Neue Gedichte. Rainer Maria Rilke

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Neue Gedichte - Rainer Maria Rilke

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manchmal wandte sie in seinem Barte

      ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie;

      und alles, was die Nacht war, kam und scharte

      mit Bangen und Verlangen sich um sie.

      Die Sterne zitterten wie ihresgleichen,

      der Duft ging suchend durch das Schlafgemach,

      der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen,

      und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach.

      Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten,

      und, von der Nacht der Nächte nicht erreicht,

      lag sie auf seinem fürstlichen Erkalten

      jungfräulich und wie eine Seele leicht.

      II

      Der König saß und sann den leeren Tag

      getaner Taten, ungefühlter Lüste

      und seiner Lieblingshündin, der er pflag—.

      Aber am Abend wölbte Abisag

      sich über ihm. Sein wirres Leben lag

      verlassen wie verrufne Meeresküste

      unter dem Sternbild ihrer stillen Brüste.

      Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen,

      erkannte er durch seine Augenbrauen

      den unbewegten, küsselosen Mund;

      und sah: ihres Gefühles grüne Rute

      neigte sich nicht herab zu seinem Grund.

      Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund

      und suchte sich in seinem letzten Blute.

      David singt vor Saul

      I

      König, hörst du, wie mein Saitenspiel

      Fernen wirft, durch die wir uns bewegen?

      Sterne treiben uns verwirrt entgegen,

      und wir fallen endlich wie ein Regen,

      und es blüht, wo dieser Regen fiel.

      Mädchen blühen, die du noch erkannt,

      die jetzt Frauen sind und mich verführen;

      den Geruch der Jungfraun kannst du spüren,

      und die Knaben stehen, angespannt

      schlank und atmend, an verschwiegnen Türen.

      Daß mein Klang dir alles wiederbrächte.

      Aber trunken taumelt mein Getön:

      Deine Nächte, König, deine Nächte—,

      und wie waren, die dein Schaffen schwächte,

      o wie waren alle Leiber schön.

      Dein Erinnern glaub ich zu begleiten,

      weil ich ahne. Doch auf welchen Saiten

      greif ich dir ihr dunkles Lustgestöhn?—

      II

      König, der du alles dieses hattest

      und der du mit lauter Leben mich

      überwältigest und überschattest:

      komm aus deinem Throne und zerbrich

      meine Harfe, die du so ermattest.

      Sie ist wie ein abgenommner Baum:

      durch die Zweige, die dir Frucht getragen,

      schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen,

      welche kommen—, und ich kenn sie kaum.

      Laß mich nicht mehr bei der Harfe schlafen;

      sich dir diese Knabenhand da an:

      glaubst du, König, daß sie die Oktaven

      eines Leibes noch nicht greifen kann?

      III

      König, birgst du dich in Finsternissen,

      und ich hab dich doch in der Gewalt.

      Sieh, mein festes Lied ist nicht gerissen,

      und der Raum wird um uns beide kalt.

      Mein verwaistes Herz und dein verworrnes

      hängen in den Wolken deines Zornes,

      wütend ineinander eingebissen

      und zu einem einzigen verkrallt.

      Fühlst du jetzt, wie wir uns umgestalten?

      König, König, das Gewicht wird Geist.

      Wenn wir uns nur aneinanderhalten,

      du am Jungen, König, ich am Alten,

      sind wir fast wie ein Gestirn, das kreist.

      Josuas Landtag

      So wie der Strom am Ausgang seine Dämme

      durchbricht mit seiner Mündung Übermaß,

      so brach nun durch die Ältesten der Stimme

      zum letztenmal die Stimme Josuas.

      Wie waren die geschlagen, welche lachten,

      wie hielten alle Herz und Hände an,

      als hübe sich der Lärm von dreißig Schlachten

      in einem Mund; und dieser Mund begann.

      Und wieder waren Tausende voll Staunen

      wie an dem großen Tag vor Jericho,

      nun aber waren in ihm die Posaunen,

      und

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