Toxikologie für alle. Helmut Greim

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Toxikologie für alle - Helmut Greim

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daraus abschätzen, ob tatsächlich eine Gesundheitsgefährdung vorliegt.

      Das wichtigste Grundprinzip der Toxikologie ist, dass nicht allein das Vorhandensein einer Chemikalie eine Gefahr für die Gesundheit darstellt; vielmehr hängt es von der Konzentration ab, ob die gefundene Menge im fraglichen Produkt, in der Atemluft oder im Trinkwasser gesundheitsgefährlich ist. Dieser Grundsatz ist jedem Toxikologen gegenwärtig, in allen Lehrbüchern ausführlich dargestellt, sodass die Situation leicht anhand dieser Informationen eingeschätzt werden kann.

      Da die Empfindlichkeit der üblichen Messverfahren heute so groß ist, dass fast jede beliebige Chemikalie überall nachgewiesen werden kann, ist es umso wichtiger, dass man die gesundheitliche Relevanz der nachgewiesenen Menge beurteilen kann. Dies ist auch für den Nichtfachmann relativ einfach, wenn er die Grundprinzipien der Toxikologie und damit einer gesundheitlichen Bewertung kennt.

      Angemerkt sei, dass eine solche Bewertung nicht dazu dient, Substanzen, die für eine bestimmte Verwendung nicht vorgesehen oder zugelassen sind, dann aber doch nachgewiesen werden, zu entlasten. Dies gilt genauso für Berichte über Substanzen in Nahrungsmitteln, die die vorgegebenen Grenzwerte überschreiten. Für solche Fälle soll jedoch beschrieben werden, wie die Gesundheitsgefährlichkeit zu bewerten ist, ohne das Vorkommen der Substanzen oder die Überschreitung von Grenzwerten dadurch gutzuheißen.

      Wir nennen das Buch bewusst Toxikologie für alle. Wann ist ein Stoff gefährlich?, denn es gibt großvolumige Lehrbücher, die für Mediziner und Naturwissenschaftler in der Forschung und Lehre oder in der Industrie, aber auch in Behörden gedacht sind und damit für einen Nichtfachmann in Anbetracht der Fülle an Informationen schwer zu verstehen sind. In diesem Buch werden daher die Grundprinzipien der Toxikologie nachvollziehbar dargestellt, damit man auch als Laie abschätzen kann, ob eine mögliche Gesundheitsgefährdung vorliegt.

      Nach einem allgemeinen Teil, der die Grundprinzipien der Toxikologie erläutert, werden im speziellen Teil Beispiele für die Bewertung akuter und chronischer Einwirkungen von Chemikalien dargestellt und schließlich einige Beispiele für in der Öffentlichkeit kritisch diskutierte und damit als „umstritten” bezeichnete Problemfälle wie Glyphosat oder Dieselmotorabgase erläutert. Wir benutzen in diesem Buch die Bezeichnung Substanzen, was nicht nur synthetisch hergestellte Chemikalien, sondern auch Verbrennungsprodukte wie Dioxine und natürliche Chemikalien wie Pflanzeninhaltsstoffe beinhaltet.

      Die von den Fachleuten verwendeten Begriffe werden soweit möglich durch die in der Umgangssprache verwendeten Bezeichnungen ersetzt und sind auch im Glossar erläutert. Begriffe, die immer wieder vorkommen, werden jedoch hier zum besseren Verständnis erklärt.

      Substanz: Sammelbegriff für körpereigene (endogene) Chemikalien und Fremdstoffe.

      Chemikalie: natürlich vorkommende oder synthetisch hergestellte Substanz (teilweise identisch, z. B. Ascorbinsäure oder Vanillin).

      Fremdstoff: Sammelbegriff für natürliche oder vom Menschen hergestellte Chemikalien/Substanzen, die natürlicherweise nicht im Körper vorkommen.

      Metabolismus, Stoffwechsel: die enzymatische Veränderung einer Substanz im Körper.

      Biotransformation: zumeist für den Metabolismus von Fremdstoffen verwendet.

      Zur besseren Lesbarkeit wird anstelle von Sternchen, Großbuchstaben im Wortinnern oder bei männlichen und weiblichen Personengruppen wie Verbraucher/Verbraucherin, Mediziner/Medizinerin, Arbeiter/Arbeiterin stets nur die grammatikalische männliche Form angegeben.

      Die Teile A und B beruhen auf dem Lehrbuch ,,Das Toxikologiebuch” von H. Greim, 978-3-527-33973-0, Wiley-VCH, 2017. Die Bewertungsbeispiele im Teil C stützen sich in großem Umfang auf die Publikationen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), siehe https://www.bfr.bund.de/de/start.html.

      München, im August 2021

       Helmut Greim, Heidrun Greim

      Teil A

      Allgemeiner Teil

      Einleitung

      Die Toxikologie befasst sich mit den Wirkungen von Chemikalien in Luft, Boden, Nahrungsmitteln und Wasser auf den Menschen. Die wichtigste Aufgabe hierbei ist die Bewertung, inwieweit die häufig relativ niedrigen Mengen, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist und das meist über einen längeren Zeitraum, mit einer Gefährdung der Gesundheit verbunden ist, auch unter Berücksichtigung eines möglichen Zusammenwirkens verschiedener Stoffe.

      Zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden werden Grenzwerte festgelegt sowie Minimierungsmaßnahmen für die Belastung von Luft, Boden, Grund- und Trinkwasser sowie Nahrungsmitteln entwickelt. Beispielhaft sind die Emissionsbegrenzungen von Anlagen zur Verbrennung von Hausmüll oder Sondermüll, Abgasen aus Verbrennungsmotoren oder die Regulierung von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Nahrungsmitteln. Wenn in den öffentlichen Medien von Bundesbehörden wie dem Umweltbundesamt oder dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) berichtet wird, dass in bestimmten Nahrungsmitteln, Getränken oder Trinkwasser Chemikalien nachgewiesen worden sind, wird zumeist auch mitgeteilt, welche Konzentrationen vorliegen und ob damit eine Gefährdung der Gesundheit verbunden ist.

      Da die Empfindlichkeit der üblichen Messverfahren heute so groß ist, dass man praktisch jede beliebige Chemikalie überall nachweisen kann, ist es umso wichtiger zu verstehen, anhand welcher Kriterien eine mögliche Gesundheitsgefährlichkeit der nachgewiesenen Menge beurteilt wird. Dabei gilt nach wie vor das von Paracelsus (1493–1541) formulierte Grundprinzip aller toxikologischen Bewertungen:

      ,,Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“ (lat. Sola dosis facit venenum: Nur die Dosis macht das Gift).

      Dieser Satz von Paracelsus aus dem 16. Jahrhundert beinhaltet das wichtigste Grundprinzip in der Toxikologie. Er besagt, dass Wirkungen und ihre Intensität abhängig von der Dosis sind, und dass mit toxischen Wirkungen nur dann zu rechnen ist, wenn die Chemikalien oder ihre Umsetzungsprodukte im Körper in ausreichender Menge und über einen ausreichenden Zeitraum in den für die Toxizität empfindlichen Zielorganen vorliegen. So ist ein Tropfen Bier sicherlich ohne Wirkung, während nach einem Liter durchaus mit einer Wirkung zu rechnen ist. Um dies beurteilen zu können, müssen die folgenden Informationen vorliegen:

       • die toxischen Wirkungen und die zugrunde liegenden Mechanismen (gefährliche Stoffeigenschaften, engl. hazard identification),

       • der Expositionsweg, über den die Chemikalie in den Körper gelangt,

       • die Toxikokinetik, d. h. die Aufnahme,

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