Bauphysik-Kalender 2022. Nabil A. Fouad
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Die AIF-Datensätze ermöglichen damit also eine einfache und allgemeingültige Bemessung „funktionierender Bauteile“. Bei hygrothermisch günstigen Bedingungen ist von einer guten Übereinstimmung zwischen den generischen und produktspezifischen Materialdaten auszugehen. Dies wurde anhand von zahlreichen Vergleichsberechnungen in [77] belegt. Wenn bei der Simulation mit den AIF-Datensätzen kritische Grenzen überschritten werden, bedeutet dies, dass sich die Konstruktion nicht besonders gutmütig verhält und zumindest keine freie Auswahl bezüglich der Materialien aus der verwendeten Produktgruppe besteht. Es kann aber mit produktspezifischen Datensätzen überprüft werden, ob mit speziellen Materialien die Funktionsfähigkeit trotzdem sichergestellt werden kann. Für die Analyse von Schadensfällen sind die AIF-Datensätze aufgrund des beschriebenen Verhaltens nur bedingt geeignet.
3.2.2 Rand- und Anfangsbedingungen
3.2.2.1 Außenklimabedingungen
Die Klimadaten sollten als Stundenwerte vorliegen, da eine Mittelwertbildung über längere Zeiträume, vor allem bei den äußeren Klimaparametern, zu ungenauen Ergebnissen führen kann. Die Auswahl der äußeren Klimadatensätze hängt vom Standort des Gebäudes und den erwarteten hygrothermischen Beanspruchungen auf das zu bemessende Bauteil ab. Dabei können auch lokale Besonderheiten berücksichtigt werden, wie z. B. die Nähe zu einem Gewässer, Lage im Tal oder auf dem Berg etc. Die meteorologischen Datensätze sollten alle erforderlichen Klimaparameter enthalten, wobei nicht für jedes Bauteil alle Klimaparameter vorhanden sein müssen. Z. B. braucht man für die Bemessung von Flachdächern mit normaler Abdichtung keine Regendaten, für Gründächer aber schon. Für die Langzeitbeurteilung von Baukonstruktionen sollten keine Daten von extremen Jahren (besonders kalte oder warme Jahre) verwendet werden, da eine Folge extremer Witterungsbedingungen über mehrere Jahre in der Realität nicht auftritt. Hier besteht außerdem die Gefahr, dass bewährte Konstruktionen bei der rechnerischen Beurteilung durchfallen. Will man den Einfluss extremer Witterungsverhältnisse berücksichtigen, dann sollte ein entsprechender Jahresdatensatz in die Reihe durchschnittlicher Datensätze integriert werden.
Hygrothermische Referenzjahre und Lokalklimaanpassung
Für die Außenklimabedingungen werden Klimadaten herangezogen, die die erforderlichen Klimaelemente in für den jeweiligen Standort oder die Region repräsentativer Form enthalten. Dabei sind die sogenannten Testreferenzjahre TRY des Deutschen Wetterdienstes DWD für eine hygrothermische Bemessung nur bedingt geeignet, da sie vor allem auf Basis thermisch typischer Verhältnisse erstellt bzw. ausgewählt wurden, bei denen Luftfeuchte und Regenbelastung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für die hygrothermische Bauteilsimulation werden daher im Anhang D der DIN 4108 [31] die hygrothermischen Referenzjahre HRY des Fraunhofer IBP empfohlen [71, 72], die alle erforderlichen Klimaelemente in geeigneter und repräsentativer Form enthalten. Die regionale Einteilung Deutschlands orientiert sich an der Einteilung des DWD für die TRY-Regionen – die Anzahl der Regionen wurde jedoch gegenüber den TRY auf 11 reduziert werden. Im Gegenzug kann eine weitere Differenzierung, falls im Einzelfall erforderlich, mithilfe von Anpassungen des regionalen Klimadatensatzes auf die lokalen Verhältnisse erfolgen [72, 73]. Auf diese Weise können vor allem die auch innerhalb der Regionen u. U. sehr unterschiedliche Niederschlags- bzw. Schlagregenbelastung auf Basis der langjährigen Messdaten, die in entsprechenden Klimadaten z. B. seitens des DWD zur Verfügung stehen, aber auch spezifische Einflüsse, die z. B. aus der Lage in einer Stadt oder auf dem Berg resultieren, einfach berücksichtigt werden. Die Einflussfaktoren der Lage sowie die Bandbreite der Veränderung der einzelnen Klimaelemente sind exemplarisch in Bild 10 zusammengestellt. Die Werkzeuge sind im frei verfügbaren Lokalklimagenerator gebündelt, der auch die HRY enthält, die als Grundlage für die Anpassungen dienen [75].
