Gottes kleiner Partner. Leo Gold
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Die Pressesprecherin Frau Eisler war eine zarte Person, dessen Haupthaar hinter den beiden großformatigen Bildschirmen auf ihrem Schreibtisch, auf dem sich Zeitungen, Broschüren, Plakate und verschiedene Werbematerialien stapelten, hervorschaute.
Interessiert schaute Frau Eisler Julius an, während Direktor Saalfeld freundliche Worte über ihn sagte. Seine Frage, ob sie Julius neben dem Verbandspressespiegel auch den der Bischöflichen Verwaltung weiterleiten könne, setzte sie einem Dilemma aus. Sie äußerte zunächst ihre Bedenken wegen des Datenschutzes. Es sei bereits eine Ausnahme, dass sie als Externe den Pressespiegel der Bischöflichen Verwaltung erhalte. Letztlich sagte sie aber doch zu, Julius täglich beide Pressespiegel per E-Mail zuzusenden.
Julius war froh, als er das Büro von Frau Eisler verließ. Eine weitere Hürde seines ersten Arbeitstags, das Kennenlernen der Kollegen, hatte er übersprungen. Direktor Saalfeld sagte ihm noch, dass er in drei Monaten beim ‚Plenum‘ die Möglichkeit habe, sich vor allen Mitarbeitern vorzustellen. Das ‚Plenum‘ sei eine halbjährliche Veranstaltung, bei der sich alle Kollegen der Verbandsverwaltung träfen und über gemeinsame Fragen berieten. Sie vereinbarten, dass sie sich am Mittwochmorgen in Direktor Saalfelds Büro wiedersehen würden, um über die wichtigsten aktuellen Aufgaben zu sprechen. Den Dienstag solle Julius nutzen, sich in die Ordner einzuarbeiten und sich mit dem status quo vertraut zu machen.
Julius schloss die Tür seines Arbeitszimmers. Wie bei Frau Eisler und Dr. Himmelstingel, die beiden anderen Abteilungsleiter der Direktion, waren die Jalousien blickdicht verschlossen.
Er ließ sich auf den Schreibtischstuhl sinken, das Fenster im Rücken, vor dem sich das Stadtpanorama ausbreitete. Die ohrenbetäubende Stille, die er in Herrn Liebigs Büro das erste Mal bewusst erlebt hatte, schützte nun seine Innen- vor der Außenwelt.
Julius musste an eine Fischart denken, die er bei seinem letzten Zoobesuch entdeckt hatte. Es handelte sich um den ‚Indischen Glasbarsch‘ (Parambassis ranga). Zum Zwecke der Tarnung entwickelten sich seine Vorfahren zu ‚unsichtbaren‘ Fischen. Seine Haut war durchsichtig. Die Fressfeinde konnten durch den gläsernen Körper hindurchsehen und bemerkten ihn (im Idealfall) nicht. Da Julius vom Indischen Glasbarsch zuvor nie gehört hatte, blieb er lange vor dem Aquarium stehen und beobachtete fasziniert ein Exemplar dieser Gattung. Als hätte es ihm seinen Wunsch von den Augen abgelesen, kam es mehrere Male an die Glasscheibe geschwommen und wandte sich ihm seitlich zu, so dass er das Rückenmark, die Gräten, die Kiemen, sowie kurz hinter den Augen sein pulsierendes Herz erkennen konnte. Der Indische Glasbarsch hörte nichts, genauso wie Julius. Der Indische Glasbarsch tarnte sich, um nicht gefressen zu werden, genauso wie Julius. Der Indische Glasbarsch wählte die Unsichtbarkeit als Tarnung, statt sich wie andere Fische durch Farben oder Muster ihrer Umwelt anzupassen. Vielleicht solle er sich nicht durch das Herunterlassen der Jalousien verbergen, dachte er, sondern wie der Indische Glasbarsch durch die Sichtbarkeit unsichtbar werden.
Im Anschluss an die Mittagspause hieß ihn Frau Niekisch willkommen. Sie leitete das Büro von Pfarrer Schatz. Augenscheinlich liebte sie das Solarium oder reiste häufig in Länder, wo die Sonne häufiger schien als in Deutschland und ihre Haut auf natürliche Weise bräunte.
Frau Niekisch öffnete sich im Lauf des Gesprächs und vertraute Julius die wichtigsten Stationen ihrer Biographie an. Julius wunderte sich, dass sie, ohne auf die Zeit zu achten, lebhaft von sich erzählte. Die Uhrzeit, zu der der Termin mit Pfarrer Schatz hätte beginnen sollen, war überschritten. Vielleicht sei er noch nicht in seinem Büro und komme später, überlegte Julius. Und so hörte er Frau Niekischs Geschichte weiter zu.
