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zu arbeiten. Er war in der Tat zweifelhaft, ob nicht Tyke der passendere Kandidat gewesen sei, und doch sagte ihm sein Bewusstsein, daß er, wenn er sich von indirekten Einflüssen ganz frei gefühlt hätte, für Farebrother gestimmt haben würde. Die Angelegenheit der Kaplanschaft blieb ein wunder Punkt in seinem Gedächtnis als ein Fall, in welchem die kleine Welt der Interessen von Middlemarch sich zu mächtig für ihn erwiesen hatte. Wie konnte ein Mann sich durch eine Entscheidung befriedigt fühlen, welche er einer solchen Alternative gegenüber und unter solchen Umständen hatte treffen müssen?

      Aber Farebrother trat ihm mit derselben Freundlichkeit wie bisher entgegen. Der Charakter des Zöllners und Sünders ist praktisch nicht immer mit dem des modernen Pharisäers unvereinbar; denn die meisten unter uns haben kaum ein schärferes Auge für die Verkehrtheit ihres eigenen Benehmens, als für die Verkehrtheit ihrer eigenen Argumente. Aber der Pfarrer von St. Botolph trug sicherlich keine Spur von dem Wesen eines Pharisäers an sich und war gerade dadurch, daß er sich selbst den übrigen Menschen zu ähnlich fand, ihnen darin auffallend unähnlich geworden, daß er es Anderen, wenn sie gering von ihm dachten, verzeihen und ihr Benehmen, selbst wenn es ihm ungünstig war, unparteiisch beurteilen konnte.

      »Ich weiß, daß die Welt für mich zu mächtig gewesen ist,« sagte er eines Tages zu Lydgate. »Aber ich bin auch kein bedeutender Mensch, ich werde nie ein berühmter Mann werden. ›Hercules am Scheidewege‹ ist eine hübsche Fabel; aber Prodikus macht dem Helden die Sache leicht, als ob es mit den ersten Entschlüssen getan wäre. Ein anderer Mythus erzählt von Hercules, daß er am Spinnrocken gesessen und schließlich das Nessushemd getragen habe. Ich glaube, ein guter Entschluss könnte einem Menschen zum Beharren auf dem rechten Wege verhelfen, wenn ihm alle seine Mitmenschen dabei behilflich wären.«

      Die Äußerungen des Pfarrers waren nicht immer ermutigend; der Gefahr, ein Pharisäer zu werden, war er entgangen, aber nicht der Gefahr jener zaghaften Unterschätzung des Erreichbaren, zu welcher uns das Scheitern unserer eigenen Pläne nur zu leicht verleitet. Lydgate war der Meinung, daß Farebrother an einer beklagenswerten Willensschwäche leide.

      19

      L' altra vedete ch'ha fatto alla guancia

      Della sua palma, sospirando, letto.

       Dante: Purgatorio

      Es war zu jener Zeit, da Georg IV. noch einsam in dem Schlosse von Windsor hauste, da der Herzog von Wellington Premierminister und Herr Vincy Mayor der alten Stadtcorporation von Middlemarch war, als Frau Casaubon, geborene Dorothea Brooke ihre Hochzeitsreise nach Rom machte.

      Die Welt war in jenen Tagen im Guten wie im Schlimmen noch um vierzig Jahre hinter unserer Zeit zurück. Reisende brachten noch selten eine vollständige Unterweisung über das Wesen christlicher Kunst in ihren Köpfen oder in ihren Taschen mit nach Hause. Die Romantik, welche seitdem dazu geholfen hat, manche öde Lücke mit Liebe und Wissen auszufüllen, hatte die Zeit noch nicht mit ihrem Sauerteig durchdrungen und war noch kein Gemeingut geworden; sie gärte noch als ein bestimmt erkennbarer kräftiger Enthusiasmus in den Köpfen einiger langhaariger deutscher Künstler in Rom, und die jungen Künstler anderer Nationen, welche neben Jenen arbeiteten oder faulenzten, fingen an bisweilen von der umsichgreifenden Bewegung berührt zu werden.

      Eines schönen Morgens hatte ein junger Mann, dessen Haar nicht übermäßig lang, aber voll und gelockt war und dessen übriges Äußere ihn als einen Engländer kennzeichnete, eben dem Torso im Belvedere des Vatikans den Rücken gekehrt und genoß in der anstoßenden runden Halle der herrlichen Aussicht auf das Gebirge. Er war in diesen Anblick so vertieft, daß er es nicht gewahr wurde, wie sich ihm ein schwarzäugiger lebhaft aussehender Deutscher näherte, bis derselbe ihm seine Hand auf die Schulter legte und sagte: »Kommen Sie rasch! sonst verändert sie ihre Stellung.«

