Toxikologie für alle. Helmut Greim
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Die Versuche werden zumeist von zertifizierten Untersuchungslabors durchgeführt und müssen den international vorgeschriebenen Versuchsbedingungen z. B. den OECD-Prüfrichtlinien (OECD-Guidelines) entsprechen.
1.2 Haut- und Schleimhautreizung und Fototoxizität
Diese Studien, die zumeist an Kaninchen durchgeführt werden, erfassen haut-, augen- und schleimhautreizende einschließlich nekrotische (zelltötende) Wirkungen. Sie werden jedoch zunehmend durch Alternativverfahren ohne Tierversuche ersetzt. Tests auf Fototoxizität werden durchgeführt, wenn die Substanz UV-Licht im Bereich von 290 bis 400 nm (Nanometer) absorbiert. Auch für diese Tests sind Alternativverfahren ausgearbeitet und im Hinblick auf ihre Verlässlichkeit überprüft worden.
1.3 Sensibilisierung und Fotosensibilisierung
Diese Untersuchungen werden an Meerschweinchen (Bühler- und Maximierungstest) oder an Mäusen mit dem local lymph node assay (LLNA) durchgeführt, indem mehrere Injektionen einer Substanz in das Ohr von Mäusen vorgenommen werden. Der Nachteil des LLNA ist, dass er für die Abschätzung der Stärke einer sensibilisierenden Eigenschaft für den Menschen nur bedingt geeignet ist. Er wird aber als Nachweis einer sensibilisierenden Eigenschaft einer Substanz akzeptiert und kann zum Vergleich der Wirkungsstärken der verschiedenen getesteten Substanzen herangezogen werden. Aufgrund dieser Einschränkungen wird für die endgültige Klärung einer sensibilisierenden Wirkung in der Regel ein Patch-Test beim Menschen durchgeführt. Zunehmend werden auch Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen die sensibilisierende Substanz eingesetzt.
Fotosensibilisierung wird geprüft, indem wie bei der Prüfung auf Fototoxizität die Haut mit UV-Licht bestrahlt wird.
1.4 Genotoxizität (in vitro und in vivo)
Zur Prüfung auf Genotoxizität werden zunächst in vitro, d. h. im Reagenzglas, ein Mutationstest an Bakterien (zumeist Salmonellen) und ein Zytogenetiktest an Zellen von Säugetieren durchgeführt. Die Mutationstests geben Aufschluss über eine direkte Reaktion bzw. Veränderung an der Erbsubstanz der Zelle (DNA). Die Zytogenetiktests wie der Mikronukleustest erlauben Hinweise auf aneugene und klastogene Wirkungen, also Wirkungen auf die Chromosomen. Ergeben die Tests an Bakterien und Säugetierzellen keine Hinweise auf eine Wirkung (sind negativ) und liegen aufgrund der chemischen Struktur der jeweiligen Substanz keine Hinweise auf Genotoxizität vor, kann davon ausgegangen werden, dass die Substanz nicht genotoxisch ist. Das ist insofern von großer Bedeutung, weil für nicht genotoxische Substanzen Grenzwerte abgeleitet werden können, die eine Gesundheitsgefährdung ausschließen. Bei positiven Tests in vitro und in Zweifelsfällen werden die Ergebnisse durch entsprechende Versuche an Tieren (in vivo) überprüft.
Das Verbot, Tierversuche mit Inhaltsstoffen von Kosmetika durchzuführen, ist daher problematisch, da diese für die Klärung einer möglichen Genotoxizität erforderlichen Untersuchungen nicht mehr erlaubt sind.
