Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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r wollen uns doch nicht an ihnen bereichern.»

       «Wollen wir nicht, so? – Aber von was wollen denn l e b e n, heh?» rief der Alte. «Der Musjö schwatzt da ins Blaue hinein und bringt mir moralische Grundsätze auf einen amerikanischen Markt, die gerade so gute Geschäfte machen würden, wie ein Zahnarzt bei den Indianern. Junge, Junge, ich glaubte, Du hättest ausgelernt, und sehe jetzt, daß Du wieder ganz von vorn anfangen mußt. Die Reise nach Arkansas wird Dir übrigens gut tun, mein Geschäftsfreund dort, der einen besonders lebhaften Whiskyhandel nach dem indianischen Territorium treibt, ist ein höchst praktischer, gewiegter Bursche und wird Dir die deutsche Schlafmütze49 schon aus den Gliedern treiben, und Du mußt dann endlich einmal lernen, daß das deutsche Gesindel, das hier zu uns herüberkommt und mit seiner Überklugheit immer unser ganzes Amerika verbessern will, nicht eher Verstand bekommt, bis es seinen letzten Groschen an den Mann gebracht hat. Wer also dazu beiträgt, daß das recht bald geschieht, tut den Leuten nur einen Gefallen und ist ihr wahrer Freund, und nach d e n Grundsätzen handle ich, wie sich der junge Herr merken kann und wonach er zu achten hat – verstanden?»

       «Lieber Vater», sagte Franz, der sein Pult verlassen und die Feder niedergelegt hatte, ruhig und bestimmt, «Sie haben sich da einen Weg vorgezeichnet, dem ich im Leben nicht folgen kann und will. Es mag, wie Sie vielleicht Recht haben, viel Gesindel aus Europa zu uns herüberkommen, aber es kommen auch viele wackere, wenngleich arme Familien herüber, und die gerade sind es dann, die von Agenten und Seelenverkäufern ausgezogen und beraubt, anstatt von dem Staat, dem sie ihre Kräfte weilen wollen, dem sie ihr alles herüberbringen, was sie auf der Welt noch das Ihre nennen, unterstützt und geschützt zu werden.»50

       «Auch noch?» rief der alte Hamann verwundert aus. «Wir sollten wohl noch überselig sein, wenn sie ankommen, und sie füttern und pflegen und sie noch bitten, nur um Gotteswillen nichts zu arbeiten, daß sie sich ja nicht die faulen Knochen strapazieren. Gott verdamm’ mich, Junge, Du schwatzest da Zeug, daß man verrückt werden möchte!»

Boardinghouse

      Typisches Boardinghouse Ende des 19. Jahrhunderts

       «Ich spreche nur von etwas», rief sein Sohn, in edlem Eifer erglühend, «das mir schon lange auf der Seele brennt, und das, neben der Sklavenfrage, ein Schandfleck für die Union ist – ich spreche von dem unbeschützten Zustand, in dem sie gerade d i e Menschen an ihrer Küste berauben und plündern läßt, die das Mark ihrer Bevölkerung bilden, und ohne welche die einzelnen Staaten schon in ihren Schulden erstickt und zugrunde gegangen wären – die fleißigen Ackerbauer, die den Boden urbar machen, die den Verkehr brechen für Dampfschiff und Eisenbahn, die den Wert des Landes in den weißen Staaten um das Zehnfache, in vielen um das Hundertfache vermehrt haben, und anspruchslos und tätig dabei ihre stille, ruhige Bahn fortgehen.»

       «Und was soll der Staat mit denen anfangen, was sollte er für die tun», sagte der Alte mit einem spöttischen, ja, fast verächtlichen Lächeln, «die der Musjö da für die G e p l ü n d e r t e n und B e r a u b t e n hält, und seinem eigenen Vater dabei gewissermaßen P l ü n d e r u n g und R a u b unter die Nase reibt, he?»

       «Er sollte in den Haupthafenplätzen seines großen Reiches, in New Orleans und New York, Philadelphia, Baltimore und wie sie heißen, Häuser erreichten, in denen die Armen, wenigstens die ersten Wochen hindurch, ein Unterkommen, im Notfall u n e n t g e l t l i c h , fänden, und wo ihr Eigentum, wenn sie in das Land hinein müssen, um Arbeit zu suchen, von geschworenen Beamten, sicher und vor Verfall geschützt, aufbewahrt würde, bis sie imstande wären, es zu reklamieren.»

       «Könnte gleich eine Kleinkinderbewahranstalt damit verbunden werden», lachte der Alte.

