Am Hof Karls des Großen. Felix Dahn
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Und sein Geist! Er hat mich gewürdigt der Aufnahme in den Kreis von weisen Meistern, die seinen Hof zu einer hohen Schule machen. Hier lerne ich von dem ernsten Angelsachsen Alkuin, von dem wir ja alle zu lernen haben, hier traf ich den Landsmann Petrus von Pisa, hier den edlen Goten, den schönheitdurstigen und schönheitspendenden Theodulf von Orleans. Und mit so vielen andern noch darf ich Unwürdiger wie mit meinesgleichen verkehren! Und ganz wie einer von uns lebt und forscht und tafelt und scherzt mit uns auch der mächtigste Herrscher des Abendlands, er neckt und läßt sich necken in Prosa und Gedicht, der ›David‹ dieser Tafelrunde, wie wir ihn, jeden Titel und Hofzwang meidend, nennen müssen: wie Alkuin Horatius Flaccus ist Angilbert, des Herrschers vertrautester Rat, Homer und der junge liebenswerte Einhart – auch manche Jungfrau des Hofes findet ihn so! – heißt gar Beleseel nach dem kunstreichen Baumeister der Stiftshütte, weil der Kluge, Feine gar kunstverständig ist in allerlei Bauwerk. Der ist mir von allen der Liebste, meiner Seele der Nächste geworden.
›Wie sie wohl meinen Paulus getauft haben?‹ forscht hier mein neugierig Brüderlein. Ei seltsam genug! Am dritten Abend unsrer Tafelrunde stieß sich Freund Einhart an dem einzigen ›Ungetauften‹ in dem Kreis und bat Herrn Karl, mir einen Namen zu wählen: der sah mir ernsthaft ins Gesicht, dann lächelte er: ›nun reichlich – reichlicher als mit Fett und Muskeln! – hat ihn der Schöpfer bedacht mit der Nase. »Ovidius Naso« wollen wir ihn nennen.‹
Alle stimmten laut lachend bei und Einhart meinte: ›Aber die ars amandi müßte er wohl erst lernen, um sie zu lehren.‹ Da lachten sie alle noch lärmender. Ich aber schwieg und dachte: ist das eine Kunst? Ich meine, lieben ist nicht eine Kunst, ist eine Notwendigkeit, ein Herzenszwang. Könnte ich euch, ihr in dem Herrn Geliebten, auch nicht lieben? Ich muß, ob ich will, ob nicht! – Nicht müde wird der Herrscher bis in die späte Nacht, uns zu fragen, sich zu belehren. Und mich hat er – die hohe Fürstin hat beschämend richtig geweissagt! – gar bald tief in sein großes Herz geschlossen: auch wenn es nicht Freund Einhart und dessen gar eifrige Schülerin, die schöne Königstochter Emma, versicherten, – ich merke es mit glückseligem Dank täglich an allerlei Dingen und Worten im Ernst und Scherz.
Gestern bei der Abendtafel lobte ich die persischen Äpfel, die ihm der heilige Vater als Geschenk gesandt aus seinem Garten am Tiber: als ich spät Nachts heim komme in mein Hospitiolum neben dem Palast, finde ich sechs der schönsten mit einem Zettel: ›sie seien nicht geschenkt, verkauft, je um vier Verszeilen, und beim Frühmahl müsse ich die fertig vorlesen‹. Da galt es fleißig dichten bis zur Hahnenkraht, denn Theodulf und Angilbert dichten schön, aber richten scharf. Nun, sie waren alle zufrieden, – Die hohe Fürstin gedenkt vielleicht noch der Verse, die sie mir zuweilen auftrug in Pavia: – ach, die waren doch viel besser. Wie oft gedenk ich mit Heimweh der Seele der schönen Tage am Tessin!
