Indienfahrt 1965. Klaus Heitmann
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Die Frage war, wo wir die Nacht verbringen konnten. Angesichts der erheblichen Kühle - wir waren hoch in den Bergen - verbot es sich im Freien zu schlafen. Man fragte ein paar Straßenarbeiter, die gerade beim Gebet waren. Sie räumten uns bereitwillig Platz in ihrem Verschlag ein. Dies war allerdings mit einer Luftqualität verbunden, die mich veranlasste die Nacht unter einem Vordach und dick eingehüllt dann doch im Freien zu verbringen.
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Vikram schraubte schon ab 5 Uhr an unserem Motor herum. Um 7 Uhr hatte er ihn so weit, dass er sich nicht mehr bewegte. Ein Pakistani kam vorbei, der ein Automechaniker zu sein schien. Jedenfalls brachte er den Wagen nach etwa einer Stunde wieder in Gang. Er meinte aber, dass man den Motor in Erzerum noch einmal überprüfen müsse. Im Übrigen berichtete er, dass er jedes Jahr einmal alleine mit dem Auto von Pakistan nach Deutschland und zurück fahre. Dies gab uns die langsam schwindende Hoffnung zurück, dass wir es wenigstens ein Mal schaffen könnten. Zur Schonung unseres Motors nahm der Pakistani bis Erzerum drei Mann von uns in seinem Wagen mit. Es erwies sich, dass er ein rechter Draufgänger war. Die türkischen Fahrer erschienen geradezu sediert gegen ihn. In Erzerum wimmelte es nur so vor Autospezialisten. Jeder, der an der Tankstelle vorbeikam, an der wir angehalten hatten, behauptete ein ausgebildeter Automechaniker zu sein. Alle wussten sofort, welches Problem wir hatten, aber keiner konnte es lösen. Zum ersten Mal fragte ich mich ernsthaft, warum zum Teufel ich mich in der Osttürkei herumtreibe, während ich mir im sicheren Europa ein schönes Leben machen könnte. Mich plagten erhebliche Zweifel, ob dieses Unternehmen noch zu einem guten Abschluss kommen würde. Ich verließ die Tankstelle, wo alle möglichen Spezialisten am Auto herumschraubten, und ging in die Stadt, wo mich ein Junge ansprach, den ich fragte, ob er jemand kenne, der einen VW-Motor reparieren könne. Auch er hatte einen Mechaniker parat, der allerdings ein paar Kilometer außerhalb wohnen sollte. Da man in der Not des Ertrinkens jeden Strohhalm ergreift, fuhren wir mit dem Jungen zu dem Mann. Wir merkten aber bald, dass er ziellos herumsuchte und verabschiedeten uns von ihm, bevor er weiteren Schaden anrichten konnte.
Da der Wagen immerhin lief, entschlossen wir uns weiterzufahren. Sehr wohl war uns dabei allerdings nicht. Die Landschaft aber leuchtete in allen möglichen Farben in der Sommersonne. Als wieder ein hoher Pass kam, hielten wir einen Lastwagen an, auf dem hoch oben auf der Ladung schon eine Menge Leute saßen. Man war aber sehr zuvorkommend und fand noch Platz für unsere Abordnung. Wir fuhren hinter dem Lastwagen her, der bedenklich schwankend den Pass hinaufkeuchte. Die Sonne ging gerade unter und tauchte die Landschaft in ein zauberhaftes Licht. Wenn der Lastwagen anhielt, stiegen einige Leute aus und verrichteten ihr Abendgebet in Richtung Mekka. Nach und nach stiegen dann alle aus. Als die Sonne untergegangen war, blieben wir als die letzten Mitfahrer übrig. Wir saßen hinten auf dem heruntergeklappten Abschlussbrett der Ladefläche, wo der Auspuff unsere Füße wärmte, und betrachteten den herrlichen Sternhimmel. Mühelos ließen sich die Sternbilder erkennen. Kein Wunder, dachte ich, dass in diesen Breiten Astronomie und Astrologie groß geworden sind. An einem kleinen Gasthaus, das zwischen zwei Pässen lag, hielten wir an, um zu essen. Ein türkischer Kumpel aus Oberhausen lud uns ein und bezahlte für drei von uns. Zwei Pakistaner trafen ein, mit denen wir uns sehr gut unterhielten. Da Inder und Pakistani nicht unbedingt gut aufeinander zu sprechen waren, gaben sich unsere beiden Inder, die beide Urdu konnten, als Pakistani aus. Dies führte im Laufe des Abends naturgemäß zu merkwürdigen Situationen. Bevor sich die Sache zuspitzte, suchten wir das Weite, das aber in einem Pass von 2500 Meter Höhe bestand. Erstaunlicherweise bestand unser Gefährt die Herausforderung. Kurz danach legten wir uns an einem kleinen schmutzigen Bach zur Nachtruhe.
