Heimweh Natur. Andreas von Arx
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Meine Spuren auf der Grimmialp im Diemtigtal
KAPITEL 3:
Irgendwie anders
«Angst ist ein Hinweis des Körpers, unsere eigenen Gedanken und Vorstellungen zu ändern.»
All diese Erlebnisse in der Natur haben mich stark geprägt. Natürlich verbrachte ich viel Zeit in der Schule, zu Hause und mit Freunden. Doch waren für mich die Momente im Freien magisch und voller Anziehungskraft. Meine Aktivitäten wählte ich ganz bewusst in der Natur aus, um dieser Urkraft näher zu sein. Und so entstanden wunderschöne Augenblicke, die ich in dieser Jugendzeit allein verbrachte. Es störte mich nicht. Das Gefühl dazuzugehören war für mich nicht nur auf Menschen begrenzt; ich fühlte mich ebenso mit Bäumen, Bergen und Gewässern verbunden. Hinzu kam, dass ich diese Freude an der Natur mit einzigartigen Menschen teilen konnte, die mich begleiteten.
Ausdruck im Malen
Ich habe einiges ausprobiert, um es so zu machen wie andere. Bei manchen Aktivitäten konnte ich verstehen, dass es für gewisse Menschen unterhaltsam war. Doch wenn ich die Wahl hatte, dann entschied ich mich für Dinge, wo ich selber etwas gestalten konnte und die mich wirklich bewegten. Wenn meine Freunde im Kino, bei Konzerten oder Veranstaltungen waren, bevorzugte ich es, in die Natur zu gehen und für mich zu sein. Da ich diese Eindrücke und Erlebnisse nicht direkt teilen konnte, begann ich, sie in Form von Bildern darzustellen. Meine Mutter hat uns 4 Kindern handwerkliches Geschick und eine Vielfalt an gestalterischen Tätigkeiten beigebracht. Das Zeichnen und Darstellen auf Papier hat uns unser Vater vorgelebt. Dank meiner Eltern hatte ich in mir das Verlangen, in der Natur entdeckte Schönheiten in einer Form wiederzugeben. Ich hatte meinen Rückzugsort im Keller, wo ich nächtelang mit Grafit, Aquarell und später mit Airbrush die Welt der Natur aufs Papier brachte. Es war für mich ein kraftvolles Ventil, um meinen Naturbildern einen Ausdruck zu geben. Das Gestalten und Visualisieren war für mich ein Prozess der Befreiung und des Mitteilens. Oft kam es vor, dass ich das fertige Bild in einer Kiste versorgte oder jemandem schenkte. Für mich war es erledigt und das Bild hatte keinen besonderen Wert mehr, denn der Akt des Malens und nicht das Resultat war für mich die Inspiration. Es gab Nächte, in denen ich über Stunden dasselbe Lied im Hintergrund laufen ließ und mein Stift dabei über das Papier tanzte. Diese Erlebnisse haben sich so tief in mein Gedächtnis eingeprägt, dass ich mich noch heute beim Hören des Liedes sofort wieder in die Situation des Malens eines bestimmten Bildes zurückversetzt fühle. Es waren Lieder, die ich nicht bewusst wegen ihres Textes ausgewählt hatte und die doch mein Anderssein sehr präzise zum Ausdruck brachten. Zum Beispiel «Total Eclipse of the Heart» von Bonnie Tyler.
Gewinnen – wozu?
Neben einer natürlichen Anziehung bot die Gesellschaft um mich ein Umfeld, das mich von allein in Richtung Einsamkeit trieb. Es war der Antrieb, sich miteinander zu messen – höher, schneller, weiter. Bereits in frühen Jahren war es mir unerklärlich, weshalb es bei einem Spiel um Punkte und das Gewinnen ging. Sei dies mit Karten, auf einem Brett oder mit Bewegung. Ich fand darin keine Motivation und finde sie noch heute nicht. Warum sollte ich mich zur Unterhaltung nach irgendwelchen Regeln verhalten, um dann herauszufinden, ob ich besser bin als jemand anderes? Ich sah darin keinen Mehrwert und war somit kein angenehmer Spielpartner.
