In Zirkel Des Lebens. Bernhard Racz
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Um zu relaxen, ging ich fast jeden Abend in das „Thing“ eine Studentenkneipe. In Kaiserslautern gab es zum Ausgehen fast keine Alternativen zu der Zeit. So begab man sich in das berühmt berüchtigte „Dreieck“, wo man sich traf. Dreieck deshalb, weil die Kneipe „Glockeneck“ (Name geändert), „Smile“ und „Thing“ in einer Art Dreieck ziemlich zusammen lagen. Man konnte also von einer Kneipe zur anderen pendeln und Leute suchen, die irgendwelche Drogen hatten, denn am Dreieck war die Drogenszene vor Ort. Soweit ich noch weiß, lief außer Heroin und Kokain alles und die Umgebung wurde von der Polizei täglich observiert. Die Drogenleute hatten sowieso nur Geld für Haschisch oder LSD. Sehr viele amerikanische Soldaten, standen wartend auf die Dealer auf der Strasse und das Geschäft blühte. Mit Punker Kalle war ich sehr oft unterwegs.
Punker Kalle
Sie nannten ihn so, weil er einer der ersten Punker in Kaiserslautern (außer Ronnie H.) war. Seitdem veränderte ich mein Aussehen und kleidete mich dementsprechend, schon alleine um die Leute zu schocken. Die Revolte gegen die Masse machte sich nun auch in meiner Musik bemerkbar und Kalle und ich probten oft in den Kellerräumen zuhause bei mir, die als Zimmer für uns eingerichtet waren. Oft kam meine Mutter verärgert die Tür herein und bat uns, leiser zu musizieren. Mit dem Hereintreten in den Raum kam es mir immer vor, wie ein Hereinplatzen und kann meine Mutter heute wirklich sehr gut für ihre Reaktion damals verstehen, weil wir wirklich sehr laut waren. Mir gefiel es unwahrscheinlich, wie dumm und intolerant manchmal Menschen drein schauen konnten, wenn sie etwas unbekanntes auf der Straße entdeckten, was nach deren Meinung eigentlich nicht in ihre Welt gehörte, oder paßte.
Durch Punker Kalle nahm ich meinen ersten LSD-Trip. Darauf folgten mehrere. Das Thing war eine totale Freak-Kneipe, gemütlich und rustikal mit Holz ausgeschlagen eingerichtet. Man fühlte sich wohl bei Gesprächen mit Freunde und einem Glas Bier. Kalle und dessen Freund Jürgen Jung saßen im Thing, als ich einmal abends um ca. 20 Uhr vorbeischaute. Sie schauten mich an und Kalle meinte: „ Mensch Ben, wir haben etwas ganz tolles entdeckt, was dermaßen in den Kopf reinhaut. Im ersten Moment wußte ich nicht was ich sagen sollte und fragte dann daher, was es denn sei ? Kalle meinte, Nissutibor DM Family Size (Name geändert). Ein amerikanischer Hustensaft, der eine Morphinbase enthielt. Man brauchte „nur“ eine halbe Flasche zu leeren und würde auf einen wahnsinnigen Trip kommen. Ich probierte dann später erst mal eine drittel Flasche und musste mich übelst übergeben. Man schmeckte beim Trinken regelrecht die Chemie, die darin enthalten war. Der Geschmack war einer der schlimmsten, den ich jemals kannte. Nachdem ich nicht lassen konnte und ihn ein zweites Mal ausprobierte, haute das Zeug rein wie ein Hammer. Fortwährend meinte ich, ich müsste draußen an den Zäunen oder die Wände hoch klettern. Das Zeug betäubte extrem, welches das darin enthaltene Morphin erzeugte. Es machte den Körper richtig taub. Ohne weiteres hätte man mir einen Arm abhacken können, gemerkt hätte ich wahrscheinlich gar nichts. Der Hustensaft wurde legal von den Amerikaner in deren Supermärkte zu Kauf angeboten. Wir besorgten ihn durch Soldaten, die ihn für uns kauften, da es für Deutsche verboten war, in steuerfreien, amerikanischen Läden einzukaufen.
Hier ein kleiner Bericht vom 06. April 1981, den ich damals über diesen Hustensaft schrieb:
Nissutibor ! Flüssigkeit des Satans ?
