Gottes kleiner Partner. Leo Gold
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Als der Zugführer an der Endstation schließlich die Türen freigab, steigerte sich der Lärmpegel zum Höhepunkt. Johlend strömten die Schüler auf den Bahnsteig, indes die Berufspendler, die mit demselben Zug in gegensätzlicher Richtung zurück in die Großstadt fuhren, unruhig darauf warteten, ihre Lieblingsplätze zu besetzen.
Unweit des Bahnhofs war der Verband zusammen mit den Büros von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Arztpraxen in einem mehrstöckigen Haus untergebracht. Seine rund 100 Angestellten arbeiteten in den obersten drei Stockwerken, Etage acht bis zehn.
Ein Drittel der Fläche des zehnten Stockwerks umfassten die beiden Büros von Pfarrer Schatz und Direktor Saalfeld sowie die zwei Vorzimmer, in denen die Chefsekretärinnen arbeiteten. Dieser Bereich war mit dunkelblau getönten Glaswänden uneinsehbar abgegrenzt. Auf dem verbleibenden Raum der Etage verteilten sich die Büros der anderen Direktionsmitarbeiter, die durchsichtige Glaswände voneinander trennten. Diese wurden in der Schallschutzversion eingebaut, so dass die Mitarbeiter akustisch ungestört arbeiten konnten.
Damit sie zudem optisch unbehelligt blieben, entwickelten manche Mitarbeiter einen beachtlichen Einfallsreichtum: Sie stellten im richtigen Winkel Flipcharts auf, um die Bildschirmfläche von fremden Blicken zu schützen. Bücherregale hielten ihnen den Rücken frei, was ihre Konzentration erleichterte, weil es ihren Fluchtreflex beruhigte. Hochwachsende, buschige Pflanzen positionierten sie zweckdienlich. Oder sie befestigten Poster von Verbandskampagnen mit Tesafilm an den Glaswänden.
Allein in den drei Büros der Abteilungsleiter waren silberne Jalousien installiert, die heruntergelassen waren. Auf der rückwärtigen Seite des Aufzugs, der sich in der Mitte der Etage befand, lag die sogenannte ‚Insel‘. In ihr befanden sich eine Küchenzeile, ein Tisch mit sechs Stühlen und das Damen- wie Herren-WC, die einzigen zwei Räume des Stockwerks, deren Wände aus Betonbausteinen gemauert waren.
Der Aufzug stoppte. Von einer freundlichen Frauenstimme wurde Julius informiert, in welchem Stockwerk er angekommen war. Die Lifttüren öffneten sich und sogleich schaute Direktor Saalfelds Sekretärin Frau Wolkow Julius ins Gesicht, die ihn willkommen hieß.
Julius folgte ihrer Lockenmähne ins Vorzimmer, wo sie ihm ausrichtete, dass sich Direktor Saalfeld verspäten werde. Julius solle sich inzwischen einfach ins Büro setzen, sie bringe ihm gleich einen Kaffee.
Von seinem Platz konnte er auf die Kathedrale blicken. Auf der anderen Seite des Büros eröffnete sich der Blick durch eine breite Fensterfront über die Bischofsstadt. Aus dem schlichten, funktionalen Büromobiliar stach ein Humidor in einem der Bücherregale hinterm Schreibtisch hervor. Dort lagerten diverse Utensilien, die Direktor Saalfeld für die fachmännische Zubereitung der Zigarren benötigte. Sie ähnelten chirurgischem Werkzeug, mit dem es die richtigen Schnitte zu machen galt, um die Zigarren so zu präparieren, dass sie den vollen Geschmack entfalteten und den sorgenreichen Alltag Direktor Saalfelds zeitweise ausblendeten.
„Guten Morgen, Dr. Zey!“
Direktor Saalfeld kam mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Fahrradhelm in der Hand kurzatmig in sein Büro gelaufen.
„Ich nehm immer die Treppen, damit ich fit bleibe. Sie haben schon einen Kaffee. Fein! Ich geh mir noch eben die Hände waschen. Dann bin ich wieder bei Atem. Und wir können loslegen.“
Julius hörte, wie Direktor Saalfeld Frau Wolkow bat, Kaffee zu bringen. Bevor er wieder zurück war, hatte sie seinen Wunsch erfüllt. –
„Jetzt hab ich wieder genug Luft. Das ist der einzige Nachteil meiner Raucherei. Hat mit dem Zug alles geklappt?“
„Ja, vielen Dank.“
Aus seiner Tasche holte er eine Aktenmappe, auf der Julius Nachname stand. Er ging zu der Fensterfront, von der er über die Stadt blicken konnte, atmete tief durch und sagte:
„Was für ein schöner Morgen!“
Er setzte sich zu Julius, trank einen Schluck Kaffee und begann, ihm das Wesen und die Funktion der wichtigsten Gremien des Verbands zu erklären: Hierzu zählten neben dem Vorstand das Verbandskollegium sowie die Sektions- und die Bereichsleiterkonferenz.
