Bauphysik-Kalender 2022. Nabil A. Fouad
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Die einschlägigen Normen und Richtlinien reagierten auf diese Entwicklungen durch einen Paradigmenwechsel, weg von „dicht und dichter“, hin zu: „so diffusionsoffen wie möglich und nur so dicht wie nötig“. Dabei waren jeweils die Dampfdiffusionswiderstände der äußeren (sda) und inneren (sdi) Bauteilschichten gemeint. Zur Quantifizierung geeigneter sdi-Werte in Abhängigkeit von den meist vorgegebenen sda-Werten wurden Freiland- und Laborversuche sowie umfangreiche hygrothermische Simulationen durchgeführt. Als Pionier bei der Umsetzung des neuen Paradigmas hat sich die deutsche Holzschutznorm erwiesen. Ihr ist es zu verdanken, dass die Holzkonstruktionen deutlich feuchtetoleranter und damit weniger schadensanfällig sowie dauerhafter geworden sind. Die deutsche Norm zum klimabedingten Feuchteschutz DIN 4108-3 stellte damals leider das Schlusslicht dar. Das lag unter anderem an der Überbetonung der stationären Feuchteschutzbeurteilung nach Glaser, bei der das Prinzip „dicht und dichter“ immer zu guten Ergebnissen führt. Inzwischen hat diese Norm nachgezogen, weshalb ihre Inhalte im Folgenden eingehender beleuchtet werden.
3.1 Klimabedingter Feuchteschutz nach DIN 4108-3:2018-10
Die DIN 4103-3 vom Oktober 2018 [31] beschreibt zum ersten Mal explizit das dreistufige Verfahren zur Feuchteschutzbeurteilung von Baukonstruktionen. Der Nachweis der feuchtetechnischen Unbedenklichkeit von Baukonstruktionen kann mittels geeigneter Vorgehensweisen unterschiedlicher Komplexität (Stufen) durchgeführt werden. Die erste Stufe stellt die Auswahl einer nachweisfreien Konstruktion aus der Liste der angegebenen Bauteilaufbauten dar, die in der Norm hinsichtlich ihres Schichtenaufbaus und der hygrothermischen Eigenschaften der Materialien spezifiziert sind. Die zweite Stufe betrifft den stationären Dampfdiffusionsnachweis nach Glaser mithilfe des beschriebenen Periodenbilanzverfahrens für dafür geeignete Bauteile und bei Wänden zusätzlich die Erfüllung von Kriterien zum Schlagregenschutz. Die dritte Stufe verkörpert den etwas aufwendigeren Nachweis durch hygrothermische Simulation. Damit wird klar ausgedrückt, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, eine nachweisfreie Konstruktion zu wählen, das Periodenbilanzverfahren (Glaserverfahren mit den Randbedingungen von 2014) zu verwenden oder die Beurteilung durch hygrothermische Simulation nach Anhang D durchzuführen, sofern für den jeweiligen Fall keine Einschränkungen in Hinblick auf die Anwendbarkeit gelten.
Diese Einschränkungen betreffen Bauteile und Randbedingungen, die von den jeweiligen Berechnungsverfahren entweder nicht oder nicht genau genug beurteilt werden können, bzw. für die keine ausreichenden Erfahrungen bestehen, um sie für die fragliche Anwendung in die Liste der nachweisfreien Konstruktionen aufnehmen zu können. Beispielsweise können die ersten beiden Stufen nur zur Beurteilung von Bauteilen für nicht klimatisierte Wohn- oder wohnähnlich genutzte Gebäude verwendet werden. D. h., Bauteile für gekühlte Gebäude oder solche deren Raumklima von den normalen Wohnraumbedingungen abweicht, können nicht freigegeben werden. Weitere Einschränkungen beziehen sich auf spezielle Bauteile, wie z. B. begrünte oder bekieste Dachkonstruktionen, erdberührte Bauteile, Bauteile die an unbeheizte Räume angrenzen etc. Für solche Fälle ist eine hygrothermische Simulation die einzige Möglichkeit, den Feuchteschutznachweis zu erbringen.
3.1.1 Nachweisfreie Konstruktionen
Für den Holzbau sind in der DIN 4108-3 [31] folgende nachweisfreie Konstruktionen aufgeführt:
– Wände in Holzbauart nach DIN 68800-2 [33],
– Holzfachwerkwände mit raumseitiger Luftdichtheitsschicht,
– belüftete und nicht belüftete Dächer mit Dachdeckung oder Dachabdichtung.
