Tod und Schatten. Ole R. Börgdahl

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Tod und Schatten - Ole R. Börgdahl Marek-Quint-Trilogie

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»Wir sind nicht mehr zusammen, hörst du. Wir waren uns doch einig. Natürlich würde mich Berlin reizen, aber du darfst doch nicht glauben, dass ich deinetwegen nach Berlin komme, wenn ich es überhaupt mache, das mit der Stelle, meine ich. Natürlich ist es schön, dass du dort bist, aber doch auf eine andere Art.«

      »Entschuldige Mia, ich wollte nicht ... Ich weiß das ja auch alles. Es ist nur ... Wir hätten das damals anders machen sollen. Ich wusste doch, dass ich nur ein Jahr in Münster sein würde. Ich hätte mir dort etwas suchen müssen. Oder in München. Du weißt doch noch, dass die mich damals in München haben wollten, auch ohne Master. Und du wärst näher bei deiner Mutter gewesen.«

      »Ja Marek, das weiß ich«, sagte Mia jetzt ernst, »aber auch München hätte nichts geändert. Wir hatten schöne Monate, aber jetzt ist es Vergangenheit. Es ist aus und das ist eben so, das passiert, es hat halt nicht mehr gepasst. Das hast du doch auch verstanden.«

      »Aber mal ganz unabhängig davon, der Job beim LKA würde dich schon interessieren, oder was meinst du?« Marek versuchte das Gespräch jetzt wieder in eine andere Richtung zu lenken.

      »Vielleicht«, antwortet Mia zögerlich. Sie holte noch einmal tief Luft. »Schau mal Marek, es ist doch schon nach neun. Wir haben Samstagabend. Ich werde gleich abgeholt. Hast du denn nichts mehr vor, heute Abend? Ich überlege es mir. Entgeltgruppe 9a sagtest du, das klingt doch nicht schlecht. Ich überlege es mir wirklich.«

      »Das ist gut«, sagte Marek sofort. »So machst du es. Es ist deine Entscheidung und du hast recht, es hat nichts mit mir zu tun. Ich würde mich nur freuen, wenn du ... aber das ist jetzt ganz egal. Ich lege auf. Soll ich jetzt auflegen?«

      »Ja!«

      »Dann lege ich jetzt auf, Mia.«

      »Ja, bitte, Marek, ich werde gleich abgeholt.«

      »Dann wünsche ich dir einen schönen Abend.«

      Mia seufzte. »Unternimmst du nichts mehr?«

      »Doch, doch«, erwiderte Marek wenig überzeugend.

      »Dann leg doch jetzt auf, bitte.«

      »Mia?«

      »Ja?«

      »Ich lege jetzt auf.«

      Marek drückte die Taste, starrte aber noch einige Sekunden auf das Smartphone. Er stellte den Fernseher wieder auf laut. Der Naturfilm über die Küsten Grönlands lag in den letzten Zügen. Er zappte in den Programmen zurück. In einer amerikanischen Krimiserie wurden die Bösen gerade von einer Meute Polizeiwagen verfolgt. Beim nächsten Klick erschien ein Stand-Up-Comedian, der das Publikum mit seinen Pointen belustigte. Auf dem Ersten schließlich lief eine der Samstag-Abend-Unterhaltungs-Shows. Das Frühlings-Sommer-Herbst-Fest der Volksmusik oder so ähnlich. Marek drückte schnell hintereinander zwei Programmtasten. Eine Casting-Show, in dem sich ein Nerd gerade vor der gestylten Jury und dem deutschen Fernsehpublikum blamierte. Es war zumindest so amüsant, dass Marek einige Minuten auf dem Kanal blieb und auch nicht umschaltete, als die Werbung begann. Ein Kaugummi, das das Zähneputzen ersetzen sollte. Marek prüfte instinktiv seinen eigenen Atem, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. Es folgte eine Bierwerbung. Es sah einladend aus, aber Marek wusste, dass er kein Bier im Hause hatte, nicht im Keller und schon gar nicht im Kühlschrank.

      Er dachte an Kaffee. Mia trank abends nur Kaffee, wenn sie glaubte, dass es eine lange Nacht werden würde. Disco, Geburtstag einer guten Freundin, Konzert oder irgendeine andere Feier. Marek starrte noch einmal auf sein Smartphone. Ein, zwei Sekunden, dann zuckte er zusammen. Es klingelte. Hatte seine Beschwörung funktioniert? War doch niemand gekommen, um Mia für den Samstagabend abzuholen? Hatte sie es sich anders überlegt? Marek zögerte, wollte den Moment, wollte die Gedanken nicht zerstören. Dann griff er zu. Der erste Blick auf die angezeigte Telefonnummer war keine wirkliche Enttäuschung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich noch einmal zurückrufen würde, nicht am Samstagabend, nicht, wenn sie eine Verabredung hatte. Marek nahm das Gespräch an.

