Narrenschwämme. Jochen Gartz
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Realität und Wunschvorstellung
5.Klassische und rezente Befunde zur Pilzkultur
6.Weltweites Vorkommen der psychoaktiven Arten
6.1. Blickpunkt Nordamerika und Hawaii
6.2. Mykophilie in Mittel- und Südamerika
6.3. Australiens Mykoflora erregt Aufsehen
6.6. Intoxikationen und der älteste bekannte Pilzkult in Afrika
6.7. Gebrauch in Asien und Ozeanien
7.Anmerkungen zur Wirkung von Pilzen der Kategorie Phantastika
Abb. 1 Bronzetür mit Pilzmotiv (biblische Szene der Verurteilung von Adam und Eva) in der Kathedrale von Hildesheim, Deutschland (ca. 1020).
Danksagung
Roger Liggenstorfer, Agnes Tschudin und dem Team vom Nachtschatten-Verlag danke ich herzlich für die Erstellung dieser Edition und dem verständnisvollen Umgang mit meinen Anregungen zur Buchgestaltung.
Im Laufe meiner 15-jährigen wissenschaftlichen Erforschung psychoaktiver Pilzarten rund um die Welt bin ich folgenden Personen für die Einführung in verschiedene mykologische Bereiche, der bereitwilligen zur Verfügungstellung oft sehr seltener Pilzfunde, von Pilzfotos oder von wichtigen Informationen zu großem Dank verpflichtet:
J.W. Allen, G. Drewitz, M. Hausner, J. Herink, A. Hofmann, U. Kinzel, G.J. Krieglsteiner, R.C. Leimgruber, H. Leuner, G.K. Müller, J. Ott, C. Rätsch, I. Richter, G. Samorini, M. Semerdzieva, A.T. Shulgin, M.W. Smith, P. Stamets und S. Widmer.
Vorwort
Wer war der erste Narr?
Der Narr bejahte es, wusch sich die Federn vom Leib, zog sich wieder an und ging dann in den Stall, wo er allen Schafen die Augen ausstach und diese in seinem Rock versteckte. Sobald die Braut kam, ging er ihr entgegen und warf ihr die Augen, soviel er nur hatte, ins Gesicht, weil er glaubte, dass man so und nicht anders „die Augen auf jemand werfen muss“.
Aus einer frühzeitlichen Narrenposse
Niemand weiß, wann der erste Narrenschwamm aus dem Schatten der Erdgeschichte in das Licht des Bewusstseins getreten ist. Niemand weiß, wann der erste Mensch den ersten Schwamm verzehrt hat. Niemand weiß, wer der erste Narr war. Denn – so erscheint es mykophoben Personen – nur Narren begehen die Torheit, eine höhere Wirklichkeit außerhalb der Alltagsbanalität zu suchen. Und das auch noch mit Hilfe dieser merkwürdigen Dinger, die wie Gaias Unrat unheimlich aus schwülem Boden, faulem Holz und stinkendem Kuhmist hervorsprießen. Diese Schwämme oder Pilze, die seit der Antike Angst und Schrecken verbreiten, die aus dem giftigen Geifer der Schlangen entstehen, die als unreiner Auswurf böser Geister erscheinen, konnten Tod und Verderben, Blähbäuche und Narrheit erzeugen. Noch heute sagt der aalglatte Wiener von einem gesellschaftlichen Aussenseiter, „Er hat verrückte Schwammerln gegessen!“
Aber da ist auch die andere Tradition.
Die Alte Welt: Die mykenische Kultur beginnt mit einem Pilztrip. Der Ambrosia des Dionysos war mit Pilzen vermischt. Porphyrius, der lateinische Dichter aus der Zeit Kaiser Konstantins (4. Jh.), weiß von den Pilzen, dass sie die Kinder der Götter sind. Denn wahrhaft göttlich wird einem zumute, hat man die Kinder der Götter in einem quasi kannibalistischen Akt verzehrt. Aber nicht alle Pilze lassen den Menschen am göttlichen Bewusstsein teilhaben. Es sind nur jene, die im christlichen Europa des späten Mittelalters und der früheren Neuzeit als giftige, vom Teufel gesandte Narrenschwämme galten.
Die Neue Welt: Die Azteken in Mexiko nannten eine Reihe kleiner unscheinbarer Pilze Teonanacatl, „Fleisch der Götter“. Diese heiligen Pilze wurden rituell gegessen, um mit den Göttern in Kontakt zu treten, um Erkenntnisse über Gott und die Welt zu erhalten. Den katholischen Spaniern waren diese Pilzrituale unheimlich. Den Pilzessern, gewöhnlich Teufelsanbeter genannt, wurde die Inquisition auf den Hals geschickt. Aber da sich alles Gute bewährt, ist der Kult der Pilzesser nicht ausgestorben. Er