An einem Flipchart skizzierte Direktor Saalfeld die Hierarchie und Beziehungen der Gremien zueinander. Der Vorstand, dem Fachausschüsse wie der Bauausschuss zugeordnet seien, bestehe aus zwei hauptamtlichen Mitgliedern, Pfarrer Schatz und ihm selbst, und zwei ehrenamtlichen Mitgliedern, Frau Weißbart und Herrn Göbbels.
Das Verbandskollegium trage die Funktion eines Aufsichtsrats. In ihm seien alle für die regionalen Verbände sowie für den Diözesanverband wesentlichen Entscheidungsträger vertreten. Auf ihm, der zwei Mal im Jahr tage, träfen sich der Vorstand des Diözesanverbandes, die Sektions- und alle Bereichsleiter sowie pro Regionalverband zwei haupt- und ehrenamtlich Delegierte.
Unterhalb der Direktion mit ihren drei Abteilungen (Presse, Sozialpolitische Grundsatzfragen, Bau) sei die Verbandsverwaltung in sechs Sektionen eingeteilt, denen jeweils ein Sektionsleiter vorstehe. Sie versammelten sich jeden Freitag auf der Sektionsleiterkonferenz (kurz: SLK). Julius könne einfach an das gleichnamige Cabrio von Daimler Benz denken, um sich die Abkürzung zu merken, riet ihm Direktor Saalfeld. Frau Eichhorn führe die ‚Sektion Wirtschaft‘, Herr Molitor die ‚Sektion Personal‘, Herr Sonnenzweig die ‚Sektion Fortbildung‘, Frau Larson die ‚Sektion Kinder- und Jugendhilfe‘, Herr Karstrop die ‚Sektion Familienhilfe‘ sowie Herr Dankmeier die ‚Sektion Alten- und Behindertenhilfe‘.
In der Bereichsleiterkonferenz (kurz: BLK) kämen alle zwei Monate die Bereichsleiter der Regionalverbände in die Bischofsstadt und tagten mit Pfarrer Schatz und ihm. Sie fungierten zwar als Geschäftsführer eigenständiger Verbände, die aber als kirchliche Verbände in die kirchliche Hierarchie eingebunden seien.
Direktor Saalfeld sah, dass Julius Mühe hatte, die Informationen zu verarbeiten.
„Am Anfang ist es ein Sprung ins kalte Wasser. Davor kann ich sie nicht schützen. Sie müssen schauen, wie sie mit der Flut an neuen Namen und Aufgaben zu Recht kommen. Am besten sie nehmen sich in den ersten zwei Monaten abends und am Wochenende nicht viel vor und nutzen auch ihre Freizeit, um mit den ganzen Aufgaben vertraut zu werden. Je zügiger sie sich einarbeiten, desto lieber kommen sie ins Büro.“
„Ja, wie sie sagen, je schneller ich mich auf die Umstände einlasse, umso eher kann ich mich orientieren“, versuchte Julius etwas Verbindliches zu sagen.
Direktor Saalfeld fuhr fort, nachdem er das erste Blatt des Flipcharts nach hinten umgeklappt hatte, Julius von den Verbänden zu erzählen, mit denen der Verband zusammenarbeite. Als Direktor Saalfeld sagte, seine Ausführung zur Kooperation mit anderen Verbänden sei lediglich zur allgemeinen Information, ließ Julius Aufmerksamkeit nach. Er legte seinen Stift auf sein Notizheft und schaute Direktor Saalfeld nur noch interessiert an.
Wie stark Direktor Saalfeld den Konventionen des Verbandes wie den Denk- und Sprachmustern seines Umfelds anhing, zeigte seine Präsentation. Von den vielen Fachbegriffen und Abkürzungen, die er benutzte, fühlte sich Julius überfordert. Und in der Kürze der Zeit konnte er die eigentümliche Sprache nicht entschlüsseln.
„Ich