      »Kriminalkommissar Quint«, meldete er sich vorschriftsmäßig.

      *

      Auf dem Weg nach Friedenau musste Kriminalkommissar Marek Quint tanken. Dann benötigte er immer noch gut eine halbe Stunde von Frohnau zum Friedrich-Wilhelm-Platz. Er fuhr zweimal an der neogotischen Kirche vorbei, bis er die richtige Straße fand. Einer der beiden Streifenwagen vor dem Gebäude hatte das Blaulicht eingeschaltet gelassen. Marek Quint parkte neben einem dunkelgrünen Mercedes Sprinter des Tatorterkennungsdienstes. Auf dem Bürgersteig stand zudem noch ein weißer Hyundai H-1 der Charité Mitte. Die Gerichtsmedizin war also auch schneller vor Ort, als der Ermittler des Berliner Landeskriminalamtes. Marek Quint stieg aus, hob das rotweiße Absperrband an und betrachtete sich die beiden Eingänge. Neben einem großen Schaufenster führte eine Glastür direkt in das Ladenlokal. Die Leuchtreklame darüber war in gelb gehalten, passend zum Namen des Geschäftes. Sonnenklar Reisen. So simpel wie vielsagend. Das Schaufenster und die Eingangstür waren aber verhangen. An einigen Stellen am Rand der dunklen Tücher bahnte sich das gleißende Licht von Halogenstrahlern den Weg auf die Straße. Mareks Schatten wurde gegen den geschlossenen Kasten des Hyundais geworfen.

      Er versuchte gar nicht erst, die Ladentür zu öffnen, sondern wandte sich gleich ein paar Meter weiter dem Hauseingang zu. Das große Klingelschild verwies im ersten Stock auf eine Anwaltskanzlei. Stolle & Partner, Rechtsanwalt. Über dem Messingschild mit schwarz eingelassener Schrift, war ein weiterer, eher schmuckloser Klingelknopf montiert. Marek musste sich vorbeugen, um den Namen hinter der verkratzen Plastikabdeckung lesen zu können, aber es gab nichts zu lesen. Wenn es jemals einen Namen gegeben hatte, war dieser in dem blauen Rand der durchsichtigen Abdeckung verlaufen. Er holte sein Notizbuch hervor, um wenigstens den Namen der Kanzlei zu notieren. Er musste kurz überlegen, wie die Straße hieß, in der er sich befand. Lediglich die Hausnummer hatte er im Kopf behalten. Nach einem letzten Versuch, doch noch die ehemals blaue Schrift des schäbigen Klingelknopfes zu entziffern, drückte er die Türklinke und trat in einen langen Flur, an dessen Ende ein Streifenpolizist auf ihn aufmerksam wurde. Dann wurde unmittelbar neben dem Mann eine Tür geöffnet. Der Beamte stand kurz im hellen Licht, bis sich ein grober Schatten in den Flur schob.

      »Da prescht die Einheit Kowalski wieder vor«, donnerte es leicht gedämpft durch den Hausflur.

      Kriminalhauptkommissar Ulrich Roose zog sich den Mundschutz unters Kinn, ging durch den Flur und trieb Marek durch die Eingangstür zurück auf die Straße. Draußen ging Roose voran und zum Fahrzeug des Tatorterkennungsdienstes. Er öffnete die große Schiebetür und stieg in den dunkelgrünen Transporter ein. Ein paar Handgriffe und er reichte Marek einen Overall, Einmalgamaschen, Mundschutz, einen Satz Latexhandschuhe und sogar eine kleine Taschenlampe.

      »Die Klamotten aber bitte erst im Haus anziehen«, wies Ulrich Roose an.

      Marek nickte. »Weiß ich doch.«

      Ulrich Roose schaute ihn kommentarlos an, sprang dann aus dem Transporter und ließ die Schiebetür mit einem Dröhnen ins Schloss fallen. Mit leicht gesenktem Kopf folgte Marek dem breiten Kreuz des Kriminalhauptkommissars. Im Flur hatte sich der Streifenpolizist nicht vom Fleck gerührt. Er öffnete schon einmal die Tür, die ins Reisebüro führte. Marek blieb hinter Ulrich Roose stehen, zog sich den Overall, die Gamaschen und zuletzt die Handschuhe über. Die kleine Taschenlampe und den Mundschutz hatte er auf den Boden gelegt, nahm die Sachen jetzt wieder auf und steckte sie in eine Tasche des Overalls. Ulrich Roose drehte sich um und kontrollierte an seinem Gegenüber den Sitz der Schutzkleidung. Er deutete auf den Kopf.

      »Die Kapuze nicht vergessen, und wenn Sie

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