Bauphysik-Kalender 2022. Nabil A. Fouad
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Bauphysik-Kalender 2022 - Nabil A. Fouad страница 26
Bei den feuchtetechnischen Auswirkungen hoher Temperaturen denkt man zunächst an den meist positiven Effekt der Austrocknung. Ist diese allerdings zu stark, kann sie zu starkem Schwinden hygroskopischer Materialien und damit zusammenhängenden Schädigungen führen. Besonders beachtet werden sollte allerdings die Frage, wohin die rasch austrocknende Feuchte entweichen kann. Das Beispiel eines unbelüfteten Blechdaches in Bild 2 zeigt, dass das Aufheizen der Dachoberfläche an anderer Stelle eine deutliche Feuchteerhöhung zur Folge haben kann [7]. Durch die solare Einstrahlung steigt die Oberflächentemperatur auf der Südseite des 50° geneigten Daches an einem Wintertag mit Dauerfrostbedingungen von –15 °C am Morgen auf knapp 70 °C am frühen Nachmittag. Parallel dazu steigt die relative Luftfeuchte weiter innen, zwischen der Mineralwolledämmung und der Dampfbremse, von 10% auf über 90% r. F. Gegen Abend, wenn die Sonne untergeht, fällt auch die relative Luftfeuchte an dieser Stelle wieder langsam auf ihren Ausgangspunkt zurück. Die solare Einstrahlung führt also offensichtlich zu einer Pendelbewegung der Feuchte im Dach zwischen Schalung und Dampfbremse. Inwieweit diese regelmäßige Feuchteumverteilung ein Risiko darstellt, hängt sowohl vom Gesamtfeuchteniveau als auch von möglichen Schadensmechanismen, wie z. B. Korrosionsgefahr, Schimmelpilzbildung etc. an den besonders stark betroffenen Stellen im Bauteil ab und ist durch eine genauere Analyse zu klären.
Bild 2. Gemessene Verläufe der Oberflächentemperatur eines Blechdaches sowie der relativen Luftfeuchte zwischen Wärmedämmung und Dampfbremse während eines sonnigen Wintertags
Die Pendelbewegung der Feuchte ist auch mit einem erhöhten Wärmetransport durch den sogenannten Latentwärmeeffekt verbunden, d. h. zusätzlich zum normalen Wärmedurchgang kommt noch eine dampfdiffusionsbedingte Komponente. Da die Feuchte jeweils auf der warmen Seite verdunstet bzw. vom sorbierten in den dampfförmigen Zustand übergeht, entsteht dort eine Wärmesenke durch die Verdampfungs- bzw. Desorptionsenthalpie. Nach der Diffusion durch die Dämmschicht kondensiert der Dampf wieder auf der kälteren Seite oder wird dort von einem hygroskopischen Material absorbiert. Dadurch wird die zuvor auf der Warmseite abgeführte Wärmeenthalpie auf der kalten Seite wieder zugeführt. Dieser Effekt kann schon bei geringen Feuchtegehalten im Dämmstoff (1 Vol.-%) den Gesamtwärmedurchgang durch die Dämmschicht kurzfristig mehr als verdoppeln [8]. Über einen Tag integriert, wird aus diesem Latentwärmeeffekt allerdings ein Nullsummenspiel, denn die Verluste durch Dampfdiffusion mit Phasenwechsel in der Nacht werden durch entsprechende Wärmegewinne am Tag nahezu kompensiert. Trotzdem kann ein energetischer Nachteil entstehen, wenn die Wärmegewinne am Tag wegen Überheizung nicht nutzbar sind, bzw. durch verstärktes Lüften abgeführt werden, während die Verluste in der Nacht uneingeschränkt zum Tragen kommen.
2.1.4 Schlagregen
Die Bedeutung des Schlagregens als Schadensursache bei Gebäuden wird heutzutage meist unterschätzt. Früher wurden ganze Bauernhöfe so orientiert, dass der Eingang zum Wohnhaus auf der Ostseite und die Stallungen auf der Westseite (Wetterseite) lagen. Wohngebäude mit einschaligen Wänden in exponierten Lagen hatten auf der Wetterseite oft einen zusätzlichen Schlagregenschutz in Form von Schindeln, Schieferoder später auch Faserzementplatten. In einigen Regionen wurden die Dächer weit heruntergezogen oder entsprechende Dachüberstände vorgesehen, alles mit dem Ziel, das Eindringen von Regenwasser in Außenwände oder ins Gebäude durch die Fenster zu verhindern. Heute bevorzugen die Planer eine kubische Architektur mit sehr geringen Dachüberständen und überlassen den Schlagregenschutz den modernen Fenstern und wasserabweisenden Putz- und Anstrichsystemen. Dies erhöht allerdings die Feuchtebeanspruchung der Fassade, sowohl durch Schlagregen als auch durch nächtliche Tauwasserbildung.
