Heimweh Natur. Andreas von Arx
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Das permanente Messen mit anderen und der unnatürliche Kampfgeist konnten in mir keine Motivation auslösen. Das Miteinander und das Im-Einklang-Sein mit meinem Gegenüber standen für mich über diesem Trieb des Gewinnens.
Gemeinsam etwas tun
Nach meiner Schulzeit, als ich 16 Jahre alt war, wurde mir bezüglich des Miteinanders eine neue Tür geöffnet. Mit Freunden und anderen Jugendlichen aus der Region entstand die Idee, eine Pfadfinderabteilung in Murten zu gründen. Die bisherige Abteilung wurde nicht mehr geführt und hatte keine aktiven Mitglieder mehr. Viele Eltern hatten den Wunsch, in Form einer Pfadfinderbewegung ein Angebot «gemeinsam in der Natur» in unserer Gegend anzubieten. Erst zu diesem Zeitpunkt realisierte ich, dass ich nicht ganz allein damit war, die Freizeit in der Natur und ohne Wettkampf und Leistungsanspruch zu verbringen. Ich lernte wunderbare Kinder, Jugendliche und Eltern kennen, die diese Bewegung mit Herzblut unterstützten. Unser Fokus im Leiterteam lag darin, dass wir die Natur auf eine Weise erlebbar machen würden, bei der jeder, der möchte, mitmachen kann. Dies stand im krassen Widerspruch zu gewissen Sportvereinen, die bereits Kindergartenkinder nach Ausschlußprinzip, Talent und Leistung klassifizierten und aussortierten. Eine Trainingsabwesenheit wurde beim nächsten Spiel mit Verweis auf die Ersatzbank oder mit Disziplinarmaßnahmen geahndet. Bei uns hingegen standen ein freudiges Willkommen und ein Wiedersehen im Vordergrund. Natürlich haben auch wir Spiele und Wettläufe durchgeführt. Doch waren die Gruppen völlig durchmischt. Die Gewinnchancen der Starken wurden bewusst reduziert, indem die Schwächeren auf die Gruppen verteilt wurden. Beim nächsten Spiel gab es dann eine neue zufällige Zusammensetzung.
Zu den Samstagsübungen sowie Pfingst- und Sommerlagern kamen die legendären Winterlager hinzu, mit abenteuerlichen Schneewanderungen und Abfahrten, Schlittenbahnen mit großem Adrenalinkick, Iglubau mit Übernachtung und vielem mehr. Es war für mich über mehrere Jahre hinweg eine sehr bewegte und berührende Zeit, mit tollen Menschen dieselben Interessen in der Natur auszuleben und diese Begeisterung an andere weiterzugeben.
Wasser und Wind
Das natürliche Element Wasser hatte auf mich seit früher Kindheit eine magische Anziehungskraft. Nicht nur im Winter in Form von Schnee, sondern ebenso als Wolke in der Luft. Ich fühlte in mir eine tiefe Verbundenheit mit diesem Element in all seinen Aggregatzuständen. Wasser war für mich immer ein Zeichen von Leben gewesen. Es drückte in jeder möglichen Form die Kraft der Bewegung aus: wenn es als Eis Kristalle wachsen und schmelzen ließ; oder als See, wenn es vom sanften Wind hin und her geschaukelt und als Welle über die Oberfläche getrieben wurde; wenn es sich als sanfter Bach von links nach rechts über die Erde schlängelte oder als Wasserfall über eine Felswand hinuntergeschossen kam; wenn es als Wasserdampf zum Himmel emporstieg und dort als Wolke mit den großen Winden vorbeizog oder als Nebelschwaden die Ebenen und Täler einhüllte; wenn es als Regentropfen leise vom Himmel fiel und die Natur benetzte und den Kreislauf schloss und im Winter als Schneeflocke zart und sanft vom Himmel schwebte und als seine größte Ausbreitung in vollendeter Form eines Kristalls die weiße Decke bildete. Oder wenn es als Hagelkorn kraftvoll und bestimmt vom Himmel stürzte und schwungvoll hüpfend am Boden aufschlug, um unter sich alles zu zerschlagen. Oder als Element unseres Körpers, das jede Zelle mit Leben füllt und die Energie zum Fließen bringt. Es gibt für mich keine Erfahrung, die nicht durch die Wirkung des Wassers verschönert wird und nichts, was nicht erst durch sie zum Leben erweckt wurde. Aus diesem Grund war ich bereits früh in meinem Leben von diesem Element fasziniert. Es zog mich in seinen Bann. Ich konnte stundenlang Wolken auf ihrer Wanderung zusehen, die Weite und Ruhe eines Sees beobachten, den Wellen am Meer lauschen, mit den Schneeflocken tanzen oder mich von den Regentropfen berieseln lassen. Alles hatte eine tiefe Wirkung. So war es nicht verwunderlich, dass ich vom Murtensee magisch angezogen wurde. Wenige Gehminuten von meinem Zuhause entfernt konnte ich das Wasser bei jedem Wetter beobachten und genießen. Am Ende meiner Schulzeit und über mehrere Jahre danach gab es kaum einen Tag ohne einen Abstecher an den See. Vom Frühling bis zum Herbst saß ich dann nicht nur am Ufer, sondern nutzte die Freiheit, auf den See zu gehen.
