Bauphysik-Kalender 2022. Nabil A. Fouad
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2.2 Auswirkungen von Temperatur- und Feuchtebeanspruchungen
Die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit sowie das energetische Verhalten von Holzkonstruktionen werden durch das Zusammenspiel der beschriebenen hygrothermischen Beanspruchungen bestimmt. Für die Beurteilung und Quantifizierung der Auswirkungen ist die Kenntnis der lokalen Mikroklimabedingungen im Bauteil und das Verständnis für die physikalischen, chemischen und biologischen Veränderungsprozesse von Bedeutung. Im Holzbau spielen die folgenden Feuchtewirkungen mit ansteigender Relevanz eine Rolle und sollten genauer betrachtet werden:
– Feuchtebedingte Erhöhung des Heizenergieverbrauchs,
– Schäden durch chemische Reaktionen, z. B. Korrosion,
– Alterung oder Entfestigung durch Feuchtewechsel- (Quell- und Schwindvorgänge) sowie hygrothermische Verformungsprozesse,
– Schäden durch mikrobielles Wachstum, z. B. Schimmelpilze, Holzfäule.
In Normen und Richtlinien zum Feuchteschutz wird auf diese Vorgänge meist nicht eingegangen, sondern es werden stattdessen Grenzwerte für den maximalen Feuchtegehalt bzw. die maximale Änderung des Feuchtegehalts oder für die maximale fiktive Tauwasserbildung, z. B. beim Feuchteschutznachweis nach Glaser, festgelegt. Auf die Sinnhaftigkeit solcher Grenzwerte wird später noch eingegangen. Das Ziel der Grenzwerte ist es jedenfalls, die gerade genannten Schadensprozesse zu verhindern. Da die Beurteilungsmethoden, für die die meisten dieser Grenzwerte entwickelt wurden, ausschließlich die Dampfdiffusion aus dem Raum in das Bauteil betrachten und alle anderen hygrothermischen Beanspruchungen negligieren, ist deren Aussagen mit Vorsicht zu begegnen. Daher muss die Beurteilung der unterschiedlichen Schadens- oder Alterungsprozesse in Zukunft eingehender untersucht werden. Erste Ansätze, die in der Regel eine hygrothermische Simulation oder detaillierte Messungen erfordern gibt es bereits. Auf sie wird im Folgenden kurz eingegangen und deren normative Umsetzung im Abschnitt 3 beschrieben.
2.2.1 Feuchtebedingte Erhöhung des Wärmedurchgangs
Wie bereits erwähnt, kann die Pendelbewegung von Feuchte in exponierten Außenbauteilen, wie z. B. bei Dächern, zu einem Latentwärmetransport führen, der kurzzeitig größer sein kann als der Wärmedurchgang durch Wärmeleitung. Über 24 Stunden betrachtet, ist der Effekt durch die Latentwärme allerdings deutlich kleiner und die energetische Auswirkung nur in Ausnahmefällen von Relevanz. Eine spürbare Erhöhung des langfristigen Wärmedurchgangs wäre nur gegeben, wenn der Transport in einer Richtung immer als Dampf und in der anderen als flüssiges Wasser erfolgen würde (Heatpipe-Effekt). So etwas könnte beispielsweise in einem Flachdach passieren, wenn das Tauwasser von der Kaltseite regelmäßig zur Warmseite zurücktropft. Bei einer ordentlich ausgeführten Konstruktion ist dies jedoch sehr unwahrscheinlich.
Im Gegensatz zum Massivbau, spielt beim Holzbau die Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit durch stationäre Feuchte in den Materialien eine geringe Rolle, da hohe Feuchtegehalte schon zum Schutz der Konstruktion vermieden werden müssen. Bei Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, wie z. B. Holz-, Zellulose- oder Hanffasern, führt die Sorptionsfeuchte bei Messungen im Plattenapparat zu einer Erhöhung des Wärmestroms. Dieser Effekt ist allerdings nach [23] in erster Linie auf den bereits erwähnten Latentwärmetransport zurückzuführen und resultiert so gut wie nicht aus einer feuchtebedingten Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit. Deshalb sollte für hygrothermische Simulationen für die Wärmeleitfähigkeit von diffusionsoffenen Dämmstoffen entweder der Trockenwert oder ein um den Latentwärmeanteil bereinigter Feuchtwert verwendet werden. Die feuchtebedingte Erhöhung des Wärmedurchgangs ist daher im Holzbau nur dann ein Thema, wenn entweder geschlossenzellige Dämmstoffe wie z. B. Schaumkunststoffe als Perimeter- oder Umkehrdachdämmung oder kapillaraktive mineralische Baustoffe in Teilbereichen zum Einsatz kommen.