       «Wollte Gott, es geschähe!» rief Franz. «Tausende von Kindern, die später einmal unsere besten und kräftigsten Bürger bilden, würden dann vor Elend und Untergang bewahrt.»

       «Aber was sagst Du m i r das hier?» rief der Alte, endlich ungeduldig werdend. «Was hab’ i c h damit zu schaffen? Warum gehst Du damit nicht zum Gouverneur oder zum Präsidenten und stellst ihm einmal die Geschichte vor? Der wird mit dem größten Vergnügen darauf eingehen.»

       «Der Präsident kann dabei noch nichts tun», sagte der Sohn, den im Spott gemachten Vorschlag ganz ernsthaft nehmend. «Nein, die einzelnen Staaten müssen das aus sich selber kräftig schaffen und herstellen, die einzelnen wohlhabenden Bürger zusammentreten und zum Besten ihrer eigenen Stadt ein solch Asyl gründen. Wieviel tausend Menschen sehen in Amerika die Hand, die sich ihnen und ihrer Not Hilfe bietend entgegenstreckt – wieviel tausend finden aber nur, daß eben die Hand, anstatt sie zu stützen und zu halten, in ihre Taschen greift und sie des Letzten beraubt, was sie noch mitgebracht, um sich selbst zu helfen. Oh Vater, Sie sind reich – wenn Sie den Anfang machten zu solchem großen Werk… »

       «Du bist ein Esel, hätt’ ich bald gesagt», unterbrach ihn der Alte hier mürrisch, «Donnerwetter, jetzt hab’ ich den Unsinn satt, nun mach’, daß Du fortkommst, und sieh, daß Du mir vor allen Dingen den Elsässer wiederfindest – schick’ ihn mir nur herauf; ich will schon mit ihm fertigwerden.»

       «Vater!» rief Franz in edler Entrüstung, sich gegen einen Auftrag sträubend, den er selber für unredlich und schlecht hielt. «Vater, ich passe nicht zu dem, wozu Sie mich machen wollen; lassen Sie mich fort, allein in die Welt hinaus, und ich will mir mein eigenes Fortkommen schon gründen, mir schon Bahn brechen zu einem neuen, frischen Leben, und wenn ich mir mein Brot im Anfang mit der Schürstange oder mit Axt und Schaufel verdienen sollte.»

       «Und das Geld, das ich auf Deine Erziehung verwandt?» rief der Alte ärgerlich. «Wer zahlte mir denn die Zinsen? Schöne Wirtschaft das; nicht wahr, wenn die Zeit jetzt gekommen ist, wo Du Deinen alten Vater, der niemanden auf der Welt weiter hat, auf den er sich verlassen kann, unterstützen solltest, und dann von ihm fortlaufen willst, um ein eigenes Geschäft anzufangen? Was würde dann aus den paar Dollars, die ich mir erspart, wenn ich die Augen einmal zudrücke und fremde Menschen dann hier um mich her säßen, die sich die eigenen Taschen in aller Geschwindigkeit füllen würden? Was würde aus dem Geschäft selbst, das ich seit ein paar Jahren endlich zu einer Art Aufschwung gebracht, und das nie, solange ich und Du es verhindern können, in fremde Hände fallen darf? – Unsinn, Franz, Du weißt gar nicht, w a s Du von Dir stoßen willst, um irgendeiner fixen, wahnsinnigen Idee, die eben unausführbar ist, nachzulaufen. Mach’ jetzt, daß Du fortkommst, und tue, was ich Dir befohlen habe – ich will nichts mehr wissen, sag’ ich Dir», schrie er den Sohn unwillig an, als dieser wieder etwas entgegen wollte, und Franz verließ, tief aufseufzend, aber mehr als je entschlossen, seine Hand zu nichts zu bieten, was er nicht vor dem eigenen Gewissen verantworten könne, das Zimmer.

       In diesem aber ging, die Arme auf dem Rücken gekreuzt, mit raschen, unruhigen Schritten der alte Hamann auf und ab, leise Flüche in den Bart murmelnd, und mit dem Kopfe dazu finster und unwillig schüttelnd.

       Draußen klopfte jemand leise an die Tür.

       «Herein!» rief der Alte barsch.

       «Herr Hamann zu sprechen?» rief eine freundliche Stimme.

       «Ah, Sie kommen mir gerade wie gerufen, Messerschmidt», rief ihm der Alte rasch entgegen, «sind Sie meinem Jungen begegnet?»

       «Herr Hamann junior waren eben so freundlich, mich auf der etwas dunklen Treppe beinahe über den Haufen zu rennen.»

       «Er ist verrückt, der Bengel!» rief der Vater.

       «Verliebt vielleicht», lächelte Herr Messerschmidt.

       «Gott

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