Abende auf dem Gut Dikanka. Nikolai Gogol
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Читать онлайн книгу Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol страница 5
»He, Frauchen, ich habe einen Bräutigam für unsere Tochter gefunden!«
»‹s ist wohl gerad die rechte Zeit, sich einen Bräutigam zu suchen! Du Dummkopf du, mußt wohl dein Leben lang ein Dummkopf bleiben! Wo hast du gesehen oder wo hast du gehört, daß ein anständiger Mensch jetzt hinter einem Bräutigam herläuft? Hättest du doch lieber daran gedacht, den Weizen loszuwerden. Das wird ein schöner Bräutigam sein! Sicher ist’s der zerlumpteste aller Habenichtse!«
»Ach was, davon ist keine Rede! Du solltest nur mal sehen, was das für ein Bursche ist! Sein Kittel allein kostet mehr als deine grüne Jacke und die roten Stiefel zusammengenommen. Und wie der großartig Schnaps saufen kann! ... Der Teufel hole mich mit dir zusammen, wenn ich je gesehen habe, daß ein Bursche ein halbes Maß hinuntergießt, ohne mit der Wimper zu zucken ...«
»Ei freilich, also ein Trunkenbold und ein Landstreicher wie du! das würde dir so passen! Ich möcht’ darauf wetten, daß es derselbe Lümmel ist, der uns auf der Brücke angerempelt hat. Schade, daß ich ihn bis jetzt noch nicht erwischt habe — ich hätte ihm schon was gezeigt!«
»Und wenn’s nun wirklich derselbe wäre, Chiwrja? Warum soll er denn ein Lümmel sein?«
»Warum soll er kein Lümmel sein? Ach du hirnloser Schädel! So hör doch — warum soll er denn kein Lümmel sein! Wo hattest du denn deine kreuzdummen Augen versteckt, als wir an den Mühlen vorbeifuhren? So einem Mann kann man wahrhaftig geradeswegs vor seiner, mit Tabak beschmutzten Nase die eigene Frau beleidigen, und er kümmert sich nicht drum!«
»Ich kann nichts Schlimmes dabei sehen: der Junge ist großartig! Höchstens, daß er dir die Fratze mit Mist vollgekleistert hat!«
»Aha! Ich sehe schon, du willst mich nicht mehr zu Worte kommen lassen! Das wär’ mir noch was Neues! Du hast wohl einen zu viel getrunken, noch bevor du überhaupt etwas verkauft hast!«
Unser Tscherewik merkte jetzt selbst, daß er in seiner Rede zu weit gegangen war, und bedeckte schnell den Kopf mit den Händen, da er annehmen mußte, daß die erzürnte Gattin es nicht unterlassen würde, ihre ehelichen Tatzen in sein Haar zu krallen.
»Den Teufel auch, da hast du deine Hochzeit!« dachte er bei sich, während er die heftig vordringende Gattin abwehrte. »Ich werde dem lieben Kerl ohne allen Grund eine Absage erteilen müssen. Himmel, Herrgott! Wofür strafst du uns arme Sünder so? Es gibt doch schon soviel Unrat, mußtest du auch noch die Weiber in die Welt setzen.«
5
Bäumlein, Bäumlein, bück dich nicht,
Weil du noch zu fein bist!
Sei nicht bös, Kosakenbursch,
Weil du noch zu klein bist!
Kleinrussisches Lied
Zerstreut saß der Bursch im weißen Kittel neben seinem Wagen und blickte auf das rings um ihn dumpf rauschende Volk. Die müde Sonne, die Morgen und Mittag ruhig über den Himmel dahingeglüht hatte, verließ nun die Welt, und der erlöschende Tag bemalte sich in berückender Helligkeit mit rotem Gold. Blendend blitzten die Spitzen der weißen Zelte und Buden, von einem kaum merkbaren feurig rosigen Glanz überstrahlt; die Scheiben des zu Haufen aufgestapelten Fensterglases glühten; die grünen Flaschen und die Gläser auf den Tischen der Schankweiber verwandelten sich in Feuer; die Berge von Kürbissen und Melonen schienen aus Gold und dunklem Kupfer gegossen zu sein. Die Gespräche wurden merkbar leiser und dumpfer, und die müden Zungen der Händler, Bauern und Zigeuner regten sich träger und langsamer. Irgendwo glomm ein Feuerchen auf, und ein würziger Dampf von gekochten Klößen verbreitete sich in den immer stiller werdenden Gassen.
