Johann Gabb. Thomas Pfanner
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Harald jedenfalls hatte allein die schwarze Seite der Geschichte im Kopf, er wurde erstaunlich blass, schluckte ein paar Mal schwer und fügte sich schließlich mit einem ergebenen Nicken. Johann seufzte leise, insgeheim erleichterte ihn die Reaktion des Jungen, hatte er doch keine Vorstellung, wie er den kleinen Trotzkopf im Falle einer Verweigerung hätte behandeln sollen. So aber wanderte Harald mit hängenden Schultern vor ihm her zum Dorf. Er wurde zunehmend traurig, weil er die Strafe nicht verstand, und Johann war traurig, weil nichts so schwer war, wie Klugheit in junge Köpfe zu zwingen.
Buisdorf
Wir nähern uns langsam dem Haus meiner Eltern. Mein Großvater knirscht erbittert mit den Zähnen, als ob er gerade eben erst diesem Jungen eine Abreibung verpasst habe. Zeit, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Am Besten mit der Frage, die mich derzeit am Meisten beschäftigt.
»Opa, wenn ich das richtig verstehe, dann warst du bei der SS?«
»Ja, natürlich«, antwortet er lapidar. »Auslands-Deutsche landeten alle ausnahmslos in der SS. Es gab keine Möglichkeit, bei der normalen Armee unterzukommen. Aber ich versichere dir, bei der selbst ernannten Elite ging es nicht anders zu als bei anderen Streitkräften.«
Wobei wir bei der Kernfrage wären.
»Aber du bist nicht tätowiert. Die SS-Leute wurden doch alle tätowiert, oder nicht?«
Völlig überraschend spuckt er mir vor die Füße und meint gallig: »Genau. Nur ich nicht. Hat mir geholfen zu überleben. Die Amis haben mich laufen lassen, die Russen haben mich laufen lassen, sogar die Tschechen haben mich laufen lassen, die nach dem Zusammenbruch jeden Tätowierten sofort an die Wand gestellt haben. Nur die glorreichen Ungarn nicht. Die wussten ja, dass ich ein Deutscher war. Und sie wussten, dass sie, die Ungarn selbst, der SS erlaubt haben, alle Deutschen zwangsweise zu rekrutieren.
Die zählten eins und eins zusammen und flugs fand ich mich in der Festung Komárom wieder, in Haft. Als Nazi-Schwein, beteiligt an irgendwelchen Untaten aus dem Jahr 1943. Zu der Zeit war ich noch Bauer und ahnte nichts Böses. Verfluchtes Kommunisten-Pack!«
»Aber wie hast du das angestellt?«, hake ich nach, bevor er mit seinen Erzählungen in die falsche Richtung abdriftet.
»Ich kam zu spät«, erklärt er lapidar und schafft es doch tatsächlich, mich vor einem rasenden Auto zu bewahren, das noch schnell vor uns den Zebrastreifen passieren möchte.
»Erzähle!«, fordere ich ihn auf, als wir unseren Weg fortsetzen können.
Masuren, 1944
Johann fluchte vor sich hin. Die Grundausbildung war schon kein Zuckerschlecken gewesen, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus. In seinem ganzen Leben hatte er mit Pferden zu tun gehabt, er wusste alles über sie und kam mit jedem einzelnen Tier zurecht. Nicht im Traum hätte er sich freiwillig in ein Automobil gesetzt. Zu viel Technik, das Verständnis fehlte auf beiden Seiten. Einem Pferd konnte er beizeiten anmerken, ob es vorhatte, brav zu sein, ob es seine Leistung bringen konnte, ob sich Probleme anbahnten. Einem Automobil sah man nichts an. Gerade funktionierte es noch, im nächsten Moment standen alle Räder still, ohne Vorwarnung, und es ließ den Fahrer in seiner Unkenntnis im Stich.
Johann brauchte nur ein paar Tage, um den ganz speziellen Wahnsinn der deutschen Armee zu begreifen. Im Ausbildungslager siebten die Feldwebel die Rekruten nach ihren Stärken aus, das war jedenfalls der Plan. Ausgemustert wurden nur die Toten, alle anderen erhielten nach Abschluss der Grundausbildung eine weiterführende Spezialausbildung. Auf eines konnte man sich dabei verlassen: Der Wahnsinn hatte Methode. Die Tauben wurden Funker, die Blinden Fahrer und die Ahnungslosen bereitete man darauf vor, die Verwaltung von Nachschub oder anderen Schreibkram zu erledigen. Natürlich wollte man ausschließlich aus den hirnlosen Schreihälsen Vorgesetzte machen.
