Die eiserne Ferse. Jack London
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Читать онлайн книгу Die eiserne Ferse - Jack London страница 7
»Ich habe auch einen Strauß mit Ihnen auszufechten, Herr Everhard«, sagte Bischof Morehouse.
Ernst hob die Schultern und nahm eine Tasse Tee, die ich ihm reichte.
Der Bischof ließ mir mit einer Verbeugung den Vortritt. »Sie schüren den Klassenhass«, sagte ich. »Ich halte es für unrecht und sträflich, all die niedrigen und rohen Instinkte der arbeitenden Klasse wachzurufen. Klassenhass ist unsozial, und, wie mir scheint, antisozialistisch.«
»Falsch«, erwiderte er. »Weder im Wortlaut noch im Geist irgendeiner meiner Schriften ist Klassenhass.« »Oho!« rief ich vorwurfsvoll, nahm sein Buch und schlug es auf. Er nippte lächelnd an seinem Tee, während ich die Seiten überflog.
»Seite hundertzweiunddreißig«, las ich laut. >»Daher gibt es im jetzigen Stadium der sozialen Entwicklung als einziges Mittel den Klassenkampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.<«
Ich blickte ihn triumphierend an.
»Keine Spur von Klassenhass«, gab er lachend zurück.
»Aber Sie sprechen doch von Klassenkampf«, sagte ich.
»Etwas ganz anderes als Klassenhass«, erwiderte er. »Und glauben Sie mir, wir schüren den Hass nicht. Wir sagen, dass der Klassenkampf eine Folge der sozialen Entwicklung ist. Wir sind nicht dafür verantwortlich. Wir schaffen den Klassenkampf nicht. Wir erklären ihn nur, wie Newton das Gesetz der Gravitation erklärt hat. Wir erklären lediglich das Wesen des Interessenkonflikts, der den Klassenkampf hervorruft.«
»Aber es sollte keinen Interessenkonflikt geben!« rief ich.
»Da bin ich völlig mit Ihnen einig«, antwortete er. »Das ist es ja, was wir Sozialisten erstreben — die Beendigung des Interessenkonflikts. Entschuldigen Sie bitte einen Augenblick; lassen Sie mich vorlesen.« Er nahm das Buch und blätterte darin. »Seite hundertsechsundzwanzig: >Die Periode der Klassenkämpfe, die mit der Zersetzung der ursprünglichen Gütergemeinschaft und der Entstehung des Privateigentums begann, wird mit dem Aufhören des Privateigentums im Sinne des Sozialismus endigen.<«
»Aber da stimme ich nicht mit Ihnen überein«, fiel der Bischof ein, dessen blasses, asketisches Gesicht durch schwaches Erröten seine Erregung verriet. »Ihre Voraussetzung ist falsch. Es gibt nichts Derartiges wie einen Interessenkonflikt zwischen Arbeit und Kapital — oder, vielmehr, es sollte ihn nicht geben.«
»Danke«, sagte Ernst mit Nachdruck. »Durch diese Behauptung haben Sie mir meine Voraussetzung wiedergegeben .«
»Aber warum muss es einen Konflikt geben?« fragte der Bischof eifrig.
Ernst zuckte die Achsel. »Weil wir einmal so geschaffen sind, denke ich.«
»Aber das sind wir ja gar nicht!« rief der andere.
»Sprechen Sie vom Idealmenschen?« fragte Ernst. »Von dem selbstlosen, gottähnlichen Idealmenschen, der so selten ist, dass er praktisch gar nicht in Frage kommt, oder sprechen Sie vom gewöhnlichen Durchschnittsmenschen?«
»Vom gewöhnlichen Durchschnittsmenschen«, lautete die Antwort.
»Der schwach und fehlbar und Irrtümern verfallen ist?«
Bischof Morehouse nickte.
»Und kleinlich und selbstsüchtig?« Er nickte wieder. »Beachten Sie wohl,« sagte Ernst, »ich sagte >selbstsüchtig<.«
»Der Durchschnittsmensch ist selbstsüchtig«, gab der Bischof tapfer zu.