Im Folgenden werden die unmittelbaren Auswirkungen der Schlagregenbeanspruchung, wie z. B. die kapillare Wasseraufnahme und das Eindringen von Niederschlagswasser kurz skizziert und danach wird in einem eigenen Abschnitt auf die mittelbare Auswirkung des Schlagregens eingegangen, die im englischen als „Solar Vapour Drive“ bezeichnet wird, was so viel bedeutet, wie sonnengetriebene Dampfbelastung.
Die Schlageregenbeanspruchung einer Fassade kann mithilfe von stündlichen Wetterdaten relativ zuverlässig aus dem Niederschlag auf eine horizontale Fläche (Normalregen) und der gleichzeitig gemessenen vektoriellen Windgeschwindigkeit (Betrag und Richtung) berechnet werden [9]. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur für die Beurteilung mittels hygrothermischer Simulation praktikabel. Zur Einstufung der regionalen Schlagregenbeanspruchung für vereinfachte Feuchteschutzbeurteilungsmethoden kann auf die Klassifizierung in der DIN 4108-3 [31] zurückgegriffen werden. Dort sind drei Beanspruchungsgruppen definiert, die aus einer Deutschlandkarte zu entnehmen und entsprechend der Exposition des betrachteten Gebäudes weiter anzupassen sind. Es ist offensichtlich, dass mit steigender Schlagregenbeanspruchung bei der Planung auch dem Schlagregenschutz eine größere Bedeutung zukommt. Das gilt insbesondere bei der Sanierung von alten Holzkonstruktionen wie z. B. Fachwerkhäusern [10]. Abgesehen von Fachwerkhäusern weisen traditionelle Holzkonstruktionen durch die Bekleidung mit Schindeln oder Holzschalungen in der Regel einen guten Schlagregenschutz auf. Dies ist der Belüftung des äußeren Wetterschutzes und vor allem dessen Drainageverhalten zu verdanken [11].
Anders sieht es aus, wenn das Holzhaus möglichst wie ein Massivbau aussehen soll und deshalb außen verputzt wird oder ein Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) aufgebracht wird. In diesen Fällen wird häufig auf eine Drainage der äußeren Bekleidung verzichtet (nach heutigen Zulassungen für WDVS auf Holzkonstruktionen wird eine sichere Wasserableitung gefordert). Wenn dann Schlagregenwasser im Bereich von Fensteranschlüssen hinter die Bekleidung läuft, kann das fatale Folgen haben. Selbst sorgfältig ausgeführte Wandkonstruktionen sind nicht vor kleineren Regenwasserleckagen gefeit. In Nordamerika wurden viele Holzkonstruktionen insbesondere mit WDVS aus dampfbremsender Dämmung wie EPS durch diesen Effekt großflächig geschädigt. Selbst Firmen aus Europa mit jahrzehntelangen Erfahrungen auf dem Gebiet der Außendämmung mit WDVS sind anfangs mit ihren Systemen gescheitert. Das Schlagregenproblem mit WDVS auf Holzkonstruktionen hat vor einiger Zeit auch Europa erreicht [12]. Auch die Lösungen dazu, wie z. B. eine zweite Abdichtungsebene unter Fensterbänken (Unterfensterbank) [13] und/oder der Einsatz diffusionsoffener Dämmstoffe zur Verbesserung des Trocknungspotenzials, sind bei uns vielen bekannt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Schlagregenschutz bei Holzkonstruktionen mit WDVS heute kein Problem mehr darstellt.
Beim Mauerwerks- oder Betonbau, dem Haupteinsatzbereich für WDVS, dringt, wie man inzwischen weiß, ebenfalls Regenwasser bei den Fensteranschlüssen ein. Da Mauerwerk und Beton jedoch deutlich weniger feuchteempfindlich sind als Holz und Holzwerkstoffe, wird das selten bemerkt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dadurch keine Probleme entstehen können. Neben einer lokalen Auffeuchtung der Dämmung wurde hier vereinzelt auch Insektenbefall (Ameisen) hinter den Dämmplatten beobachtet. Deshalb wäre auch der Massivbau gut beraten die Detaillösungen des Holzbaus genauer zu studieren.
2.1.5 Umkehrdiffusion durch Sonneneinstrahlung nach Regen (Solar Vapour Drive)
Die Dampfdiffusion findet bekanntermaßen von Zonen mit hohem Dampfdruck zu solchen mit niedrigerem Dampfdruck statt. Da in Räumen Feuchte produziert wird, zeigt die Diffusionsrichtung bei unserem Klima meist von innen nach außen. Dreht sich die Diffusionsrichtung um, dann spricht man von Umkehrdiffusion. Dass dies zum Beispiel bei Kühlräumen der Fall ist, muss sicher nicht erwähnt werden. Weniger offensichtlich ist hier schon die Situation bei unbeheizten Räumen. Auch die sind im Sommer meist