2.2.2 Schimmel und holzzerstörende Pilze
Im Gegensatz zur Holzfäule stellt das Schimmelpilzwachstum keine Gefährdung der Tragfähigkeit einer Konstruktion dar. Da manche Schimmelpilze die Gesundheit beeinträchtigen können, muss aber sichergestellt sein, dass die Emissionen der Schimmelpilze (MVOCs = Microbial Volatile Organic Compounds oder Schimmelpilzsporen) nicht in die Raumluft oder auf die raumseitigen Oberflächen gelangen können. Dies wird deshalb hier betont, da eine vollständige Schimmelpilzfreiheit im äußeren Bereich von Holzbauteilen, z. B. auf der äußeren Schalung, häufig nicht gewährleistet werden kann und i. d. R. auch kein Problem darstellt. Raumseitig der Dämmebene und an den Innenoberflächen ist der Befall durch Schimmelpilze allerdings aus hygienischen Gründen nicht akzeptabel.
Zur Abschätzung unter welchen Bedingungen Schimmelpilzwachstum überhaupt möglich ist, wurden in [24] Grenzkurven für die Auskeimung von Schimmelpilzsporen, sogenannte LIMs (Lowest Isopleth for Mould), entwickelt, die alle in Gebäuden auftretenden Schimmelpilze berücksichtigen. Bild 4 zeigt den Verlauf dieser Grenzkurven für verschiedene Substrate, d. h. Oberflächenmaterialien. Die unterste Kurve zeigt die Abhängigkeit der Auskeimungsgrenze von den Temperatur- und Feuchteverhältnissen im Substrat für ein ideales Nährmedium. Unterhalb dieser Kurve können keine baurelevanten Schimmelpilze wachsen. Diese als LIM 0 bezeichnete Kurve repräsentiert für den Baubereich eigentlich nicht relevante, optimale Nährstoffverhältnisse, die allenfalls bei stark verschmutzen Oberflächen auftreten könnten. Die darüber liegende Grenzkurve LIM I gilt für Oberflächen aus biologisch verwertbaren Baustoffen wie z. B. Holzwerkstoffen, Tapeten, Gipskarton oder leicht verschmutzten anderen Oberflächen. Die oberste Grenzkurve LIM II wird u. a. für mineralische Baustoffe und Kunststoffe verwendet, die nicht biologisch verwertbar sind. Da diese Einteilung relativ grob ist, besteht die Möglichkeit diese Grenzkurven für einzelne Materialien gesondert zu bestimmen [22, 25].
Vergleicht man die an einer Materialoberfläche gemessenen oder für diese Oberfläche instationär berechneten Verläufe der Temperatur- und Feuchtekoinzidenzen, lässt sich das Schimmelpilzwachstumsrisiko abschätzen. Bleiben die Werte stets unterhalb der materialspezifischen Grenzkurven, lässt sich Schimmelpilzbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen. Kürzere Überschreitungen der Grenzkurven stellen meist noch kein Problem dar, da die für die Sporenauskeimung günstigen Wachstumsbedingungen eine Weile anhalten müssen, bevor das Schimmelpilzwachstum beginnt. Um in solchen Fällen das Wachstumsrisiko genauer bestimmen zu können, kann das für raumseitige Oberflächen validierte Wachstumsmodell von Sedlbauer [24] eingesetzt werden. Es berechnet ein hypothetisches Hyphenwachstum in Abhängigkeit von den wechselnden hygrothermischen Randbedingungen an der Baustoffoberfläche. Eine Alternative zu diesem physikalisch-biologisch begründeten biohygrothermischen Modell, ist das mathematisch-empirische Schimmelpilzwachstumsmodell von Viitanen [26]. Dort wurde ein sechsstufiger Mould Index (Schimmelpilzindex) definiert, der sich an der Ausbreitung von Schimmelpilzen auf Baustoffoberflächen (ursprünglich ausschließlich Holz, später auch andere Materialien) orientiert. Dessen Spektrum reicht von vereinzelten Kolonien, die nur unter dem Mikroskop sichtbar sind, bis hin zum sofort erkennbaren vollflächigen Bewuchs. Ein Vergleich beider Modelle in [27] hat gezeigt, dass die Ergebnisse für die raumseitige Oberfläche meist recht gut übereinstimmen und die Wachstumslänge der hypothetischen Hyphe des biohygrothermischen Modells gut in den Mould Index von Viitanen überführt werden kann.