Bauphysik-Kalender 2022. Nabil A. Fouad
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Bauphysik-Kalender 2022 - Nabil A. Fouad страница 32
Das größte Problem des Periodenbilanzverfahrens nach Glaser ist jedoch die Tatsache, dass die Ergebnisse nicht immer auf der sicheren Seite liegen. Dies gilt vor allem für Konstruktionen, die ein geringes Trocknungspotenzial besitzen. Wie in Abschnitt 2.1.6 dargelegt, ist es unmöglich, eine Holzkonstruktion vollständig luftdicht auszuführen, d. h. eine gewisse Menge an Feuchte gelangt durch die sogenannte Dampfkonvektion immer in ein Außenbauteil. Deshalb wird seit 2012 in der DIN 68800-2 [33] die Berücksichtigung einer Trocknungsreserve gefordert. Das ist die Menge an Feuchte von der vermutet wird, dass sie währen der Tauperiode über Konvektion zusätzlich zur Feuchte aufgrund von Dampfdiffusion eindringt. Die Trocknungsreserve dient dazu, kleine Feuchteeinträge durch Kriechströmungen sowie die Auswirkungen der Anfangsfeuchte von Holzbauteilen abzubilden. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Bauteil gemäß dem Stand der Technik handwerklich sorgfältig ausgeführt wurde. Für Außenwände und Decken setzt die DIN 68800-2 eine Trocknungsreserve von 100 g/m2 und für Dächer von 250 g/m2 an. Diese Trocknungsreserve wird zur Tauwassermenge durch Dampfdiffusion addiert und die Summe aus beiden mit der Verdunstungsmenge verglichen. Bleibt die Verdunstungsmenge größer, ist das Bauteil in Ordnung. Ist sie kleiner als die Summe aus Tauwassermenge und Trocknungsreserve, fällt die Konstruktion durch (siehe Abschnitt 3.3).
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die „Euroglasernorm“ DIN EN ISO 13788 [36]. Dort heißt es in Abschnitt 1-7 „Berechnung des Trocknungsvorgangs von Bauteilen“: Dieser Abschnitt enthält ein Verfahren zur Bestimmung des Trocknungspotenzials von Bauteilen, insbesondere solchen, die durch Schichten mit hohem Wasserdampf-Diffusionsdurchlasswiderstand wie Folien, Membranen oder Beschichtungen mit sd > 2 m begrenzt sind. In der Anmerkung wird erklärt: Materialschichten können durch Rohbaufeuchte, während der Bauphase gefallenen Regen, eine Undichtheit in den Versorgungsleitungen, einen Schaden an einer wetterfesten Schicht oder ein inzwischen behobenes früheres Problem mit Tauwasserbildung im Bauteilinneren befeuchtet worden sein.“ Die Dampfkonvektion wird hier zwar nicht explizit erwähnt, aber das Ziel, die Feuchtetoleranz einer Konstruktion abschätzen, bzw. besonders empfindliche Aufbauten identifizieren zu können, ist klar erkennbar. Dementsprechend wird vorgeschlagen, eine Feuchtemenge von 1 kg/m2 in die Mitte einer festgelegten Schicht einzubringen und danach die Berechnung mit denselben Randbedingungen, wie beim Tauwasserschutznachweis, über einen Zeitraum von maximal 10 Jahren fortzusetzen. Als Ergebnis ist anzugeben, wie lange es dauert bis das Bauteil wieder trocken ist, bzw. welche Risiken mit der höheren Feuchte verbunden sein können.
Trotz dieser Maßgabe in der DIN EN ISO 13788 und der Einführung einer Trocknungsreserve für die Glaser-Berechnung in der DIN 68800-2 wurde in der DIN 4108-3 auf einen ähnlichen Ansatz verzichtet. Da die Trocknungsreserve aus dem Holzbau kam, wurde die Übertragbarkeit auf andere Konstruktionsarten bezweifelt. Es ist zwar richtig, dass es in diesem Zusammenhang wenig Erkenntnisse mit einer solchen Reserve bei anderen Konstruktionen gibt. Allerdings ist davon auszugehen, dass Fehlstellen auch hier die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen können. Für den Holzbau hat sich das Verfahren der Trocknungsreserve jedenfalls in den letzten 20 Jahren bewährt und ist seit 10 Jahren in der Holzschutznorm verankert. Die Alternative wäre direkt zur hygrothermischen Simulation überzugehen. Da dies sicher nicht für alle Planer eine gangbare Option darstellt, ist der Normenausschuss bestrebt, die Liste der nachweisfreien Konstruktionen (Stufe 1) beständig zu erweitern.