»Was sinnst du, Grytzko?« rief ein hochgewachsener brauner Zigeuner, und schlug unserem Burschen auf die Schulter. »Also gibst du die Bullen für zwanzig her?«
»Du denkst an nichts als an Bullen und wieder Bullen! Ihr Leute wollt nur immer Geschäfte machen und einen ehrlichen Menschen übers Ohr hauen!«
»Pfui Teufel! Im Ernst, bei dir rappelt’s wohl! Vielleicht gar aus Ärger, daß du dir selbst eine Braut zugelegt hast?«
»Nein, so bin ich nicht: ich halte mein Wort. Was ich einmal getan habe, das bleibt ewig bestehn. Aber dieser alte Knaster, der Tscherewik, hat auch nicht für einen halben Heller Gewissen: erst versprochen, dann gebrochen ... Na, ihm kann man keine Schuld geben: der ist ein Klotz und nichts weiter. Das sind alles die Streiche der alten Hexe, die wir Jungen heut auf der Brücke so recht nach Noten ausgeschimpft haben. Ach, wenn ich ein König oder ein großer Herr wäre, ich wär’ der erste, der alle die Dummköpfe an den Galgen brächte, die sich von Weibern in die Kandare nehmen lassen ...«
»Gibst du uns die Bullen für zwanzig, wenn wir Tscherewik zwingen, dir Paraßka zu geben?«
Ganz erstaunt blickte ihn Grytzko an. Die braunen Züge des Zigeuners hatten etwas Boshaftes, Grausames, Niedriges und zugleich Hochmütiges an sich: jeder, der ihn ansah, mußte gestehen, daß in dieser seltsamen Seele große Gefühle brodelten, für die es jedoch nur einen Lohn auf Erden gibt — den Galgen. Den Mund, der zwischen der Nase und dem spitzen Kinn wie eingefallen erschien, umspielte ewig ein giftiges Lächeln, kleine Augen, die lebhaft wie Feuer waren, und ein ewig wechselndes Aufleuchten von Unternehmungen und Plänen im Gesicht, — zu alledem schien nur ein ganz besonderes Kostüm zu passen und zwar gerad ein so sonderbares, wie er es trug. Dieser dunkelbraune Kaftan, der sich bei der geringsten Berührung sicherlich in Staub verwandelt hätte; das lang in Strähnen über die Schultern fallende Haar, die Schuhe an den nackten braunen Füßen, — all das schien mit ihm verwachsen zu sein und seine eigentliche Natur auszumachen.
»Nicht nur für zwanzig, ich geb’ sie dir für fünfzehn, wenn du Wort hältst!« antwortete der Bursche, ohne seine prüfenden Augen von ihm abzuwenden.
»Für fünfzehn? — Gut! Paß auf und vergiß nicht: für fünfzehn! Hier hast du einen Blauen als Handgeld!«
»Und wenn du lügst?«
»Wenn ich lüge, ist das Handgeld wieder dein!«
»Gut! Also schlag ein!«
»Nun gut, ’s ist recht!«
6
Welch ein Malheur: da seh ich Roman kommen, der bringt mir gewiß Schlimmes, aber auch Sie, Herr Choma, kriegen was ab!
Aus einem kleinrussischen Schwank
»Hier, Afannassi Iwanowitsch! Da ist der Zaun etwas niedriger, steigt nur hinüber und habt keine Angst: mein Tölpel ist mit dem Gevatter zu den Wagen gegangen, um dort zu übernachten, damit die Moskowiter nichts stibitzen!«
So ermutigte Tscherewiks gestrenge Herrin freundlich den Popensohn, der sich ängstlich an den Zaun quetschte. Eilig kletterte er hinauf und hing lange und unschlüssig dort oben, wie ein hageres schreckliches Gespenst, mit den Augen abmessend, wo er wohl am besten abspringen könne; endlich plumpste er mit viel Lärm ins Gras.
»O jemine! Habt Ihr Euch nicht weh getan? Habt Ihr Euch nicht am Ende, was Gott verhüte, noch gar das Genick gebrochen?« jammerte Chiwrja besorgt.
»Pst! es ist nichts passiert, meine Liebe!« sprach der Popensohn schmerzbewegt im Flüsterton,