Älter werden. Rolf W. Meyer
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Als wichtigste neurologische Veränderung im Zusammenhang mit dem Altern ist eine nachlassende Gedächtnisfunktion hervorzuheben. Weiterhin produziert das Hormonsystem weniger Hormone. Der Verdauungstrakt reduziert die Sekretion von Verdauungsenzymen, so dass die Verwertung von Nährstoffen, wie auch die Peristaltik des Darms, nachlässt. Aber nicht nur diese organspezifischen Veränderungen sind Indikatoren für das Altern, sondern auch der Verlust von Strukturproteinen, der sich als Verlust von Muskelmasse, Bindegewebe und Unterhautfettgewebe bemerkbar macht. [26]
Veränderungen der Fähigkeiten, die das Wahrnehmen betreffen
Kognitiv-mentale Fähigkeiten zur Verarbeitung von Informationen sind unausweichlich mit dem Erleben und dem Verhalten von Menschen verbunden. Man geht davon aus, dass die unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten von unterschiedlichen Alternsprozessen abhängig sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass die kristalline Intelligenz (Darunter versteht man das Faktenwissen, das sich Menschen im Laufe ihres Lebens aneignen.) bis in das zunehmende Alter stabil bleibt oder sich sogar weiterentwickelt.
Bei der fluiden Intelligenz (Darunter versteht man die Fähigkeit, logisch zu denken und Probleme zu lösen, wobei fluides Denken induktives und deduktives Denken beinhaltet.) ist mit zunehmendem Alter ein Abbau zu beobachten.
In der nachfolgenden Übersicht soll dargestellt werden, welche Veränderungen in dem die Erkenntnis betreffenden (kognitiven) Bereich auftreten können:
Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung: Nachlassende Aufnahme- und Verarbeitungsgeschwindigkeit (Zunahme der Verzögerungen in der Encodierung und Verarbeitung der Information und in der Selektion einer Reaktion); abnehmende Informationsverarbeitungskapazität (Abnahme der Menge an Information, die gleichzeitig aufgenommen und verarbeitet werden kann.)
Reaktion: Nachlassende Reaktionsgeschwindigkeit bereits ab dem 20. Lebensjahr durch abnehmende Geschwindigkeit bei der Übertragung von Nervenimpulsen und der Informationsverarbeitung. Erhöhte Störempfindlichkeit bei Reizüberflutung, Ablenkungen und Irritationen.
Koordination: Das gleichzeitige oder schnelle hintereinander Verrichten von Aufgaben fällt zunehmend schwer aufgrund verminderten Informationsverarbeitungskapazität und Reaktionsgeschwindigkeit. Nachlassendes Kurzzeitgedächtnis (KZG) sowie Langzeitgedächtnis (LZG), etwa bei episodischer Erinnerung, semantischer Erinnerung (z.B. Namen).
Gedächtnisleistung: Weniger effiziente und spontane Nutzung von Mnemotechniken (z.B. „Eselsbrücken“). Langsamere und ineffektivere Dekodierungsprozesse (Längere Dauer, Informationen aus dem Gedächtnis zu holen, Zunahme der Störungsanfälligkeit durch Ablenkung und Unterbrechungen).
Lernen: Längere Lernzeiten durch Verlangsamung der Informationsverarbeitung, einmal Gelerntes kann aber genauso gut behalten werden wie bei Jüngeren. Abnehmende Lernfähigkeit bei bestimmten Lerninhalten: Größere Schwierigkeiten beim Erlernen neuer Schemata, die nicht auf existierendes Wissen aufbauen oder der Erwartung entsprechen, als bei Jüngeren. [27]
Was kann den Alterungsprozess verlangsamen?
Faktoren wie etwa Genetik, Ernährung, Stressbelastung sowie gute physiologische und mentale Gesamtverfassung können den Alterungsprozess verzögern. Durch genetische Faktoren ist eine Obergrenze der kognitiven Leistungsfähigkeit definiert.
Noch einmal zur Erinnerung: Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen ermöglichen ihm, Signale aus der Umwelt wahrzunehmen und zu verarbeiten, wobei Kognition immer und überall stattfindet.