Zusammen mit meinem Schulfreund verbrachte ich Stunden auf dem Surfbrett, mit und ohne Wind. Doch wenn der Wind aufkam, war ich in meinem Element. Im Trapez glitt ich über das Wasser mit tief liegendem, meist zu großem Segel. Den Windböen ausgesetzt und mit dem Surfbrett auf den Wellen zu schweben, das war mein Sein. Es gab nur diesen Augenblick. Es gab nichts Schöneres, als von einer Seeseite zur anderen und wieder zurück zu surfen und dies von morgens bis abends, wenn es die Zeit zuließ. Ich kam oft mit von Krampf und Kälte zitternden Händen nach Hause und stand dann eine Stunde unter der warmen Dusche, um meine Nieren irgendwie wieder aufzuwärmen. Beim Surfen wurde ich eins mit dem Wind und dem Wasser und genoss die Berührung an der Oberfläche. Auch wenn ich es nie als Kampf empfunden habe, hat mir die Natur auf ihre Weise gezeigt, wo meine Grenzen liegen: Wenn ich auf das Brett knallte, über den Mast flog, unter Wasser vom Segel eingeklemmt wurde, mit dem Trapezhaken in der Schwertrinne unter der Oberfläche festhing, nach einer Halse dem Brett hinterherschwamm oder mit abgebrochener Finne auf dem See abtrieb, um mit letzter Kraft balancierend irgendwo zu stranden. Dies alles gehörte genauso dazu wie all die schönen Sonnenuntergänge mitten auf dem See bei der letzten Abendbrise.
Die Natur zeigte sich in ihrer ganzen Pracht. Nicht vorhersehbar und mit täglichen Überraschungen; im klirrend kalten Frühling oder im Hochsommer als angenehme Abkühlung. Es war für mich jedes Mal eines der größten Geschenke, mit den Kräften der Natur spielen zu dürfen und dabei mit Leichtigkeit getragen zu werden. Da gab es nur mich, den Wind und das Brett. Auf dem Wasser vergaß ich schnell, was um mich herum war. Es war eine Welt, in der ich mich treiben lassen konnte und keine Erwartungen erfüllen musste. Ich war ganz auf mich gestellt und konnte in jedem Moment die freie Entscheidung treffen, wohin es als Nächstes geht. Wenn ich allein meiner Leidenschaft auf dem Wasser nachging und nicht wie andere den geselligen oder wettkampfmäßigen Sportarten frönte, so fühlte ich mich tief verbunden mit der Mutter Erde und ihren Elementen.
Reflexion zum Wasser
Das Element Wasser hat eine bezaubernde Eigenschaft: Es lässt sich leicht trennen und strebt doch immer wieder danach, sich mit dem anderen Teil zu verbinden. Einzigartig und losgelöst von allem, schwebt das Wasser als Wolkendampf durch die Lüfte. Dann verbindet es sich mit anderen Wassermolekülen zum Regentropfen, fällt vom Himmel und fließt gemeinsam mit anderen als Fluss ins Meer. Auch wenn sich das Wasser in Form von Eis, Schnee, Dampf oder Tropfen ganz unterschiedlich zeigen kann, findet es doch immer wieder den Weg in flüssiger Form zueinander, um ein Miteinander zu erleben. Auf diese Weise entdecke ich die Fülle des Lebens und entfalte mich nach meinem eigenen Wunsch. Auf meinem Weg treffe ich auf neue passende Menschen, mit denen ich mich verbinde und weiterziehe. Achte auf deine Gefühlswelt wenn du dir die folgenden Fragen stellst.
In welchen Situationen im Leben habe ich mich anders als die anderen gefühlt?
Wie habe ich diese Einzigartigkeit ausgelebt?
Was gab mir die Kraft, anders zu sein?
Zu wem oder was fühlte ich eine Verbundenheit?
Wie beeinflusste dies meine heutige Identität?
Was verbindet mich mit Wasser?
Welche Form