»Begehrt alles, was er bekommen kann.«
»Begehrt alles, was er bekommen kann — leider wahr.«
»Dann habe ich Sie.« Ernst ließ seine Kiefer wie eine Falle zuklappen. »Ich werde es Ihnen zeigen. Nehmen Sie einen Mann, der an der Straßenbahn arbeitet.«
»Er hätte diese Arbeit nicht, wenn das Kapital nicht wäre«, unterbrach ihn der Bischof.
»Stimmt, aber Sie werden mir zugeben, dass das Kapital zugrunde gehen würde, wenn die Arbeiter nicht die Dividenden verdienten.«
Der Bischof schwieg.
»Geben Sie das zu?« beharrte Ernst.
Der Bischof nickte.
»Dann heben unsere Behauptungen sich gegenseitig auf«, sagte Ernst geschäftsmäßig, »und wir sind wieder, wo wir waren. Also lassen Sie uns wieder von vorne anfangen. Die Arbeiter bei der Straßenbahn liefern die Arbeit. Die Aktionäre liefern das Kapital. Durch die vereinigte Wirkung von Arbeit und Kapital wird das Geld verdient. Das verdiente Geld wird zwischen ihnen geteilt. Der Verdienstanteil des Kapitals heißt >Dividende<, der der Arbeit >Lohn<.«
»Sehr richtig«, bemerkte der Bischof. »Und es ist kein Grund vorhanden, dass die Teilung nicht auf friedlichem Wege erfolgen sollte.«
»Sie haben schon vergessen, worüber wir uns einig waren«, erwiderte Ernst. »Wir waren uns darüber einig, dass der Durchschnittsmensch selbstsüchtig ist. Er ist der Mensch der Tatsache. Sie sind ins Blaue geflogen und haben einen Unterschied zwischen den Menschen aufgestellt, wie sie sein sollten, aber nicht sind. Kehren Sie wieder auf die Erde zurück. Der Arbeiter, der selbstsüchtig ist, will bei der Teilung haben, was er bekommen kann. Der Kapitalist, der auch selbstsüchtig ist, will ebenfalls bei der Teilung haben, was er bekommen kann. Wenn es aber nur soundso viel zum Teilen gibt, und wenn zwei alles haben wollen, dann ist der Interessenkonflikt zwischen Arbeit und Kapital ein unversöhnlicher. Solange es Arbeiter und Kapitalisten gibt, werden sie sich über die Teilung streiten. Wenn Sie heute abend in San Franzisko wären, müssten Sie zu Fuß gehen. Dort fährt nicht eine Straßenbahn.«
»Wieder Streik?« fragte der Bischof erschrocken. »Ja, sie streiten sich über die Verteilung des Gewinns der Straßenbahn.«
Bischof Morehouse wurde erregt.
»Es ist unrecht«, rief er. »Es ist so kurzsichtig von den Arbeitern. Wie können sie Sympathie von uns erwarten —« »Wenn wir gezwungen werden, zu Fuß zu gehen«, Ernst schmunzelte.
Aber Bischof Morehouse beachtete ihn nicht und fuhr fort: »Ihr Horizont ist zu eng. Menschen sollten Menschen sein und keine wilden Tiere. Jetzt wird es wieder Gewalt und Mord, trauernde Witwen und Waisen geben. Kapital und Arbeit sollten Freunde sein. Sie sollten Hand in Hand zu gegenseitigem Nutzen arbeiten.«
»Ach, jetzt schweben Sie wieder im Blauen«, bemerkte Ernst trocken. »Kommen Sie auf die Erde zurück. Vergessen Sie nicht: Wir waren uns einig, dass der Durchschnittsmensch selbstsüchtig ist.«
»Aber er sollte es nicht sein«, rief der Bischof.
»Da stimme ich mit Ihnen überein«, lautete Ernsts Erwiderung- »Er sollte nicht selbstsüchtig sein. Aber er wird es sein solange er unter einem sozialen System lebt, das auf einer Schweine-Ethik beruht.«
Der Bischof war entsetzt, und mein Vater schmunzelte.
»Ja, Schweine-Ethik«, fuhr Ernst unbarmherzig fort, »das ist das kapitalistische System. Und dafür tritt Ihre Kirche ein, die predigen Sie, so oft Sie die Kanzel besteigen. Schweine-Ethik! Es gibt keine andere Bezeichnung dafür.«
Bischof