Indienfahrt 1965. Klaus Heitmann

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Indienfahrt 1965 - Klaus Heitmann

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um unser Gepäck gingen wir in zwei Etappen zum Essen. In der Stadt zu schlafen, kam unter diesen Umständen nicht in Frage. Auf der Suche nach einem Schlafplatz fuhren wir daher den Bosporus hinauf, wo wir die freundliche Seite der Stadt fanden - bunt erleuchtete Cafés und Teehäuser, in denen sich an diesem Samstag Abend die Einheimischen drängten, traumhafte versteckte Lokale in alttürkischem Stil und allenthalben bengalische Beleuchtung. Hinter der Festung von Rumeli Hisari bogen wir in die Berge ab und ließen uns dort nieder.

      8

      Morgens fuhren wir zurück in die Stadt, wo es, da Sonntag war, sehr ruhig zuging. Nur Geldwechsler umschwärmten uns in großen Mengen. Istanbul strahlte in der Morgensonne. Wir besuchten die blaue Moschee, mit ihren prachtvollen Fenstern und die Hagia Sophia, von der man nichts anderes als tief beeindruckt sein kann. Aus Edirne kommend wurde natürlich besonders augenfällig, woher Sinan seine architektonischen Grundideen bezog. Nach diesem Kurzprogramm drängten die Eiligen unter uns schon auf Abfahrt. Von der Fähre, die uns über den Bosporus brachte, hatten wir noch einmal einen herrlichen Blick auf das einmalige Panorama der Stadt. Ich kam nah meinem Besuch vor zwei Jahren ein weiteres Mal zu dem Schluss, dass sie, zumal aus dieser Sicht, wohl die schönste und im Übrigen wegen des Schnittpunktes von drei Kulturen auch die interessanteste Stadt der Welt sei, die Welt, die ich freilich noch kennen lernen wollte. Außerdem bekräftigte ich meinen Vorsatz, dorthin meine Hochzeitsreise zu machen (was ich fünf Jahre später dann auch tat).

      Dann endlich Asien. Bald hatten wir die Ausläufer von Istanbul, hauptsächlich schmutzige Industriebetriebe, hinter uns gelassen. Wunderbare Blicke eröffneten sich auf eine Bucht des Marmarameers. Im Sonnenuntergang ging es schließlich über eine kurvenreiche Strasse auf die anatolische Hochebene hinauf. Wir aßen im Gasthaus eines kleinen Dorfes und suchten uns in der Nähe einen Schlafplatz, wo zufällig auch ein Brunnen war. Die Nacht war außerordentlich kühl. Über uns funkelte ein Sternenhimmel, wie man ihn bei uns nicht zu sehen bekommt.

      9

      Strahlende Sonne weckte uns in aller Frühe. Um halb sechs Uhr waren wir schon auf dem Weg nach Ankara. Die Landschaft war unendlich weit und leer und völlig ausgetrocknet. In Ankara, wo wir am späten Vormittag ankamen, steuerten wir als erstes die VW-Werkstatt an, um unseren Wagen inspizieren zu lassen. Der Schock von Belgrad hatte uns klar gemacht, wie sehr unser Projekt vom Wohl und Wehe unseres Fahrzeuges abhängt, weswegen wir ihm jede Pflege zukommen lassen wollten. Als wir den Wagen frohgemut ob unserer Fürsorglichkeit am Nachmittag wieder abholen wollten, traf uns die nächste automobilistische Hiobsbotschaft. Der Werkstatt-Meister verkündete, dass die Kompression auf dem Zylinder, der in Belgrad ausgewechselt worden war, sehr schlecht sei. Der Motor müsse wieder ausgebaut und möglicherweise müssten alle vier Zylinder ausgewechselt werden. Offenbar hatten wir in der Absicht, den finanziellen Schaden in Belgrad durch Einbau eines gebrauchten Zylinders zu minimieren, einen richtig großen Schaden programmiert. Die Reparatur, so sagte man uns, könne erst am nächsten Tag begonnen werden. Das Abenteuer unserer Indienreise bestand also schon wieder in einem längeren Aufenthalt in einer VW-Werkstatt. Den Nachmittag verbrachten wir mit Lesen und Schreiben in der Idylle des Industriegebietes, in dem die Werkstatt lag. Ich verfasste einen ersten Artikel für die Mainzer Allgemeine Zeitung, die Interesse an einer Berichterstattung über unsere Reise bekundet hatte. Darin erwähnte ich - mit der nötigen Subtilität, wie ich meinte - dass man in Ankara vergeblich das berühmteste Produkt der Stadt Mainz suche und stattdessen Wasser verwende. Gemeint war Hakles Klopapier, was damals für mich das bekannteste Industrieprodukt der Stadt war. Meine feine Anspielung wurde, wie ich später erfuhr, von der Redaktion, nicht verstanden, weswegen sie den Text ergänzte und schrieb, man suche hier vergeblich den Wein, für den Mainz auch eine gewisse Bekanntheit hatte. Das hatte prompt einen auch veröffentlichten Leserbrief eines Ankarakenners zur Folge, der darauf hinwies, dass er auf den Hügeln um die Stadt sehr wohl viele Weinberge gesehen habe. Künstlerpech!

