Hugo Wietholz – ein Diakon des Rauhen Hauses – Autobiographie. Jürgen Ruszkowski
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Für mich war dieses Schäferhofer-Lager ein großes Erlebnis. Als wir nach den Ferien in der Klasse bei unserem Lehrer Prätorius, den wir sehr schätzten, unsere Ferienerlebnisse zum besten gaben, staunten alle über meinen Bericht, so etwas hatte man noch nicht erlebt. Etwas ist mir von diesem letzten Tag besonders im Gedächtnis geblieben. Als wir vom Dammtorbahnhof zum Vereinshaus marschierten, sah ich auf dem Weg eine Obstkarre. Dort war der Preis für ein Pfund Pflaumen mit 1000 Mark verzeichnet. Ich konnte es nicht fassen, wie konnten nur die Preise so klettern. Im Vereinshaus nahmen wir dann Abschied von den Lagerleitern. Dies war eine der schönsten Erinnerung meiner Kindheit.
Danach kam wieder der Alltagstrott, Schule, Konfirmandenunterricht, leider war der Pastor oft krank.
Es kam nun die Frage, was nach der Schulzeit werden würde. Vater meinte, ich solle doch auch Klempner und Mechaniker werden, denn beim Großvater in der Bankstraße hätte ich mich beim Löten ganz gut angestellt. Damals war mein Vater schon bei einer Firma Schmidt in der Hansastraße, und dort war eine Lehrstelle frei. Vater nahm mich mit zur Vorstellung, und ich wurde angenommen. Jetzt wurde Arbeitszeug gekauft, ein Klempnerkittel und eine blaue lange Hose. Stolz bin ich mit der Büx durch die Straßen marschiert. Wir trugen ja sonst bis zur Schulentlassung kurze Hosen.
Der Konfirmationstag stand fest, es sollte der 23. März 1924 sein. Vorher war in der Turnhalle der Schule die Entlassungsfeier. Die war sehr feierlich, der Chor sang: „Nun zu guter Letzt, geben wir dir jetzt...“ Ansprachen wurden gehalten, Mutter war ganz gerührt. Dann kam der 23. März. Ich zog den Konfirmandenanzug an und musste dazu einen Hut aufsetzen, der mir gar nicht passte. Ich weiß heute noch, wir gingen die Eppendorfer Landstraße bis zur Bogenstraße. Die Pfützen waren gefroren. In der Kirche waren viele Eltern mit ihren Sprösslingen. Als wir zur Einsegnung vor dem Altar knieten, gab Pastor Bernitt mir den Spruch aus dem 73. Psalm: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich mit deiner Hand.“ Christus ist Gottes Hand.
Nach der Feier in der Kirche wurde zu Haus mit Freunden tüchtig gefeiert. Mariechen und ich haben uns bald verkrümelt. Diese Zecherei und Skatspielen waren nichts für uns.
1924-1927 – Klempner-Lehrzeit
Bis zum 1. April hatte ich noch Ferien. Dann hieß es: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Ich musste meine Lehrstelle bei Firma Schmidt antreten. Diese Episode dauerte aber nur 4 Wochen. Vater war mit dem Betrieb nicht einverstanden, denn es stellte sich heraus, der Meister hatte mehr Lehrlinge als Gesellen. So kam es, dass wir uns in der freien Zeit wieder auf Lehrstellensuche machten. Dabei kamen wir in die Eichenstraße. In einem Lampengeschäft entdeckte ich ein Schild: Lehrling gesucht! Vater und ich sind dann am Abend gleich dort aufgekreuzt, und ich habe mich vorgestellt.
Der Meister, Herr Lampe, ein etwas älterer, recht kleiner Herr, machte auf uns einen guten Eindruck. Er erzählte uns einiges über seinen Betrieb. Sein Sohn, der mit im Geschäft arbeitete, sei in der Elektrobranche tätig und so könnte ich neben dem Beruf des Klempners und Mechanikers auch Elektriker lernen. Wir waren mit dem Angebot einverstanden und so wurde der Lehrvertrag geschlossen. Am 1. Mai 1924 konnte ich die Lehrstelle antreten.
Noch heute frage ich mich, warum musste es gerade diese Lehrstelle sein? Der Weg war doch ziemlich weit, aber ich habe unendlich viel gelernt und bin dafür jetzt noch dankbar. Zunächst war ich wohl über die Lage der Werkstatt etwas erstaunt. Sie lag hinten auf dem Hof. Um dorthin zu gelangen, musste man durch den langen Wohnungskorridor. In der Werkstatt roch es immer nach Hühnerdreck, daran musste man sich erst gewöhnen. Die etwas hagere Frau Meisterin hielt im Garten Hühner. Mein Lehrkollege war ein langer Kerl, der schon im dritten Lehrjahr war und mich als den Jüngsten anlernen musste.