3.1.3 Feuchteschutznachweis durch hygrothermische Simulation
Bei der hygrothermischen Simulation wird das dynamische Temperatur- und Feuchtverhalten von Baukonstruktionen in Abhängigkeit von den wechselnden Randbedingungen realitätsnah abgebildet. Das hat den Vorteil, dass alle vorher genannten Wärme- und Feuchtetransportphänomene sowie eventuelle Quellen und Senken in ihren Auswirkungen berücksichtigt werden können. Die Durchführung einer hygrothermischen Simulation ist allerdings komplizierter als eine Glaser-Berechnung und erfordert mehr Eingangsdaten, die nicht immer alle vorhanden sind. Außerdem sollte der Anwender eine gewisse Erfahrung im Umgang mit numerischen Berechnungsmethoden mitbringen. Die Möglichkeiten und Grenzen der hygrothermischen Simulation sowie ihre Anwendung zur Feuchteschutzbeurteilung sind Gegenstand der DIN EN 15026 „Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauteilen und Bauelementen – Bewertung der Feuchteübertragung durch numerische Simulation“ [38]. Sie basiert auf den Inhalten des WTA-Merkblatts 6-2 „Simulation wärme- und feuchtetechnischer Prozesse“ von 2001 (aktualisierte Fassung Dez. 2014 [39]).
Eingaben, Durchführung der hygrothermischen Simulation und Ergebnisbewertungen sind im normativen Anhang D der DIN 4108-3 beschrieben. Der Inhalt dieses Anhangs umfasst:
– Allgemeines,
– Klimadatensätze, raumseitige Randbedingungen und Oberflächenübergang,
– Anfangsbedingungen, z. B. Rohbaufeuchte,
– Feuchtequellen aufgrund von Luftkonvektion oder Schlagregenpenetration durch Leckagen,
– Beurteilung der Simulationsergebnisse,
– Wahl geeigneter Simulationsverfahren, Fehlerkontrolle, Dokumentation.
Am Anfang wird darauf hingewiesen, dass die Auswahl der Eingabedaten und die Beurteilung der Berechnungsergebnisse entsprechende Fachkenntnis und Erfahrung erfordern. Ungeübte Anwender sollten daher zunächst versuchen, den Nachweis über die beiden anderen Nachweisstufen zu erbringen und sich, falls diese nicht anwendbar sind oder zu ungenügenden bzw. unwirtschaftlichen Ergebnissen führen, möglichst genau die Vorgaben des Anhang D zu befolgen. Es wird außerdem empfohlen, die physikalischen Modellansätze und Lösungsverfahren für Simulationswerkzeuge im WTA-Merkblatt 6-2 [39] zu verwenden.
In begründeten Fällen sind Abweichungen von den Randbedingungen des Anhangs D zulässig. Diese sind so zu dokumentieren, dass die Simulation von Fachleuten nachvollzogen werden kann. Das bedeutet zweierlei: Erstens können erfahrene Anwender von den Vorgaben in Anhang D abweichen, wenn sie darlegen können, dass die Randbedingungen oder/und das Bewertungsschema für den vorliegenden Fall zu konservativ sind, d. h. zu weit auf der sicheren Seite liegen. Zweitens ist der Anwender frei in der Wahl der Anfangsund Randbedingungen in Fällen, in denen Nutzung oder Betrieb des Gebäudes nicht durch die Vorgaben in Anhang D abgebildet werden können. Auch in diesem Fall muss die Auswahl der Eingabeparameter allerdings angemessen und gut nachvollziehbar sein.
Der Anhang D ist normativ und wurde 2020 zusammen mit den anderen Teilen der DIN 4108-3, mit Ausnahme des Abschnitts 6 zum Schlagregenschutz von Wänden, vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) bauaufsichtlich eingeführt. Damit kann nun der öffentlich-rechtliche Feuchteschutznachweis für alle Bau- und Gebäudearten geführt werden. Zuvor war dies für viele nachhaltige oder innovative Konstruktionen nicht möglich, wenn sie weder in der Liste der nachweisfreien Konstruktionen enthalten waren, noch mithilfe des Periodenbilanzverfahrens wegen dessen Anwendungseinschränkungen nachweisbar waren. Dazu gehörten z. B. Gründächer, Konstruktionen mit feuchtevariablen Dampfbremsen, kapillaraktive Innendämmsysteme etc. Außerdem konnten keine Bauteile für klimatisierte Gebäude nachgewiesen werden, da sowohl die Liste der nachweisfreien Konstruktionen als auch das Periodenbilanzverfahren nach Glaser ausschließlich für nicht klimatisierte Wohn- und wohnähnlich genutzte Gebäude gilt.
Noch schlimmer als einen öffentlich-rechtlichen Feuchteschutznachweis nicht führen zu können ist es jedoch, wenn dieser Nachweis ein unzuverlässiges Ergebnis liefert und hinterher ein Schaden zu beklagen ist. In diesem Fall nützt es dem Planer wenig, wenn er seine Glaser-Diagramme vorzeigen kann, die der Konstruktion eine feuchtetechnische Unbedenklichkeit attestieren. Ist es aus dem Stand der Technik bekannt,