      Abends gingen wir in den Kültür-Park, wie die Türken die populären Vergnügungsparks nennen, welche sich in unterschiedlicher Größe in allen Städten finden. Der Kültür-Park der Hauptstadt war natürlich besonders groß. Wir vertrieben uns die Zeit mit Geschicklichkeits- und Kraftspielen und fuhren mit einem riesigen Kettenkarussell, all das zu Preisen, die für uns außerordentlich attraktiv waren. Spannend wurde es beim Tischfußballspiel. Die Türken merkten bald, dass ich eine gewisse Übung darin hatte, und forderten mich immer wieder zu einem Match auf. Ein Jurastudent zeigte uns ein billiges Restaurant, wo wir aßen. Er blieb den Rest des Abends bei uns. Ihm war sehr daran gelegen, das vermutete Vorurteil auszulöschen, dass die Türken Barbaren seien. Offensichtlich hatte er die Diskussion schon öfter geführt. Er hatte alle möglichen Argumente für seinen Standpunkt gesammelt und trug sie rhetorisch geschickt vor. Die Deutschen, meinte er im Übrigen, seien den Türken am liebsten, vor allem, weil sie in den beiden Weltkriegen zusammengehalten hätten, ein Gesichtspunkt, der einem kriegsschuldbewussten Deutschen merkwürdig anmutete. Der junge Mann wollte uns am nächsten Morgen unbedingt in der Werkstatt besuchen. Zum Schlafen fuhren wir zurück zu unserem „Heim“. Wir schlugen unser Freiluftlager im Schutze unseres Wagens auf dem Platz direkt vor der Werkstatt auf.

      10

      Morgens war großes Reinemachen angesagt. Der junge Türke kam tatsächlich und sah etwas ratlos zu, wie wir unser gesamtes Gepäck ausräumten und neu ordneten. Zwei Bremer kamen in die Werkstatt, die mit einem alten VW-Käfer ebenfalls nach Indien unterwegs waren. Wir unterhielten uns mit ihnen über das, was sie erlebt hatten und was noch zu erwarten war. Große Überraschungen waren ihnen bisher erspart worden. Nach der Neuordnung des Wagens kam die körperliche Generalreinigung dran. Ich fuhr mit Franz und Werner zu einem Schwimmbad etwas außerhalb der Stadt. Es war in der Form des Schwarzen Meeres angelegt und offenbar für Menschen gedacht, die in anderen Vermögensverhältnissen lebten als die Besucher des Kültürparkes. Selbst für uns war es sehr teuer. Das Wasser war zwar ein wenig grün, aber ansonsten sauber. Auch die Möglichkeit einer psycho-sozialen Bereinigung deutete sich an. Es stellte sich heraus, dass diese Hälfte der Mannschaft recht gut miteinander auskommen müsste. Wir unterhielten uns prächtig. Am späten Nachmittag war der Wagen schließlich fertig. Finanziell war das Schlimmste nicht eingetreten, sodass wir relativ guter Dinge losfuhren. Fünfzig Kilometer hinter Ankara merkten wir aber, dass wir die Autopapiere in der Werkstatt vergessen hatten. Franz, der gerade am Steuer saß, beschloss, impulsiv wie er war, sofort mit Werner zurück nach Ankara zu fahren. Der Rest der Mannschaft sollte an Ort und Stelle warten. Vor lauter Aufregung nahm er sich nicht die Zeit, eine brauchbare Wiedervereinigungsregelung für den Fall zu finden, dass er, was er hoffte, die Papiere noch am gleichen Abend erhalten und zurückfahren konnte. Da wir uns an keiner Stelle befanden, die man bei Nacht leicht hätte wiederfinden können, meinte er, wir sollten nach etwa eineinhalb Stunden jedes Auto mit der Taschenlampe anblinken. Die Regelung war nicht eben praktikabel. Wir blinkten stundenlang und vergeblich. Franz und Werner kamen nicht zurück. Unser Lager schlugen wir daraufhin nach einer kleinen Wanderung bei einem einsamen Teehaus auf, das an einem kleinen Brunnen stand. Da es sehr windig war und zu regnen drohte, bot man uns an, unsere Würstchen in der Teestube heiß zu machen und dort auch unser Essen einzunehmen. Straßenarbeiter beobachteten uns wohlwollend und versuchten uns zu helfen, wo es nur ging. Ein Schaf kam hinzu und lief ungeniert durch die Menge. Ein paar Jungen wollten unbedingt, dass wir bei ihnen zu Hause schliefen. Nachts, so meinten sie, könnten Hunde kommen und uns angreifen. Die Arbeiter versicherten uns jedoch, dass es ungefährlich sei. In der Nacht kam dann tatsächlich ein großer Hund und jagte mir einen großen Schrecken ein. Er wollte gar nicht mehr aufhören zu bellen, bis ich ihm, was ich bei meiner früheren Türkeireise von Hirtenjungen gelernt hatte, mit ein paar Steinen bewarf, worauf er schleunigst das Weite suchte.

      11

      Gegen zehn Uhr morgens trafen Franz und Werner mit

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