Hier bei Meister Lampe wurde ich ordentlich in das Handwerk eingewiesen. Zuerst hieß es, am Sonnabend die Werkstatt aufzuräumen. Aller Dreck von Werkbank und Fußboden musste ordentlich zusammen gefegt und in den Ascheimer befördert werden. Als ich am Montag in die Werkstatt kam, hatte der Meister den Inhalt des Ascheimers ausgeschüttet und alles Metall schön sortiert, hier Zink, dort Messing und Kupfer. Er zeigte auf die verschiedenen Häufchen und sagte nur: „Nicht noch einmal so mit dem Metall umgehen.“ Den Rüffel habe ich gut verdaut, und in Zukunft kam das nicht mehr vor.
Überhaupt war das erste Lehrjahr sehr interessant. Ich wurde von dem Gesellen viel mit auf Kundschaft genommen. Dabei lernte ich Menschen und ihre Wohnungen kennen. Die Firma Lampe war mehr auf solche Reparaturarbeiten eingestellt als auf große Bauten. In der Gegend waren sehr viele Beamte zu Hause, und oft stöhnte der Meister, dass sie sich so viel Zeit beim Bezahlen der Rechnungen ließen.
Mein erstes Lehrlingsgeld betrug 3 Mark in der Woche, die Löhne waren damals niedrig. Später bekam ich als Geselle einen Stundenlohn von 0,82 Reichsmark. Der Meister musste zusätzlich noch Urlaubsmarken kleben. Die Klempnerinnung war die erste, die diese Errungenschaft vor allen anderen Handwerksbetrieben einführte. So konnte der Geselle nach einem Jahr mit diesen Urlaubsmarken, die dann eingelöst wurden, unbeschwert in Urlaub gehen. Für mich war es bis dahin noch ein weiter Weg.
Unser Meister war die Sparsamkeit in Person, ebenso wie seine Frau, die auch selbst die Ladenscheibe putzte. Ihr Wahlspruch hieß: „Arbeit regiert die Welt und der Knüppel den Hund.“ Der Meister muss früh nach Hamburg gekommen sein, durch Fleiß und Sparsamkeit war er zum Besitzer von zwei Wohnhäusern geworden. Eines war das, in dem er in der Eichenstraße 27 wohnte, das andere befand sich in der Fruchtallee 5. Seine Sparsamkeit konnte man auch daran erkennen, dass er seine Lehrlinge mit der Schottschen Karre nach Barmbek schickte, um da bei den Gaswerken ein Fass Teer zu holen. Der Liter kostete 5 Pfennig. In der Eichenstraße wieder angekommen, wurde das Fass auf Brettern durch die Wohnung getrudelt, zum Hof hinaus zu einer Grube. Dort wurde der Teer in Eimer oder Kannen abgefüllt.
Bei einer der ersten Teerarbeiten auf einem Dach in der Eichenstraße, machte ich eine böse Erfahrung. Wir mussten die Teereimer bis zur Dachluke im 5. Stock hinauftragen. Das Pappdach war sehr schräge. Der Meister, der Geselle und ich machten uns fertig zum Dachteeren mit dem Teerbesen. Der Meister zeigte mir, wie der Teer ausgeschrubbt wird. Dabei waren ein paar Tropfen vom Besen auf das Dach gekleckert, ich rutschte darauf aus und stieß den vollen Teereimer um. Bei der großen Schrägung rutschte der Eimer immer schneller auf die Dachkante zu, und keiner konnte ihn aufhalten. Am Ende des Daches kippte der Eimer über die Mansarde und sein Inhalt ergoss sich nach unten. Einige Fenster waren offen, und es hing auch Wäsche draußen. Der Teer verschonte weder Fenster noch Wäsche. Der leere Eimer polterte in den Garten. Nun musste ich mit Petroleum die Fenster wieder reinigen. Eigenartig, mein Meister schalt mich überhaupt nicht aus, er war wohl froh, dass keiner zu Schaden gekommen war. Ich denke, alles andere hat die Versicherung bezahlt.
In der Werkstatt zeigte mir der Meister, wie die vielen Kochtöpfe, die zur Reparatur gebracht wurden, geflickt werden konnten. Es waren Pütt und Pann, manchmal auch ein großer Waschtopf. Die undichte Stelle oder das Loch wurden am Schleifstein gereinigt, ein entsprechend großer Blechflicken wurde dann aufgelötet. Zum Schluss wurde das Gefäß mit Wasser gefüllt, um zu prüfen ob es dicht war. Der Meister hatte mit dieser Arbeit, die ja auch von Lehrlingen gemacht werden konnte, einen guten Nebenverdienst. Es gab viel zu reparieren. Die Badewannen und die Waschbecken waren ja damals aus Zink, dazu kamen die kupfernen Badeöfen, bei denen der Boden oder das Flammrohr durch unsachgemäßes Heizen oft zerfressen waren.
Ich durfte viel lernen. Wenn ein neuer Badeofen gesetzt wurde, musste auch getöpfert werden. Manchmal musste