      Der junge Mann entsprach der Aufforderung und die Beiden gingen raschen Schritts an dem Meleager vorüber nach der Halle, wo die Ariadne, damals noch Cleopatra genannt, in ihrer wollüstigen marmornen Schönheit, von ihren Gewändern, die sich wie zarte Blütenblätter ihren Gliedern anschmiegen, umhüllt, ausgestreckt daliegt. Sie kamen gerade noch zu rechter Zeit, um einer andern Gestalt ansichtig zu werden, welche an ein Piedestal in der Nähe der Ariadne gelehnt stand, eine lebende, blühende Mädchengestalt, deren von dem schönen Marmor nicht beschämte Formen, von quäkerhaft grauen Gewändern umhüllt waren; ihren am Halse zugehakten Mantel hatte sie so zurückgeworfen, daß die Arme frei waren, und auf die eine unbehandschuhte schöne Hand stützte sie ihre Wange, indem sie den weißen Filzhut, welcher über dem einfach geflochtenen dunkelbraunen Haar ihr Gesicht wie ein Heiligenschein umgab, etwas zurückschob. Sie sah nicht auf die Statue, dachte wahrscheinlich gar nicht an diese, ihre großen träumerischen Augen waren auf einen Streifen Sonnenlicht geheftet, welcher auf dem Fußboden spielte. Als sie aber die beiden Fremden gewahrte, welche plötzlich still standen, als wollten sie die Cleopatra betrachten, brach sie sofort, ohne dieselben anzusehen, auf und ging auf eine Kammerfrau und einen Courier zu, welche in einiger Entfernung in der Halle wartend dastanden.

      »Wie gefällt Ihnen dieser frappante Kontrast?« fragte der Deutsche, indem er in den Zügen seines Freundes den Ausdruck der Bewunderung suchte, dann aber, ohne eine weitere Antwort abzuwarten, rasch fortfuhr. »Da liegt antike Schönheit, selbst im Tode nicht wie eine Leiche, sondern wie im Vollgefühl ihrer sinnlichen Vollkommenheit gebannt, und dicht daneben steht lebendige Schönheit, aus deren Zügen ein christlich übersinnliches Bewusstsein spricht. Aber sie müßte Nonnenkleider tragen, sie sieht beinahe wie eine Quäkerin aus; ich möchte sie als Nonne in meinem Bilde figurieren lassen. Sie ist aber verheiratet, ich habe ihren Trauring an einem Finger ihrer wunderschönen linken Hand bemerkt, sonst würde ich geglaubt haben, der Clergyman mit dem fahlen Gesichte sei ihr Vater. Ich sah ihn vorhin von ihr Abschied nehmen und jetzt eben fand ich sie in der prachtvollen Stellung. Vielleicht ist er reich und möchte gern ihr Porträt haben. Aber was stehen wir hier und sehen ihr nach! Da geht sie fort, lassen Sie uns ihr bis nach ihrer Wohnung folgen!«

      »Nein, nein,« antwortete der junge Mann mit etwas verdrießlicher Miene. »Wie sonderbar sind Sie, Ladislaw. Sie sehen ja ganz betroffen aus. Wissen Sie etwas von ihr?«

      »Ich weiß, daß sie mit meinem Vetter verheiratet ist,« erwiderte Will Ladislaw, indem er mit einem präokkupierten Gesicht dem Ausgang der Halle zuschlenderte, während sein deutscher Freund sich dicht neben ihm hielt und ihn scharf beobachtete.

      »Was, der Clergyman? der sieht ja mehr wie ein Onkel oder so eine brauchbare Art von Verwandten aus.«

      »Er ist nicht mein Onkel, ich sage Ihnen, er ist mein Großcousin,« sagte Ladislaw etwas gereizt.

      »Schön, schön, beißen Sie mich nur nicht. Sie sind doch nicht böse auf mich, weil ich die Frau Großcousine für die schönste junge Madonna halte, die ich je gesehen habe?«

      »Böse? Unsinn. Ich habe sie bisher nur einmal, auf einige Minuten gesehen. Es war kurz vor meiner Abreise von England, als mein Vetter sie mir vorstellte. Sie waren damals noch nicht verheiratet und ich wußte nicht, daß sie nach Rom kommen würden.«

      »Aber Sie werden sie doch jetzt aufsuchen – Sie werden ihre Adresse leicht herausbringen können, da Sie ja den Namen wissen. Wollen wir nach der Post gehen? Und dann könnten Sie über das Porträt reden.«

      »Hol' Sie der Henker, Naumann! Ich weiß noch gar nicht, was ich tun werde. Mir fehlt Ihre edle Dreistigkeit.«

      »Bah! Das kommt, weil Sie die Kunst dilettantisch treiben. Wenn Sie ein echter Künstler wären, würden Sie in der Frau Großcousine nur die antiken, von christlichem Gefühl beseelten Formen erblicken – eine Art christlicher Antigone – sinnliche durch Exaltation der Seele bezwungene Kraft.«

      »Jawohl,

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