Als diese in der Gegenwart angekommen war, sagte sie, Pfarrer Schatz lasse sich entschuldigen. Er werde bei einem Termin festgehalten, wolle aber am Mittwoch zu dem Gespräch mit Direktor Saalfeld hinzukommen.
„Jetzt haben sie ja noch etwas Zeit, bis zu ihrem nächsten Termin“, stellte Frau Niekisch fest, „erzählen sie doch etwas über sich. Sie wirken auf den ersten Blick ganz sympathisch!“
Frau Niekisch hatte also Zugriff auf Julius Kalender. Bereits bei seinem alten Arbeitgeber mochte er diese technische Einrichtung nicht.
„Bevor ich’s vergesse“, sagte Frau Niekisch, „nach dem Treffen mit den Mitarbeitern ihrer Abteilung kommt um 16 Uhr noch Herr Wardorf zu ihnen. Herr Wardorf ist der Leiter der EDV-Abteilung. Er wird ihnen eine Einführung in den Computer geben.“
Julius hoffte, dass dies der letzte Termin an seinem ersten Arbeitstag sein würde. Dann erzählte er Frau Niekisch von sich, wobei sie ihn milde anschaute.
Unsicher, ob er Frau Niekisch zu viel von sich preisgegeben hatte, ging er zu Herrn Liebig, der ihn bereits erwartete. Zusammen liefen sie in die neunte Etage zu Herrn Molitors Büro, sprachen auf dem Weg dorthin über dies und jenes, doch Julius Versuch, herauszufinden, weshalb sie sich in dieser Konstellation trafen, blieb erfolglos.
Herr Molitor besaß eine athletische Statur. Sein kurz geschnittenes schwarzes Haar saß so perfekt wie sein Anzug, sein weißes Oberhemd und die rote Krawatte. Der dichte Vollbart, in dem sich sichtbar die grauen Barthaare mehrten, wie seine kräftige Stimme bildeten äußere Zeichen seiner Männlichkeit. Stand er bei einer Unterhaltung nicht im Mittelpunkt, wie bei Julius erstem Vorstellungsgespräch, starrte er, den Kopf ein wenig nach rechts gelegt, auf einen unsichtbaren Punkt.
Dieses Treffen führte Herr Molitor dagegen unbestritten. Nachdem seine Sekretärin Tee und Kaffee gebracht und das Büro wieder verlassen hatte, weihte er Julius in den Grund für die Besprechung ein:
„Sie werden sich gefragt haben, warum wir uns mit ihnen gleich am ersten Arbeitstag treffen möchten. Es handelt sich um eine schwierige Personalie. Der Bauzeichner ihrer Abteilung, Herr Schuhmacher, ist wegen einer ominösen Erkrankung öfters krankgeschrieben als er uns zur Verfügung steht. In 2010 hat er bis auf wenige Wochen das ganze Jahr gefehlt. Darum mussten Herr Liebig und ihre Sekretärin Frau Maus alle anfallenden Arbeiten alleine erledigen. Das Problem ist nicht, dass jemand krank ist. Unser Verdacht hat sich aber erhärtet, dass Herr Schuhmacher ein vages Krankheitsbild vorschiebt.
Als Ursache vermuten wir schlicht Unzufriedenheit. Er macht seine Arbeit ungern, will sich aber auch nicht woanders einen Arbeitsplatz suchen. Folglich: Auch wenn er nicht krankgeschrieben ist, sind seine Arbeitsergebnisse ungenügend. Zudem ist er, lassen sie es mich salopp formulieren, bockig, uneinsichtig. In mehreren Gesprächen mit ihm konnten wir wenigstens erreichen, dass er in drei Jahren in Altersteilzeit geht. Aber bis dahin müssen wir mit Herrn Schuhmacher leben. Den einzigen Weg, diese Phase zu überstehen, ist eine ‚enge‘ Führung.“
Auch von Schulz & Adler kannte Julius Kollegen, die ihren Beruf ungern ausübten. Sie schleppten sich von Tag zu Tag zur Arbeit. Julius fand es gut, dass ihm Herr Molitor von den Schwierigkeiten mit Herrn Schuhmacher berichtete. Ob das aber gleich am ersten Arbeitstag hätte sein müssen, wusste er nicht.
„Stellen sie ihre Sicht der Dinge doch bitte auch mal dar, Herr Liebig! Dann kann sich Dr. Zey einen besseren Überblick über die Situation verschaffen.“
Herr Liebig hatte während Herrn Molitors Ausführungen still durch seine kreisrunden Brillengläser geschaut. Dabei war er allmählich auf der Sitzfläche seines Stuhles mit dem Gesäß nach vorn gerutscht, während sich sein Rücken an der Lehne nach unten schob. Direkt von Herrn Molitor angesprochen richtete sich Herr Liebig auf und schilderte die Problematik:
„Ich kann dem, was sie gesagt haben,