Hektik, Stress, Aggressivität, Gedanken ? Nur eins ! Sprung ins Auto – überladen -. Ampel rot – überfahren. Am Ziel angekommen – Einer springt heraus, haut einen an, der winkt ab, - schwitzen – Herzklopfen – der nächste kommt, es klappt, er kommt zurück und setzt sich rein. Freude, Jubel und Gelächter. Nun kommt das lange warten, das sich rauszieht, wie das Warten auf dem Arbeitsamt. Doch es dauert nicht lange, da kommt er langsam daher – gierige Blicke entgegen-schmetternd – hoffend – Ein greller Freudenschrei aufkommend – „JA“, es ist Familien-Grösse. Allen lehnen sich entspannt zurück, schnaufen erleichtert, schwitzen und Herzklopfen hören auf. Überreicht, bezahlt, gestartet, da kommt die Polizei – Angst ? Nein – losgefahr´n. Angekommen im Raum. Niemand hält es mehr aus. Jeder einzelne braucht das traumerfüllende Chemiewasser. Ein Glas in der Hand, halb voll, die anderen etwas mehr, es reicht nicht mehr. Nahe am Kotzen, du trinkst Chemie, du würgst, es kommt dir wieder hoch, aber es muss runter, schnell, man muss so oft schlucken, gleich, jetzt ist es drunten; du krümmst dich vor Ekel, stößt auf, schell etwas hinterher. Jetzt geht´s wieder. Ein Glück es ist unten. Alle lachen und schreien „Nissutibor“ ! Warten muss t du nur eine halbe Stunde – dann – fängt – es – an ! Und zwar wirst du zuerst müde, nur für kurze Zeit, dann kommt die „Action“, darfst nicht schlapp machen, das ist gefährlich, nur Bewegungen, dann kommt das „Feeling“. Du kommst auf abnorme Gedanken, alles im Körper prickelt wie Sekt in den Adern. Du willst die Wand hinauf. Du willst irgendwie in die Höhe ! Fängst an zu stottern. Hast keine Kontrolle über deine Nervenstränge, weil sich alles verkrampft. Du meinst du hast den totalen Weltendurchblick, das führt in die Irre, dein Hirn spielt nicht mehr mit. Du siehst Nebelschwaden links und rechts an Dir vorbeiziehen.
Du fühlst Dich wohl. Dein Körper ist taub. Machst Dinge, die du nie machen würdest. Fratzen, Geräusche, abnormes, unverständliches Gerede. Das bleibt später auch in normalem Zustand. Sie tanzen – gehst hin – tanzt mit – verfügst bald nicht mehr über deinen eigenen Körper. Er tanzt beinahe wie von selbst. Aber gut – nicht normal – anders als sonst – sonst tanzt es sich steifer. Nur beim Gehen meinst du, dass du von tausend Augen beobachtet wirst, dass jeder Fußtritt gleich zum Stürzen kommen wird, aber es geht trotzdem, du schwankst „nur“. Da sitzt du nun, den Kopf vollgepanscht mit Chemie, greifst nach einem Glas Limo. Der Greifweg zum Glas erscheint dir meterlang. Manches siehst du einfach nicht. Zum Beispiel, halbhoch in Ecken stehende Gläser – Du schmeißt sie um. Da ist ein Mädchen – Du machst sie an – sagst – ej, weißte was, du gefällst mir – und sie erwidert – komm Mann, dann gehen wir .... ! Du gehst nicht mit ihr, weil es dir peinlich und zu doof vorkommt. Doch siehe da, da tanzt ein Mädchen alleine auf der Tanzfläche. Du gehst langsam vor allen Leuten zu ihr hin, stellst dich lässig vor sie, wie ein Macho, schaust sie überheblich und hochnäsig von oben herab an und sagst einfach nur „geil“.
Sie haut dir keine rein, womit du eigentlich gerechnet hattest. Sie lächelt dich sogar noch an und meint, vergiss nicht, später noch einmal zu kommen. Verdutzt und überrascht über den Erfolg der Anmache, verlässt du wieder die Tanzfläche und setzt dich auf deinen Platz. Damit haste nicht gerechnet. Anschmiegsamkeit ist gewöhnlich, innere Zuneigungen werden nicht eingepfercht, sie werden manchmal positiv zur Geltung gebracht. Du magst jeden, obwohl es in manchen Fällen gar nicht stimmt. Du bestehst auf Frieden. Möchtest Dich mit jedem verstehen, willst keinen Ärger. Trotzdem – Dieses Zeug ist ein einzig großer Scharlatan. Er verarscht und täuscht dich von hinten bis vorne – Täuscher sollte man ihn nennen – oder besser wäre – Vernichtet endlich die Formel !!!
Teil unserer “Thing” Clique
7. Rumpelkammer Und Besetzte Häuser
Kalle und ich gingen nun sehr oft in einen kleinen Tanzclub, genannt „Rumpelkammer“. Ein halb verfallener Laden in einem kleinen Haus, das schon oft abgerissen werden sollte, da es sich in dem geplanten zu sanierenden Altstadtgelände befand. Zu dieser Zeit hatte die Stadt Kaiserslautern nicht viele Auftrittsalternativen für Musiker und beabsichtigte, das Waschbrett, worin sich unser ehemaliger Proberaum „Cage“ befand abzureißen. Viele Leute demonstrierten gegen den Abriss und die Stadt gewann.
Stattdessen