Essen und Trinken: Wie wir uns richtig ernähren (GEOkompakt eBook). Группа авторов

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jeder von uns kennt mindestens ein Nahrungsmittel, das er strikt ablehnt, obwohl andere es gern essen. Manche erfüllt etwa der Verzehr einer Wurst mit Ekel, andere verabscheuen Ananas, Rosinen oder Spinat.

      Eine solche Aversion kann aus Zufall entstehen – etwa, wenn wir eine bestimmte Speise zu uns nehmen, während uns eine Krankheit wie eine schwere Grippe befällt. Das Gehirn verbindet dabei Ereignisse, die eigentlich nicht in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.

      Dieser Prozess, der intuitiv und vollkommen unbewusst abläuft, kann uns sehr nützlich sein, um schädliche Nahrungsmittel für alle Zeiten zu vermeiden – kann aber eben ab und zu auch in die Irre führen.

      Manche Aversionen erwerben wir vermutlich schon sehr früh in der Kindheit. So ist es möglich, dass wir Nahrungsmittel ablehnen, die uns in den ersten Lebensjahren nicht allzu freundlich dargeboten wurden. Wird ein Kleinkind dagegen wiederholt von einem Erwachsenen gefüttert, der dabei besondere Zuneigung zeigt, bevorzugt es die Speise künftig – das machten psychologische Experimente in den USA deutlich.

      Außerdem imitieren Neugeborene offenbar bereits nach 36 Stunden den Gesichtsausdruck Erwachsener – etwa wenn die beim Essen eine Abneigung gegen eine bestimmte Kost zeigen. Deshalb verinnerlichen Kinder vermutlich schon sehr früh die individuellen Neigungen ihrer Eltern, so die US-Verhaltensforscherin Alexandra Logue, und übernehmen sie als allgemeingültige Regeln.

      Als Erwachsene greifen sie dann vielfach nur deshalb zu bestimmten Speisen, weil sich ihr Gehirn im Laufe der Lebensjahre schlicht daran gewöhnt hat – oder ihnen das Vertrauen in die Speise von ihren Eltern und Großeltern vermittelt worden ist.

      Darin offenbart sich eine Eigenschaft der Psyche, die Forscher „Neophobie“ nennen: die Angst vor Neuem (von griech. néo, neu, und phóbos, Furcht). Sie schützt uns Menschen davor, allzu oft Experimente beim Essen zu wagen – und dabei womöglich Unbekömmliches zu uns zu nehmen.

      Noch größer ist die Macht der Gewohnheit, wenn auch die Umgebung immer die gleiche ist. Das zeigte kürzlich ein Team von Psychologen an der University of Southern California: Die Wissenschaftler boten 98 Personen, die bei ihren Kinobesuchen immer Popcorn verzehren, dieses kostenlos an. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt frischen Puffmais, die andere dagegen ein sieben Tage altes Produkt. Das Ergebnis: Alle Probanden verzehrten gleichermaßen viel Popcorn. Zu stark, so vermuten die Forscher, ist die Gewohnheit, im dunklen Kinosaal die gerösteten Körner in den Mund zu stecken.

      Doch warum essen wir dann nicht immer das Gleiche? Weshalb probieren wir manchmal trotzdem etwas Neues? Tatsächlich ist unsere Psyche flexibel genug, um je nach Situation unterschiedliche Strategien zu verfolgen. So versucht das Gehirn auch, den Körper davor zu schützen, die immer gleichen Nährstoffe aufzunehmen – und gibt, wenn das Risiko klein genug scheint, der Vielfalt den Vorzug. So essen Menschen weitaus mehr Bonbons, wenn diese unterschiedlich gefärbt sind. Noch verlockender sind die Süßwaren, wenn sie auch noch unterschiedlich schmecken. Würde das Gehirn stets ausschließlich vermeiden, Neues zu essen, würden wir bei einer Auswahl von Bonbons immer zur gleichen Sorte greifen.

