Curriculum Prothetik. Jörg R. Strub
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Eisen-, Nickel- und Kobaltlegierungen haben einen Elastizitätsmodul in der Größenordnung von 200 GPa. Damit ist ihr Widerstand gegen elastische Verformung, also bei Zug-, Biege- oder Torsionsbelastungen, bei gleichen geometrischen Strukturen immer mindestens zweimal so groß wie der von Edelmetall-Legierungen oder auch von Titan, die alle Elastizitätsmodule in der Größenordnung von nur 100 GPa aufweisen.
Zugbelastung. Bei jeder elastischen Verformung ist neben den Materialeigenschaften auch die geometrische Abmessung von Bedeutung. Die einfachste Verformung ist die Dehnung durch Zugbelastung. Hier ist unmittelbar einsichtig, dass der elastische Widerstand gegen diese Verformungsart einerseits durch den Elastizitätsmodul und zum anderen durch den Querschnitt des Werkstücks bestimmt wird. Je größer die Werte sind, umso geringer ist bei gleicher Belastung die Dehnung.
Biege- und Torsionsbelastung. Die bei Zahnersatz am häufigsten auftretende Verformung wird durch Biegebelastung hervorgerufen. Hierbei ist als Formfaktor das Flächenträgheitsmoment J des Werkstücks zu beachten. Für rechteckige Querschnitte (z. B. Platten) ist Jr = (b × h3)/12, wobei b die Breite und h die Höhe oder Dicke des Werkstücks in Biegerichtung bedeuten. Für runde Werkstücke (z. B. Klammern) ist das Flächenträgheitsmoment Jo = (π × d4)/64, wobei d der Durchmesser ist. Hierdurch wird beschrieben, dass der Widerstand gegen elastische Verformung durch Biegung (also die Biegesteifigkeit) mit der dritten Potenz der Dicke oder Stärke des Werkstücks in der Biegerichtung ansteigt. Platten, die sich in der Dicke um einen Faktor 2 unterscheiden, lassen sich nur mit der 8-fachen, Klammern mit rundem Querschnitt mit der 16-fachen Kraft in die gleiche Biegeauslenkung bringen. Geht also durch einen kleineren Elastizitätsmodul die Hälfte des Widerstandes verloren – z. B. bei Verwendung einer Goldlegierung oder Titan statt einer CoCr-Legierung –, so muss zur Erzielung des gleichen Biegewiderstands wie bei hohem Elastizitätsmodul eine Platte um 3√ 2 = 1,26-fach und eine Klammer um 4√ 2 = 1,19-fach dicker gestaltet werden.
33.5.3 Die 0,2-%-Dehngrenze (Tab. 33-1)
Die Grenze der elastischen Verformbarkeit wird bei Dentallegierungen grob durch die 0,2-%-Dehngrenze beschrieben. Die Mindestanforderung für Modellgusslegierungen liegt hier nach DIN EN ISO 22674 bei 550 MPa. Tatsächlich erreichen die meisten CoCr-Legierungen Werte bis zu 700 oder 800 MPa. Die Minimalanforderung für Edelmetall-Legierungen nach DIN EN ISO 22674 (Typ 4) liegt bei 450 MPa im ausgehärteten Zustand. Bei Titan liegt die 0,2-%-Dehngrenze bei etwa 500 MPa. Der hohe Widerstand gegen eine elastische Verformung (beschrieben durch den Elastizitätsmodul) wird also bei den CoCr-Legierungen günstig ergänzt durch eine hohe elastische Grenzbelastung (beschrieben durch die 0,2-%-Dehngrenze), bei deren Überschreitung die Verformung plastisch und damit bleibend wird. Um plastische Verformungen, wodurch die Passung und die Funktionalität einer Prothese vermindert oder sogar ganz zerstört werden, zu vermeiden, sollten alle Elemente so gestaltet und dimensioniert sein, dass bei funktionellen Belastungen ein ausreichender Sicherheitsabstand (Faktor 2) zur 0,2-%-Dehngrenze eingehalten wird. Dem Wunsch nach einer grazilen Gestaltung von Prothesen kann also mit CoCr-Legierungen am besten entsprochen werden.