Karin, meine Zwillingsschwester, war in diesem Bereich aus anderem Holz geschnitzt. Wo es nur ging, wurde gemessen, bewertet und ein Gewinner erkoren. Sie fand eine große Motivation darin, besser zu sein als andere, solange die Regeln eingehalten wurden. Und darauf legte sie großen Wert. Sie bemühte sich darum, dass für alle, die mitspielten, die Regeln verständlich waren und dass sie eingehalten wurden. Ferner lag das Punktezählen ganz in ihrer Hand. Wenn sie gewann, konnte sie sich ausgiebig freuen oder bei einer Niederlage richtig enttäuscht sein. Ich möchte dies hier nicht kritisieren oder ins Lächerliche ziehen; doch sah ich keinen Sinn darin, für ein Spiel Regeln aufzustellen, die zum Teil jeder Logik des Messens widersprachen. Zum Beispiel das Einbringen eines Würfels als Zufallsgenerator. Dann das Prüfen der Einhaltung dieser Regeln mit großem Aufwand und das akribische Führen einer Punkteliste. Das einzige Miteinander war das gemeinsame Spielen; doch im Spiel war jeder ein Gegner des anderen. Warum sollte ich mich besser fühlen, wenn ich den anderen im Spielen schlage oder bekämpfe? Was für einen Mehrwert erzeuge ich, wenn ich dabei nach unsinnigen Regeln gewinne? Was motiviert mich, wenn ich einen Mitspieler auf das Feld 1 zurückverweisen darf oder wenn ich ihn im Feld «Gefängnis» für einige Runden blockieren kann oder wenn ich mit einem schwarzen Ritter seine Gewinnmöglichkeiten verhindere? Ich bezweifelte damit nicht die Kreativität und Inspiration der Spielgestalter; es fehlte mir schlicht die Vorstellungskraft, wofür dies gut sein sollte.
Je mehr mir mein Andersdenken auffiel, umso deutlicher stellte ich fest, dass ich und nicht meine Zwillingsschwester von der Norm abwich. Dort, wo ich mich zurückzog und keine Motivation sah, lief sie zur Höchstform auf und unterhielt und managte die ganze Spielrunde. Sie war begeistert von den Spielen, in denen sie gut war oder der Zufall einen großen Einfluss hatte. Gab es aber Spiele, in denen sie ihre Chance zu gewinnen eher nicht sah, war das Spiel für sie nicht von Interesse. Was ich aus ihrer Sicht sehr gut verstehen konnte: Warum sollte man mit Gewinnabsicht ein Spiel spielen, wenn die Chancen eher schlecht standen? Spielte ich trotzdem mit, nutzte ich die Freiräume im Regelwerk zu meiner Freude richtig aus, bis neue Regeln hinzukamen, um wieder Klarheit zu schaffen. Genauso wie in Karten- oder Brettspielen erging es mir bei sportlichen Spielen wie Tischtennis, Feder- oder Volleyball. Waren Geschicklichkeit und Feingefühl gefragt, stellten diese Sportarten eine perfekte Spielwiese für mich dar. Sobald man jedoch nach Punkten bewertete, war es für mich aus. Was für einen Sinn hatte es, eine Diskussion über eine aufgemalte Feldlinie zu führen, um zu analysieren, ob der Ball nun innerhalb oder außerhalb des Feldes war? Unser Vater stand souverän über solchen Interessenkonflikten. Mit meiner Schwester spielte er auf Wettkampf und zeigte mit seinem Können, dass beide abwechselnd gewinnen konnten. Mit mir spielte er um des Spielens willen und wartete mit all seinen Künsten auf, um den Ball im Spiel zu halten.
Orientierung im Wald
Wo ich konnte, habe ich mich dem Wettkampf entzogen und das Spielfeld den Ehrgeizigen und Kampfwilligen überlassen. Die Kunst der Beweglichkeit, des Geschicks oder der Balance fand ich inspirierender. Mit dem Training von Taktik, Täuschung, Abwehr und Angriff hatte ich weniger am Hut. Wo andere sich motiviert fühlten, kam bei mir ein Gefühl der Sinnlosigkeit auf. Warum sollte ich in den Kampf ziehen, um Freunde oder nette Menschen zu besiegen? Selbstverständlich war ich gern mit meinen Freunden zusammen und willigte ein, gemeinsam eine Sportart zu spielen und mich am Riemen zu reißen, indem ich einen gewissen Kampfgeist aufbrachte. Manchmal war dies für mich jedoch nicht möglich. In unserer Schule war es für die Jungs Pflicht, neben dem klassischen Sportunterricht eine weitere Sportart im Verband der Kadetten in der Freizeit auszuüben. Ganz bewusst und mit etwas egoistischen Hintergedanken habe ich mich für den Orientierungslauf entschieden. Diese Sportart war wie für mich gemacht und es fiel mir nicht schwer, sie mit Freude auszuüben. Ich war jeden Mittwochnachmittag und öfters auch samstags im Wald, allein unterwegs, konnte ganze Wälder durchlaufen und war keinem direkten Messen mit anderen ausgesetzt. Man startete zeitverzögert. Der Sieger konnte erst bei Ankunft des letzten Läufers bestimmt werden. Was mir natürlich egal war; ich war zu diesem Zeitpunkt oft schon wieder auf dem Nachhauseweg.
Am schlimmsten empfand ich es in diesem Alter, wenn andere bereit waren, die nette Stimmung oder den respektvollen Umgang miteinander aufs Spiel zu setzen, nur um besser zu sein und das Gegenüber zu schlagen oder zu bekämpfen. Oft konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn bei gewissen Menschen nach dem Spiel die