      Psychologen nehmen zudem an, dass wir mit der Menge der Nahrung instinktiv auch Signale an unsere Mitmenschen aussenden. So lassen Studien vermuten, dass Menschen, die sich benachteiligt fühlen, eher zu größeren Portionen oder Packungen neigen – als wollten sie damit Wohlstand signalisieren und ihren vermeintlichen Nachteil ausgleichen.

      Umgekehrt konnten die Wissenschaftler auch zeigen: Wählen wir größere Portionen – beispielsweise eine große Tasse Kaffee –, messen uns die Mitmenschen einen höheren sozialen Status bei, als wenn wir uns für eine kleine Variante entscheiden.

      Wie leicht sich die Psyche beim Essen von Prestige leiten lässt, zeigt sich auch bei den Speisen selbst: Erwarten wir, dass uns etwas munden wird, so genießen wir es tatsächlich. Ein Wein etwa schmeckt uns, wenn er das Etikett eines angesehenen Winzers trägt – selbst wenn der Rebensaft in Wirklichkeit nur mittelmäßig ist. Ein Experiment der University of Illinois offenbarte gar: Der gute Ruf eines Weines verführt uns, in einem Restaurant mehr Speisen zu ordern und länger zu verweilen.

      Positive Assoziationen, die unsere Wahl beeinflussen, können auch über das Gehör geweckt werden: Erklingt in einer Weinhandlung französische Musik, greifen die Kunden unwillkürlich eher zu französischen Weinen. Sind hingegen deutsche Blaskapellen aus den Lautsprechern zu hören, steigt der Absatz deutscher Weine.

      Ebenso lässt sich das Gehirn durch die Ausmaße von Verpackungen verführen. Das beobachtete Brian Wansink, als er Probanden 47 verschiedene Produkte in unterschiedlich großen Packungen präsentierte. Stets bedienten sich die Teilnehmer aus den größeren mehr als aus den kleineren. Eine mögliche Erklärung: Wir betrachten sowohl die größte Verpackung als auch die größte Portion als Maßstab dafür, was als „normal“ gilt – und verhalten uns entsprechend der vermuteten Norm.

      In weiteren Experimenten zeigte Wansink gar: Je größer das Geschirr, desto größer auch unser Appetit. So teilte der Forscher an Probanden große oder kleine Schalen aus, bevor sie sich an einer Theke selbst mit Eiscreme bedienen konnten. Folge: Die Versuchspersonen mit den größeren Schalen bedienten sich mit durchschnittlich 31 Prozent mehr Eis. Denn je größer die Schale, desto kleiner wirkt die Portion – ein optischer Effekt, der uns dazu verleitet, die Menge des Essens zu unterschätzen.

      Sogar die Anzahl der Menschen bei Tisch beeinflusst unser Verhalten, wie der US-Psychologe John de Castro herausfand. In der Umgebung von zwei guten Freunden essen wir rund 40 Prozent mehr, als wenn wir allein sind; in der Umgebung von sieben Vertrauten oder mehr sogar fast das Doppelte. De Castro vermutet: Im Beisein von vertrauten Menschen entspannen wir uns. Außerdem dauern gemeinsame Mahlzeiten im Durchschnitt länger – und geben uns so Gelegenheit, mehr zu essen.

      Wer all diese verborgenen Mechanismen beim Essen kennt, kann ihnen im Alltag gezielt zuvorkommen. Etwa, indem er stets zur kleineren Packung greift – oder die Auswahl reduziert.

      Doch allzu sehr sollte man den unbewussten Entscheidungen des Gehirns nun auch nicht misstrauen. Darauf weist eine Untersuchung der Psychologin Erin Sparks von der Florida State University hin. Sie zeigte erst jüngst: Wer der erstbesten Wahlmöglichkeit vertraut und sich schnell entscheidet, ist langfristig glücklicher. Menschen hingegen, die immer versuchen, alle Möglichkeiten genau zu reflektieren, hadern häufig mit sich selbst und leben unzufriedener. image

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