3.1.1.1 Holzfachwerkwände
Für Holzfachwerkwände mit raumseitiger Luftdichtheitsschicht sind Beispiele für drei Arten der Wärmedämmung aufgeführt. Für den Einsatz eines wärmedämmenden Ausfachungsmaterials gilt für den Dampfdiffusionswiderstand der raumseitigen Bekleidung ein enger Bereich: 1 m ≤ sdi ≤ 2 m. Diese Einschränkung soll auf der einen Seite einen gewissen Schutz vor der winterlichen Tauwasserbildung gewährleisten. Auf der anderen Seite soll eventuell durch die Fugen zwischen Fachwerk und Ausfachung eingedrungenes Regenwasser auch zur Raumseite hin austrocknen können.
Das Anbringen einer Innendämmung über Fachwerk und Gefach ist gemäß Stufe 1 (nachweisfreie Bauteile) nur zulässig, wenn keinerlei Schlagregenbeanspruchung vorliegt. Da eine Innendämmung die Austrocknung sowohl nach außen (Temperaturabsenkung) als auch nach innen verringert, soll durch diese Maßgabe eine Schädigung der Konstruktion durch die Innendämmung ausgeschlossen werden. Zum Schutz vor winterlichem Tauwasser wird außerdem der zulässige Wärmedurchlasswiderstand der Innendämmung auf 0,5 m2 K/W begrenzt bzw. auf 1,0 m2 K/W, sofern für den Dampfdiffusionswiderstand des Innendämmsystems gleichzeitig dieselbe Bereichseinschränkung wie bei der vorher genannten Bekleidung gilt.
Zusätzlich wird betont, dass das Einströmen von Raumluft in bzw. hinter die Innendämmung durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden ist. Dies wird deshalb besonders erwähnt, da hier eine Zirkulation von Raumluft hinter der Innendämmung vom Decken- zum Fußbodenbereich eine Gefahr darstellt. Eine vollflächige Verklebung der Innendämmung und gleichzeitig eine dauerhaft luftdichte Ausführung der Anschlussbereiche zwischen Decke bzw. Fußboden und dem Innendämmsystem würde hier zwar Abhilfe schaffen, bei Fachwerkkonstruktionen stellt dies aber meist eine besondere Herausforderung dar. Die günstigste aber gleichzeitig durch die Kaschierung der Fachwerkfassade die umstrittenste Art der Wärmedämmung ist die Außendämmung. Hier kann sowohl ein genormtes Wärmedämm-Verbundsystem als auch ein Wärmedämmputz verwendet werden, wobei der Dampfdiffusionswiderstand den sde-Wert von 2 m nicht überschreiten darf. Als Alternative ist auch eine hinterlüftete Außenwandbekleidung zulässig.
3.1.1.2 Dächer in Holzbauweise
Auf belüftete Dächer wird hier nicht eingegangen, da sich in diesem Bereich seit Jahrzehnten kaum etwas verändert hat und solche Konstruktionen aufgrund von Insektenzugänglichkeit und dem damit verbundenen meist notwendigen chemischen Holzschutz zu vermeiden sind. Bei den unbelüfteten Dächern entsprechen die nachweisfreien Konstruktionen inzwischen weitgehend jenen, die auch für die Gebrauchsklasse GK 0 der DIN 68800-2 [33] zusammengestellt sind und auf die auch explizit verwiesen wird. Deshalb werden diese Konstruktionen im Abschnitt 3.3 eingehender behandelt. Im Vergleich zur Version von 2014 wurden in [31] außerdem Dämmmaßnahmen von bestehenden Dachkonstruktionen von außen aufgenommen, bei denen die inneren Schichten (z. B. Holzwolle-Leichtbauplatten mit Putz) erhalten bleiben können. Dabei erfolgt, wie in Bild 6 zu sehen, eine Umschlaufung der Sparren durch eine Bahn mit variablem sd-Wert. Diese Bahn dient einerseits der Luftdichtheit, andererseits der Regulierung der Dampfdiffusion. Deshalb muss sie unter trockenen Bedingungen (Umgebungsfeuchte von 25 % r. F.) einen Diffusionswiderstand von sd ≥ 2 m und unter feuchten Bedingungen (90% relative Feuchte) einen sd-Wert ≤ 0,5 m aufweisen. Weitere Details zu diesen nachweisfreien Dächern in Bezug auf die Anforderungen an die äußeren Schichten sowie Aufsparren-Dämmsystemen sind [31] zu entnehmen. Dieses Beispiel zeigt, wie eine neue Sanierungsvariante, deren feuchtetechnische Funktionsfähigkeit ursprünglich nur durch eine zweidimensionale hygrothermische Simulation nachgewiesen werden konnte [34], im Lauf der Zeit durch positive Praxiserfahrungen zu einer nachweisfreien Konstruktion geworden ist.