Die Epigenetik bietet interessanterweise Möglichkeiten, den genetisch festgesetzten Rahmen bestmöglich zu nutzen. Wissenschaftlich belegt ist, dass durch gezieltes geistiges Training („Gehirnjogging“) sowie körperliche Bewegung sich auch im Alter kognitive Leistungsreserven mobilisieren lassen.
Bemerkenswert: Die Epigenetik ist das Fachgebiet der Biologie, das sich mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle festlegen.
Entsprechend einer im Jahr 2010 veröffentlichten US-Studie zur Weisheit im Alter nimmt unabhängig von der kognitiven Leistungsfähigkeit „Altersweisheit“ tatsächlich im Alter zu. [28]
Wissenswert: Bei der Altersweisheit nimmt man an, dass ältere Menschen aufgrund zunehmender Lebenserfahrung in einigen kognitiven Bereichen besser werden. Hinzu kommt, dass mit dem Alter die kristalline Intelligenz ansteigt. Außerdem beziehen sich ältere Menschen häufiger auf globalere Argumentationsmuster, die vielfältige Perspektiven verlangen und Kompromisse fördern können.
Kann der Alterungsprozess aufgehalten werden?
Viele Menschen haben den Wunsch: „Für immer jung bleiben und niemals sterben.“ Verständlich ist, dass die Forschung, die sich mit dem Alterungsprozess beschäftigt, intensiviert wird. Noch ist es ihr allerdings nicht gelungen (Stand 2021), die biologisch-physikalischen Mechanismen, die mit dem Alterungsprozess in Verbindung stehen, vollständig zu entschlüsseln, um sie dementsprechend auch verlangsamen oder sogar stoppen zu können. Dennoch haben Wissenschaftler bereits einige Erkenntnisse gewonnen, die das Altern betreffen. In Verbindung damit haben sie auch Maßnahmen ausfindig gemacht, um den Prozess Altern positiv zu beeinflussen.
Erkannt hat die Wissenschaft, dass beim Prozess des Alterns die sogenannten „Telomere“ eine Schlüsselrolle einnehmen. Bei diesen Gebilden handelt es sich um die Enden von Chromosomen (Träger der Erbanlagen). Die Funktion der Telomere: Sie schützen Chromosomen vor einem Angriff durch Nucleasen (Dies sind Enzyme, die Nucleinsäuren zu Nucleotiden abbauen.) und verhindern außerdem, dass sich zwei Chromosomen miteinander verbinden.
Im Zusammenhang mit der Zellteilung wird immer wieder die DNA („Deoxyribonucleic Acid“, Desoxyribonucleinsäure, Träger der genetischen Information) kopiert. Jedoch geht jedes Mal bei der Zellteilung ein Stück von den Telomeren verloren. Sind die Telomeren irgendwann zu kurz, kommt es bei der Zellteilung vermehrt zu Störungen bei dem Kopiervorgang der DNA. Dadurch tritt ein Verlust an Erbinformationen ein. Dies kann ein Auslöser für den Alterungsprozess sein, wie er bei jedem Menschen früher oder später zu beobachten ist. Daraus lässt sich ableiten, dass die Alterung später eintritt und langsamer voranschreitet, je länger noch diese Telomere sind.
Bemerkenswert ist die wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass wichtiger als die Rolle des Erbguts die Lebensweise der betreffenden Person ist, wenn es um den Alterungsprozess geht. So lässt sich in Untersuchungen belegen, dass auf den Zellteilungsprozess beispielsweise durch Rauchen, eine schlechte Ernährung, einen Bewegungsmangel oder durch weitere ungesunde Angewohnheiten Einfluss genommen werden kann. Das wiederum bedeutet, dass jeder Mensch Maßnahmen ergreifen kann (Bildung vorausgesetzt!), um langsamer und gesünder zu altern.
Welche Maßnahmen helfen, um eigenaktiv dem Alterungsprozess entgegenzuwirken? Es sind Bewegung, Meditation, mediterrane Ernährung und Sonnenschutz. Der zuletzt genannte Faktor betrifft besonders hellhäutige Mitmenschen. [29]
B. Erlebnis Älterwerden – Herausforderungen im Alltag
Johanna Altgedient: „Wie kann ich zuversichtlich bleiben?“
Der zweiundachtzigjährigen Rentnerin Johanna Altgedient wird mit jedem neuen Tag in ihrem Leben immer wieder bewusst, dass mit