Dieser Brief wird, ich merk' es, ein ganzes Tagebuch: nun, ein solches habt ihr ja, hat zumal der Herr Herzog gewollt, und heute hab' ich das Wichtigste zu melden, was mir bisher am Hof begegnet: eine hohe Auszeichnung: manche beneiden sie mir, meint Einhart. Der König winkte mich heran in aller Frühe bei seinem Ankleiden, dem nur die Vertrautesten beiwohnen dürfen: – er gibt ihnen dann wohl Aufträge, die ihm in schlafloser Nachtstunde gekommen, – lachte mich an mit seinem sonnigen Lachen und sprach: ›Paule, mein Liebling, heute Nacht gab mir der Herr wieder einmal die Weisheit im Schlaf, das heißt im Traum: du weißt, Rothtrud, mein schön Töchterlein, ist verlobt mit Constantin, dem Sohn des Kaisers Leo zu Byzanz. Zu Ostern bring' ich sie mit großem Geleit nach Rom: von dort schifft sie sich ein nach Byzanz: so soll ein Sproß unsres Königshauses auch die Kaiserkrone tragen: bei Sankt Denis, wir sind es wert –! Würdiger als mancher dieser »Romäer« da drüben würde mancher von uns heißen: »Imperator Romanorum«. Aber genug hiervon. Nun, soll schön Rothtrud über Griechen herrschen, muß sie ihres Volkes Sprache verstehn: denn sie soll nicht, wie jene byzantinischen »Imperatrices«, die sie auf Goldgrund malen, steif, regungslos, wie lebendige Tote, nein, wie eine pflichtgetreue Königin der Franken, die emsige Hausfrau des Herrscherhofes, wie ihre Mutter, meine herzgeliebte Frau Hildigard – Gott segne sie alle Stund' und führe sie bald wieder aus ihren Mutter-Schmerzen! – soll meine Tochter da drüben walten, die Tränen der Bedrängten trocknen, ihre Klagen stillen: dazu muß sie aber diese Klagen verstehen: griechisch muß sie lernen! Nun hat zwar der Imperator auf mein dringend Verlangen – er selbst und sein Sohn waren – seltsamerweise! – gar nicht auf den Gedanken gekommen, was doch mehr ihre als meine Sache! – mir zwei feine Griechen seines Palastes geschickt – in prahlerisch prunkenden Seiden-Gewanden: nahm sie neulich mit auf die Saujagd in die Ardennen, wußte, es werde regnen – da lachte er so recht fröhlich vor sich hin – regnete auch: tüchtig wurden sie naß bis in ihre feine »romäische« Haut, die Seidenfetzen verschrumpften. – Einen Alten und einen Jungen: der Alte ist mir aber zu alt d. h. zu langweilig: wohnte neulich einer Lehrstunde bei, schlief ein nach einer halben! – auch mag ich nicht den bösen Falschblick seiner Augen; der Junge aber – Agathon heißt er – ist mir zu jung: meine Rothtrud ist gar schön! Nun schlief ich ein in Sorge darüber, wer mir wohl die beiden Griechen ersetze? Und im Traum tratest du an mein Bett, du mein Paule, mit deinem lieben, nur allzubleichen Gesicht und sprachst: »Herr König, ich kann gut griechisch. Und ich bin treu, nicht falsch. Und jung zwar bin auch ich, aber ich bin Sankt Benediktus zu eigen.« Da sprang ich vom Pfühl und schrieb quer über meine ganze Tafel und alles, was schon darauf stand – da sieh her! – »Paulus der Mönch lehrt sie griechisch!« Und so soll's werden! Wenn du willst, heißt das. Willst du? Ist dir schön Rothtrud nicht zu schön?‹ lachte er. Ich neigte mich und sprach gerührt: ›mit Freuden will ich‹. Denn Fürstin Rothtrud ist mir nicht zu schön.
Nun hat der Unterricht seit einigen Tagen begonnen. Ich staune: ein paar Wochen hat sie der alte Elisäus schon gequält: und was hat sie gelernt? Nichts! Gar nichts! Und dabei ist die junge Fürstin hellen Geistes, raschen Verstandes und hat ein wunderbares Gedächtnis. Aber freilich, erwäge ich ihr ganzes Verhalten bei meinen weisen Lehren, so begreif' ich ihr Nichtwissen, wenn sie's mit dem Alten ebenso getrieben hat. Sie hört mir zu, engelgeduldig: nur denkt sie einstweilen offenbar an etwas ganz anderes! Dabei lächelt sie immer vor sich hin, zuweilen mutwillig, so daß ich meinte, sie lache mich aus: aber nein, denn meist ist es ein still seliges vor sich hin Sinnen und Lächeln, ein beneidenswertes, geheimes Glück verratend. Auf Mädchenlächeln aber, auf Mädchen überhaupt versteh' ich mich gar nicht, o Fürstin Adalperga!
Am Schluß der heutigen Stunde – jetzt eben – hörte ich etwas, das gewiß den Schlüssel des Geheimnisses birgt: leider verstand ich zu wenig davon. Fürstin Emma, die den Stunden beiwohnt – sie schreibt dabei gar eifrig an den Übersetzungen ins Latein, die ihr Freund Einhart aufgibt – flüsterte der Schwester beim Hinausgehen etwas zu – ich nahm gerade in der Ecke meinen schwarzen Mantel um, aber ein wenig hörte ich doch: – es war offenbar eine Mahnung, merksamer zu sein, ihre schriftliche Aufgabe fleißiger zu machen: da antwortete Rothtrudens metallische, glockenreine, aber auch glockentiefe Stimme: ›Ach was! Lerne du nur weiter bei deinem Einhart und kümmere dich nicht um mich. Du wirst doch nicht etwa glauben, daß ich jemals den Griechenprinzen nehme?‹ Und lachend schwebte sie hinaus. – Was soll das heißen? Den König, den ganzen Hof, mich zum besten haben?
Allgütiger Gott! Dank den Heiligen, daß sie mich unwürdig Werkzeug wählten, ein schändliches Verbrechen zu verhindern! Kaum hatte ich heut' in aller Frühe mein Morgengebet vollendet, als an mein schmales Kämmerlein gepocht wurde und herein trat zu meinem höchsten Staunen meine fürstliche Schülerin, ehrerbietig gefolgt von einem gar stattlichen, schönen Herrn: ich kannte ihn gut, es ist ihr Mariskalk, Graf Rorich von Maine, einer der prächtigsten von unsren – d. h. von des Königs! – Palatinen. Die Jungfrau hob an: ›Verzeiht, mein weiser Lehrer, den Verdruß, den Euch die ungelehrige Schülerin gemacht hat. Die Schule ist aus, denk' ich: zu ihrem, aber auch