Tab. 33-1 Maßgebliche Materialeigenschaften für Modellgusswerkstoffe
33.5.4 Korrosionsfestigkeit und Biokompatibilität
Die Korrosionsfestigkeit von CoCr-Legierungen beruht darauf, dass eine Passivschicht durch Chrom- und Molybdänoxide an der Oberfläche aufgebaut werden kann. Da das Gefüge von solchen Legierungen häufig grobkörnig, dendritisch, inhomogen und mehrphasig ist, kommt es darauf an, dass jede Legierungsphase noch ausreichend viel Chrom und Molybdän enthält. Korrosionsuntersuchungen und die Erfahrung zeigen, dass ein Chromgehalt von mindestens 25 % und ein Molybdängehalt von mindestens 4 % eine ausreichende Sicherheit bieten. Dies entspricht auch den Mindestanforderungen nach DIN EN ISO 22674. Gute CoCr-Legierungen können dadurch in ihrer Korrosionsfestigkeit vergleichbar mit Edelmetall-Legierungen werden.
Für die Bioverträglichkeit eines Zahnersatzes ist gute Korrosionsfestigkeit immer eine nützliche Forderung. Hier sollte das technisch Machbare so weit wie möglich ausgenutzt werden. Darüber hinaus ist natürlich die ionenspezifische Allergenität oder lokale Toxizität zu berücksichtigen. Es ist durchaus möglich, dass ein Patient Korrosionsraten von Kobalt oder Chrom besser toleriert als z. B. die korrosiv gelösten Ionen von Kupfer oder Indium aus einer Edelmetall-Legierung – oder umgekehrt. Die individuelle Empfindlichkeit eines Patienten, die beispielsweise in einem Allergiepass dokumentiert sein kann, muss hier immer Berücksichtigung finden.
Muss aus klinischen Gründen (z. B. Allergiepatienten) ein anderes Metall gewählt werden, so ist Titan nach einer guten CoCr-Legierung die beste Wahl. Hinsichtlich mechanischer Festigkeit und Korrosionsresistenz ist Titan den EdelmetallLegierungen ebenbürtig, hinsichtlich Biokompatibilität wegen der ausgezeichneten Verträglichkeit sogar noch überlegen. Die gegenüber CoCr-Legierungen geringere Festigkeit kann durch eine etwas stärkere Dimensionierung wie beschrieben ausgeglichen werden. Da Titan eine sehr geringe Dichte von nur 4,5 g/cm3 besitzt (Tab. 33-1), fällt diese etwas massivere Gestaltung nicht ins Gewicht. Im Gegenteil: Eine gleichwertige Modellgussprothese aus Titan wiegt etwa nur halb so viel wie die entsprechende Prothese aus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung. Mit Edelmetall-Legierungen mit Dichten von mindestens 11,3 g/cm3 für Pd-Legierungen bis hin zu 18,5 g/cm3 für Hochgoldlegierungen könnte bei der notwendigen massiveren Gestaltung das zwei- bis dreifache Gewicht gegenüber einer gleichwertigen CoCr-Modellgussprothese auftreten. Die geringe Wärmeleitfähigkeit des Titans (Tab. 33-1), die noch weit unter der von CoCr-Legierungen liegt, ist ein weiterer Grund, diesem Metall den Vorzug gegenüber einer Edelmetall-Legierung zu geben. Gerade bei großflächigen Konstruktionen ist die Wärmedämpfung bei heißen und bei kalten Einflüssen für den Patienten angenehm.
Bei der Titanlegierung Ti6Al7Nb dagegen liegt die Dehngrenze noch höher als bei CoCr-Legierungen, so dass ein Retentionsverlust der Klammern weniger wahrscheinlich ist als bei CoCr-Legierungen. Der Elastizitätsmodul ist mit 115 GPa allerdings deutlich niedriger als bei CoCr-Legierungen, weshalb die Steifigkeit eines Gerüstes aus der Titanlegierung geringer ist als bei Verwendung einer CoCr-Legierung, was bei der Modellation der Gerüste berücksichtigt werden muss. Eine vergleichende klinische Studie mit CoCr- und Ti6Al7Nb-Gerüsten zeigte, dass die Titanlegierung Ti6Al7Nb als Gerüstmaterial einer Teilprothese von den Patienten wie den Behandlern als gleichwertig zur CoCr-Legierung angesehen wird. Objektiv wurden keine materialtechnischen Unterschiede beobachtet. Bei Patienten mit Allergien oder Materialunverträglichkeiten gegenüber einem oder mehreren Bestandteilen einer CoCr-Legierung kann die Titanlegierung bevorzugt eingesetzt werden (Katsoulis et al. 2008).