Mikroklima am Bauteil
Während einige der Klimaelemente wie die Lufttemperatur und die Luftfeuchte direkt angesetzt werden, müssen andere wie die Sonnenstrahlung, der Wind oder der Niederschlag auf die Neigung und Orientierung des zu simulierenden Bauteils umgerechnet werden. Diese Umrechnung erfolgt aber in den Simulationsprogrammen selbst, sodass der Planer dies nicht selber durchführen muss. Gegebenenfalls ist auch die Verschattung eines Bauteils durch Bäume, Häuser oder andere größere Gegenstände in der Umgebung zu berücksichtigen. Dazu können noch gebäudespezifische Effekte kommen, wie z. B. eine Attika, die bei einem Flachdach zu einer stärkeren Oberflächenunterkühlung durch die Bildung eines „Kaltluftsees“ führen kann. Die Schlagregenbeanspruchung wird z. T. durch Dachüberstände reduziert, sodass der Ansatz ohne diesen Effekt zu Ergebnissen auf der sicheren Seite führt. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die Ausrichtung einer Fassade insgesamt oder in Teilbereichen ein paar Grad von der Vertikalen abweicht. Dies ist manchmal bei älteren Gebäuden oder bei Mauerwerk, das sich nach oben verjüngt, der Fall. Hier erhöht sich die Schlagregenbeanspruchung deutlich [3]. Auf den ersten Blick erscheint dies für den Holzbau, mit Ausnahme des Fachwerkbaus, irrelevant zu sein. Die moderne Architektur lebt jedoch auch von Formen, die nicht immer streng orthogonal ausgeführt werden.
Erdberührte Bauteile und Begrünungen
Bei Bauteilen, die nicht direkt mit dem Außenklima in Kontakt stehen, sind ggf. andere Ansätze erforderlich. Bei erdberührten Bauteilen wie Fundamenten, Kellerwänden oder Bodenplatten, kann z. B. auf gemessene Daten oder Modelle für die Erdreichbedingungen zurückgegriffen werden. Auch bei einem begrünten Dach dürfen nicht einfach die Außenklimabedingungen angesetzt werden, sondern die Begrünung sollte mit dem zu bewerteten Bauteil in geeigneter Weise mitsimuliert werden. Ansätze dafür sind u. a. in [74] beschrieben. Eine Besonderheit der erdberührten Bauteile stellt der vertikale Temperaturgradient dar, d. h. ein Wandbauteil ist im oberen Teil der Außenoberfläche einer anderen Temperatur ausgesetzt als im unteren Bereich. Dies kann innerhalb des Bauteils zur diffusions- oder konvektionsbedingten vertikalen Umverteilung der Feuchte vom wärmeren in den kälteren Bereich führen, was gegebenenfalls zu berücksichtigen ist.
Bild 10. Anpassung Klimaverhältnisse auf die lokalen Bedingungen auf Basis des regionalen Referenzklimadatensatzes mithilfe des Lokalklimagenerators gem. [72, 73]
3.2.2.2 Raumklima
Die Auswahl der Randbedingungen für das Raumklima hängen von Art und Betrieb des Gebäudes ab. Im Gegensatz zur Feuchteschutzbemessung nach Stufe 1 und 2 gilt hier keine Einschränkung auf Wohn- oder wohnähnlich genutzte Gebäude. Besonders einfach ist die Sache bei ganzjährig klimatisierten Gebäuden, deren Raumklimabedingungen genau festgelegt sind. Selbstverständlich gibt es auch für Wohngebäude entsprechende Ansätze, mit denen das Bemessungsraumklima aus den Außenklimabedingungen in Abhängigkeit von der erwarteten Belegungsdichte errechnet werden kann. Für besondere Gebäude oder Situationen können auch gemessene Klimabedingungen von ähnlichen Fällen herangezogen werden. Genauso können die zu erwartenden Raumklimaverhältnisse auch mithilfe einer hygrothermischen Gebäudesimulation bestimmt werden [43]. Hierbei lassen sich auch saisonal unterschiedliche Nutzungen, ein intermittierender Betrieb oder der Einfluss von Sondersituationen (z. B. feuchter Estrich nach Umbaumaßnahme, Wasserschäden, längerer Lehrstand usw.) berücksichtigen.
Wohn- und Büroraum oder ähnliche Nutzung
Für das Innenraumklima sind in DIN 4108-3 [31] Modelle