Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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daß ich ein Mann sein könnte, wie du? aber wenn ich ein Mann wäre, niemand sollte mich bedauern.

      Ugolino. Wie das?

      Anselmo. Doch itzt besinne ich mich: ich müßte auch ein freier Mann sein; nicht im finstern Thurm eingesperrt sitzen; frei müßt ich sein; frei meine Hand (sie würde dann Nerve haben;) frei dieser Arm – ha!

      Ugolino. Du schweigst? du glühst? Rede weiter, mein Sohn Anselmo.

      Anselmo. Mein Vater! (seinen Arm um seinen Vater schlingend) Großer Mann! schäme dich meiner nicht, daß ich erröte! Ah, Gherardesca, nenne mich noch einmal deinen Sohn Anselmo!

      Ugolino. Mein geliebter, mein edler Sohn Anselmo! Mein männlicher Sohn Anselmo!

      Anselmo. (auf und ab gehend) Ich bin nur dreizehn Jahre alt: aber Ugolino Gherardesca hat mich seinen Sohn genannt. Männlicher Sohn ist zu viel: aber genug, Gherardesca hat mich seinen Sohn genannt! Zittre du, o du, den ich jetzt denke, zittre vor dem Sohne Gherardescas, wenn er ein Mann sein wird!

      Ugolino. Welch großer Gedanke drängt sich, und keimt auf in deiner zarten Seele? Bewundernswürdig!

      Anselmo. Ein Sprung vom Thurme, sagte Francesco, ist ein kühner Gedanke: allein ein kühner Gedanke, setzte er hinzu, ist ein angenehmer Gedanke. Es ist wahr; je höher ich mir den Thurm denke, desto höher erhebt sich meine Seele.

      Ugolino. Nun?

      Anselmo. Wie ärgert's mich, daß Francesco mir darin zuvorkommen mußte!

      Ugolino. Was schwärmst du, Knabe? Worin zuvorkommen?

      Anselmo. Das zu denken! ach! – In jedem entzückenden gefahrvollen Gedanken läßt er mich hinter sich. Du würdest mich nicht so mit der Miene Knabe nennen: würdest du? Es schmerzt mich, mein Vater!

      Ugolino. Ruggieri, laß deinen Grimm diesen Weg nehmen! (auf sein Herz zeigend) Feind meiner Seele, laß ihn diesen Weg nehmen!

      Anselmo. (erschrocken) Wen nanntest du? Ah, mein Vater!

      Gaddo. Ruggieri? O sieh, sieh, mein Vater! (hält ihm seinen Nacken hin) so hat er mich geschlagen!

      Ugolino. Traurig! jammervoll! wie sie in meiner Seele wütet! o diese Erinnerung!

      Gaddo. Er schlug mich! So hob er seine Hand auf! – Dann schlug er mich. Weder mein Vater, noch meine Mutter haben mich geschlagen. Meine Mutter wollte mich in ihrem Busen verbergen; und der eiserne Erzbischof traf auch sie.

      Ugolino. Und wo war ich bei dieser schändlichen grausamen Szene? Ah, Barbar! das ist es! das schmerzt! Daß deine Büttel mich unter der schwärzesten aller Nächte (verbannt sei sie auf ewig aus meinem Gedächtnisse!) niederdrücken mußten, daß ich nicht um mich her schauen, nicht in dem gerechten Zorne meiner Seele mich erheben, dich nicht zwischen meine ausgestreckten Hände fassen, dir nicht das verruchte Herz aus dem Leibe drücken konnte! Doch du tatst wohl, daß du den Bären aus seiner Höhle entferntest, und Dank sei deiner Weisheit! Beruhigt euch, meine Kinder! Wie ist's, Gaddo?

      Gaddo. Sage mir, mein Vater, warum ward dieses Fenster so klein gemacht?

      Anselmo. Daß man nicht durchschlüpfe, Gaddo.

      Gaddo. Ein glücklicher Einfall! Man hat vorausgesehn, daß der Erzbischof versuchen würde, zu uns zu kommen, und darum hat man das Fenster so klein gemacht. Ein guter Einfall! Ich wunderte mich schon, daß er uns so lange in Ruhe gelassen hat.

