufzustehen. Ich wusste exakt, wo ich hingehörte, von der Minute an, da ich aus dem Flieger stieg. Jetzt war ich umgeben von fünfzig Sorten Brot, zehn Sorten von Milch, reihenweise Klatschmagazinen aus Hollywood, und ich fühlte mich, als hätten mich Außerirdische auf einem klimatisierten Planeten nichtssagender Gesichtsausdrücke und doppelter Lattes abgeworfen. »Haben Sie ungesüßte Mandelmilch? Ich will nicht die normale, ich suche ungesüßte.«
Mein Kompass rotierte noch ein paar Tage, während derer ich mich bemühte, mich wieder einzugewöhnen. Aber dann erinnerte ich mich, dass mein Traum mich aus einem bestimmten Grund nach Indien geführt hatte. Jetzt war ich zurück und mein Leben konnte endlich beginnen. Es war an der Zeit, den Gang zu wechseln. Ich hörte auf meine Berufung und benutzte die bedingungslose Liebe, die ich gefunden hatte, als meinen Fixpunkt. Ich war sicher, dass die Sterne richtig standen und sich jeden Moment eine Gelegenheit auftun würde. Und natürlich ereignete sich ein weiterer Meilenstein auf meinem Weg, ein paar Tage später, als meine Gabe mich zurück auf meinen Pfad brachte.
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