1.5 Kanzerogenität
Das Studiendesign der Kanzerogenitätstests entspricht dem der chronischen Studien mit einer Kontroll- und drei Dosisgruppen, aber mit je 50 männlichen und weiblichen Tieren, zumeist Ratten oder Mäuse, pro Dosis, wobei wiederum die niedrigste Dosis ohne Wirkung bleiben und damit den NOAEL ergeben soll, die mittlere Dosis den LOAEL und die höchste Dosis die maximal tolerierte Dosis (MTD) mit leichten toxischen Effekten. Für weitergehende Untersuchungen, z. B. zur Klärung des Wirkmechanismus, werden zusätzliche Tiere eingesetzt, die innerhalb der Versuchsdauer von zwei Jahren für zusätzliche Untersuchungen auf biochemische Veränderungen oder für spezielle Fragestellungen, z. B. ob die Substanz selbst oder ihre Metaboliten die Wirkung verursachen, verwendet werden. Sinnvoll ist es, Tierstämme einzusetzen, für die sog. historische Kontrolldaten aus früheren Versuchen vorliegen, weil die Tumorinzidenzen der Kontrolltiere je nach Stamm sehr unterschiedlich sein können. Dies ist dann von Vorteil, wenn die Daten der Kontrollgruppe des spezifischen Versuchs höher oder niedriger als erwartet sind, weil dann ein zusätzlicher Vergleich mit den historischen Kontrolldaten hilfreich sein kann. Da es generell schwierig ist, aus den sog. Dosis-Findungs-Studien, d. h. Studien bis zu 90 Tagen, die MTD für die Zweijahresstudie abzuschätzen, kann es bei der höchsten Dosierung zu erheblichen toxischen Organschäden und vorzeitigem Tod der Tiere oder aber auch zum Ausbleiben jeglicher Wirkung kommen. Wenn die Tumoren nur bei hoher Dosierung, die zu starker Toxizität führen, auftreten, ist zu diskutieren, ob die Ergebnisse für den Menschen eine Bedeutung haben, z. B. wenn die bei der MTD verwendete Dosis sehr weit über einer möglichen Exposition des Menschen liegt.
1.6 Reproduktionstoxizität
Diese Untersuchungen sollen die Wirkung der Testsubstanz auf die männliche und weibliche Fruchtbarkeit (Fertilität) und die prä- und postnatale Entwicklung der Nachkommen und während der Stillzeit prüfen. Da die erforderlichen Tierzahlen für Ein- oder Mehrgenerationsstudien, das sind Untersuchungen, in denen eine oder mehrere Generationen an Nachkommen auf die Wirkungen von Chemikalien untersucht werden, sehr hoch sind, wird zunehmend versucht, die erforderlichen Daten anhand von sog. Screening-Tests wie dem Test entsprechend der OECD-Prüfrichtlinie 421 zu erarbeiten oder sie mit Tests zur Ermittlung der chronischen Toxizität zu verbinden.
Screening-Tests haben den Vorteil, dass sie schneller und mit einer geringeren Anzahl an Tieren Ergebnisse liefern und Stoffe, die die Reproduktion schädigen, erkannt und nur in Zweifelsfällen eingehendere Untersuchungen durchgeführt werden.
So wird beim Test nach OECD-Guideline 421 die Fertilität bei männlichen und weiblichen Tieren erfasst sowie Wirkungen, die während der Tragzeit bei den Würfen auftreten. Der Test nach OECD-Guideline 422 umfasst Untersuchungen zur Fertilität und fötalen Entwicklung im Rahmen eines üblichen 28-Tage-Versuchs.
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Aufnahme, Verteilung, Ausscheidung und mögliche Umformungen im Stoffwechsel
Chemikalien können durch Hautkontakt (dermal), Inhalation mit der Atemluft (inhalativ) oder über Nahrung und Trinkwasser (oral) in den Organismus gelangen. Nach ihrer Aufnahme in den Körper (Resorption), können sie sich im Organismus verteilen, metabolisiert (Umbau zu wasserlöslichen und damit über die Nieren, Galle oder Lunge ausscheidbaren oder toxischen Folgeprodukten) und wieder ausgeschieden werden (engl. absorption, distribution, metabolism and excretion, ADME). Dieses als Toxikokinetik bezeichnetes Verhalten einer Substanz ist für die Interpretation der Versuchstierdaten und ihrer Bedeutung für den Menschen besonders wichtig, da Unterschiede zwischen den verschiedenen Tierversuchsarten (Spezies) und dem Menschen in der Toxikokinetik vorliegen können und es damit zu unterschiedlichen, d. h. speziesabhängigen Wirkungen kommen kann. Wie die sehr vereinfachte Abb. 2.1 zeigt, kann eine Substanz über den Magen-Darm-Trakt, die Haut
Abb. 2.1 Vereinfachte Darstellung für Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen (aus Kapitel Einführung von H. Greim, in Das