Und er, der unbedarfte Bauer mit einer nie korrigierten Weitsichtigkeit, noch nie in einem Auto gesessen und ohne jede Ahnung von Fahrtechnik, wurde natürlich zum Fahrer ausgebildet. Was in diesen Zeiten eben als Ausbildung durchging. Auf dem Gelände standen drei Leichtlastwagen vom Typ Opel Blitz, denen man die durchlebten Schlachten sehr genau ansah. Ein paar Einschusslöcher wiesen den Weg zu nachlässig weggewischten Blutspuren, die den Bodenblechen im Führerhaus einen zweiten Braunton hinzufügten. Drei Wagen und achtundsiebzig zukünftige Fahrer. Man hatte ihm nach fünf Fahrstunden und einer kurzen technischen Einweisung den Führerschein überreicht und gleich darauf den ersten Kampfauftrag erteilt.
Johann schnaubte wütend, während er mit dem großen Lenkrad kämpfte und seine ganze Kraft darauf verwendete, den abgewrackten Opel auf dem Feldweg zu halten. Der Wahnsinn war ein doppelter, mindestens. Eigentlich war er gar nicht als Fahrer vorgesehen, sondern als Koch. Aber ein Koch musste seine fahrbare Gulasch-Kanone selbst durch die Weltgeschichte bewegen können.
Johann Gabb und ein Koch. Gütiger Himmel, seine Frau kochte, hatte sie immer. Einen Kochtopf hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht angefasst. Seine Erfahrung beschränkte sich auf Verrichtungen, die rund um die Küche angesiedelt waren, aber niemals in den Bereich seiner Frau eindrangen. Er schlachtete das Vieh, machte die Wurst, räucherte das Fleisch. Sein Schinken galt im Ort als gesuchte Delikatesse. Aber kochen?
Die anderen Männer aus Mágocs, Jágónak und Dombovar, die während der Ausbildung zu einer Kampfeinheit zusammengeschweißt werden sollten, sahen die Dinge ähnlich. Kochen galt als Frauenarbeit, niemand meldete sich, als der Hauptmann die ganze Truppe antreten ließ und im Kommando-Ton dazu aufforderte, sich freiwillig zu melden. Wie das eben so war mit der Freiwilligkeit in Zeiten, die in Sekundenschnelle den Tod bringen konnten.
Der Hauptmann erhöhte den Druck, sprach von der vaterländischen Pflicht, die kämpfende Truppe durch gehaltvolle Ernährung in Saft und Kraft zu halten. Johann hatte erst gar nicht hingehört. Bis zu dem Augenblick, als der Hauptmann zu schmeicheln begann. Hellhörig wurde er erst, als der plötzlich gar nicht mehr so laute Hauptmann von den Nachteilen zu sprechen begann, die eine Position als Koch mit sich bringen mochte. Von langen Arbeitszeiten war die Rede, davon, keinen Helfer zu erhalten, weil der Rest der Truppe an der Frontlinie gebraucht werden würde. Mit einem Mal ging Johann ein Licht auf.
Ein Koch kämpft nicht. Ein Koch kocht. Es gab nicht vieles, was Johann noch weniger mochte als kochen. Erschossen zu werden gehörte definitiv dazu. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild eines Schützengrabens, in dem lauter Leute aus Mágocs lagen, tot und halb verrottet. Einen Kilometer dahinter stand der Koch an seinen Geräten, hatte es warm und gemütlich, und da alle anderen tot waren, auch mehr als genug zu essen.
An dieser Stelle brauchte es keine weiteren Überlegungen. Festen Schrittes trat er vor und meldete sich. Der Hauptmann zeigte sich hocherfreut und übergab ihn unverzüglich seinem Hauptfeldwebel zur weiteren Ausbildung. Bereits eine Stunde später erging sich Johann in gotteslästerlichen Flüchen. Er hatte die Angelegenheit nicht zu Ende gedacht. Vorerst kochte er gar nicht, sondern musste lernen, mit dem Opel Blitz zurecht zu kommen.
Das wurde richtig schlimm, weil es ihm völlig an technischem Verständnis für den Vorgang des Fahrens mangelte. Die Technik verstand er dagegen erstaunlich rasch: anlassen, Öl prüfen, Reifenkontrolle, Anhängerkupplung, dies lag seinem bäuerlichen Alltag nicht übermäßig fern. Ein paar Maschinen gab es nun doch im Dorf, eiserne Erntehelfer, die den Weggang der ersten Freiwilligen kompensieren halfen.
Wenn nur nicht das Fahren selbst gewesen wäre. Diese hohe Geschwindigkeit, gepaart mit Lärm, Gestank und dem ständigen Gefühl, als würde die ganze Fuhre auf Eiern rutschen. Eine mittelschwere Panik fuhr immer mit.
Nun also der sogenannte Kampfauftrag. Der bestand darin, mit dem Opel