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Bei Tageslicht fand sich an dem schmutzigen Bach ganz für uns eine saubere Quelle, in der wir uns sehr erfrischend waschen konnten. Ein Dolmus, das türkische Sammeltaxi, mit fröhlichen Kindern hielt an, die uns beim Packen zuschauten. Dann ging es in Richtung Grenze. Weit in der Ferne hob sich der schneebedeckte Berg Ararat ganz unvermittelt aus der endlosen Hochebene heraus. Während wir uns näherten, wuchs er langsam zu immer imposanterer Höhe, um schließlich wie ein Riese vor uns aufzuragen. Kein Wunder, dass man gedacht hat, Noa sei mit seiner Arche hier gelandet. Die Vorstellung, das Wasser habe einmal bis zu seinem mehr als 5000 Meter hohen Gipfel gereicht, war allerdings abenteuerlich. Noa dürfte auch einige Probleme gehabt haben, mit all seinen Tieren von dort wieder herunter zu kommen.
An der Grenze ging es außerordentlich umständlich zu. Von Reisenden, die hier festsaßen, hörten wir so viel Schlechtes über Persien, dass uns die Lust am Weiterfahren fast verging. Im Land herrschte eine Cholera-Epidemie, was mit schwer kalkulierbaren Reiseerschwernissen verbunden war. Wer keinen Impfpass dabei hatte, musste an der Grenze erst einige Tage lang Tabletten nehmen. Auch unsere Impfpässe wurden bemängelt, weil nicht jede Impfung mit einem extra Stempel versehen war. Dann kam auch noch ein Sandsturm auf, der den Himmel verdunkelte. Zu unserer Erleichterung ließ man uns schließlich weiterfahren, bedeutete uns aber, dass wir spätestens hinter Teheran, wo ein Sperrgebiet beginne, mit unseren Impfpässen Schwierigkeiten bekommen könnten.
Die Strasse verlor sich schon bald in völlig unwegsamem Gebiet. Sie schlängelte sich in engen Kurven durch wüstenhaft ödes Gelände, das von keiner Menschenseele bewohnt war. Sie wurde auch immer schlechter und war schließlich nur noch ein Weg, der unbefestigt durch Berge, Täler und Bachbetten verlief. Unser Motor benahm sich auffällig und zog mal gut und mal schlecht, weswegen wir etliche Pausen machten. Schließlich zeigten sich einige Dörfer, deren Häuser ganz aus Lehm gebaut und deren Gärten ebenfalls von langen Lehmmauern umzogen waren. In einem kleinen Nest tankten wir. Die lokale Tankstelle, die sich in einem Hof befand, verkaufte uns Benzin aus Büchsen, das, aber, wie wir bald feststellen mussten, sehr schlecht war. Voreingenommen wie wir seit der Grenze waren, erschienen uns die Menschen nicht sehr sympathisch. Einen Pass überquerte ein Teil der Mannschaft wieder mit einem Jeep. Dessen Fahrer fügte den möglichen Ursachen für unser Motorproblem eine weitere Variante hinzu. Er meinte, dass es etwas mit dem Dynamo zu tun habe. In der Kleinstadt Koyh suchten wir wieder einmal eine Autowerkstatt auf, mussten aber bald feststellen, dass man wenig Ahnung hatte und nur daran interessiert schien, an uns etwas zu verdienen. Ein Amerikaner, der im Peace Corps seines Landes tätig war, riet uns unbedingt nach Täbris weiterzufahren, da hier nur gepfuscht werde. Wir fuhren denn auch weiter und ließen uns, da es Dunkel wurde, in einem Bachtal nieder, wo uns in der Nacht die Mücken plagten.
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Bauern diskutierten früh morgens in unserer Nähe und weckten uns auf. Wir machten uns fertig und folgten der Strasse nach Täbris, die weiterhin verheerend war. Dann aber geschah ein straßenbautechnisches Wunder. Ohne dass dafür ein Anlass ersichtlich war, fing plötzlich eine wohl gebaute neue Straße an. Unsere Stimmung, die inzwischen wesentlich in Korrelation zum Zustand der Straße verlief, stieg augenblicklich. Wir waren aber noch keine fünf Kilometer gefahren, als unser Bukephalus heftig bockte. Kurz darauf stellte der Motor des Wagens seine Tätigkeit mit ähnlichen Symptomen