      Anselmo. Wollte Gott, er käme!

      Gaddo. Pfui, Anselmo!

      Anselmo. Ich sage noch einmal, wollte Gott, er käme.

      Gaddo. Das Blut starrt mir in den Adern, du böser Anselmo.

      Anselmo. Aber wohl zu verstehn, durch dies kleine Fenster: den Kopf voran, und die übrige Schlange strotzte draußen im Freien, und könnte sich nicht nachwinden! und ich stünde hinter ihm an der Wand! ungesehn! Hei, Gaddo! (umarmt Gaddo)

      Gaddo. Mutwilliger! Er würde seine Büttel mit sich bringen.

      Anselmo. Die möchten wieder heimkehren. Ich wünsche keinem Menschen Arges, als ihm.

      Gaddo. Hat er dich auch geschlagen?

      Anselmo. Was Schlimmers, Gaddo. Er hat mich gehöhnt.

      Gaddo. Gehöhnt?

      Anselmo. Er hob mich auf seine verhaßten Arme, als wäre ich ein Säugling, setzte mir sein Barett auf den Kopf, und nannte mich Prinz von Pisa.

      Gaddo. Prinz von Pisa? Was ist das?

      Anselmo. Merkst du denn nicht, daß er unsers großen Vaters spotten wollte?

      Gaddo. So scheint's. Und du?

      Anselmo. Ich zitterte. »Bischof!« stammelte ich, »Bischof! warum? wie? für was diese Krönung? Ich mache keine Ansprüche darauf, Bischof. Ich lege das Diadema – zu deinen Füßen.« – Weg flog das Barett.

      Gaddo. Gut war's, daß du das Barett nicht behieltest. Wer weiß, es könnt ihn gereut haben; und so hätt er dich auch geschlagen.

      Ugolino. Ihr Kinder macht mich lächeln. Wie, mein kleiner Freund, du warfst ihm das Barett vor die Füße? Was sagte der Mann da?

      Anselmo. Seine plumpen Augen schwollen ihm ganz dick im Kopf auf, recht so, wie ich's an der Kröte gesehen habe, die Francesco mit dem Wurf einer Orange traf. Er preßte mich fest an sich, kniff blaue Mäler in meinen Arm, biß die Lippen zusammen, und ließ sie dann hangen, sprach kein Wörtchen, nahm das Barett langsam vom Boden auf. Traun, er kam mir so hölzern vor, daß ich ihn im Bücken von mir stieß, und mit einem Schwünge seinen Armen entsprang.

      Gaddo. Was für boshafte Menschen es gibt! Er kniff dich doch, ob du ihm gleich das Barett zurückgabst!

      Anselmo. Nun fand er die Sprache. Er rief seinen Sbirren, mich den Buben (so schalt seine Wut) meinem Vater (ich verschweige den Namen seiner Vergiftung: was über seine Zunge geht, wird ein Greuel) –

      Ugolino. Er hat keine andre Waffen.

      Anselmo. – nachzuschleppen, mich aus dem Drachenneste hinweg in den Thurmkerker zu schleppen. »Ich danke dir«, antwortete ich mit einer Verbeugung, »ein Drachennest ward diese Wohnung erst, da du sie mit deiner Brut betratst.« Ich wollte mehr sagen: die Sklaven aber bebten, wie Totengeribbe, mit mir davon. Nun bin ich hier; drum sei nicht traurig, mein Vater.

      Ugolino. Ach, Anselmo, du süßer Knabe, kannst du –

      Anselmo. Du wendest deine teuren Augen von mir weg, mein Vater?

      Ugolino. Kannst du – und du, mein sanfter Gaddo – könnt ihr mir vergeben, meine Kinder?

      Anselmo. (zu Gaddo) Unser Vater ist wunderbar bewegt. Wie er mir die Hand drückt!

      Ugolino. Nur dies noch. – Ihr Unschuldigen, vergebt mir!

      Gaddo. Ach! er zürnt, unser Vater. Was mag er meinen?

      Anselmo. Er riß sich mit Gewalt von uns los. Er wollte noch etwas sagen; ich sah's; er zwang die

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