Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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wieder fort, während Hedwig indessen still und regungslos stehenblieb, um eine entscheidende Antwort des Mannes zu erwarten.

       Die letzten Wochen hatten eine große Veränderung in Hedwigs ganzem Äußeren hervorgerufen, und das ängstlich schüchterne, fast kindliche Mädchen, das sie noch an Bord gewesen, war in der kurzen Zeit zur ernsten, selbständigen, selbsthandelnden Jungfrau herangereift. Schwere Stunden waren es aber gewesen, die das bewirkt, schwere, herbe Stunden, in denen die selber so unglückliche Clara ihr alles vertraut, was das eigene Herz bedrückte, von dem ersten Verdacht des Diebstahls an, bis zu dem Augenblick, wo sie die Gewißheit in Mark und Seele traf, daß der eigene Gatte der Verbrecher sei und, weit schlimmer und entsetzlicher als ein bloßer, feiger Dieb, nicht allein den treuen, schuldlosen Diener ihres Vaters, nein, auch ihr eigenes Glück und Leben kalt und meuchlerisch gemordet habe.

       Der Schmerz um den Bruder war damit, wenn nicht aus ihrer Brust gewichen, doch von anderen, mächtigeren Gefühlen, die sie früher nie gekannt, abgestumpft, ja fast verdrängt – von einem Gefühl der Bitterkeit gegen die Menschen, die einen armen Unglücklichen kalt und teilnahmlos verderben ließen, ohne sich viel um seine Schuld oder Unschuld zu kümmern, und dem Gemordeten kaum ein einsam verachtetes Plätzchen an der Kirchhofsmauer gönnten; von einem Gefühl des Hasses gegen den Mörder selbst, der frei und ledig, in Glück und Reichtum – der Beute seines Verbrechens – unter Gottes Sonne wandelte. Nur an Clara hing sie mit aller Liebe und Aufopferung, deren ihr warmes, weiches Herz fähig war, nur in Clara sah sie die Leidensschwester – nicht mehr die Gebieterin – die mit ihr noch stärker fast getroffen und geschlagen worden, und einem Schatten gleich lag eine dunkle Ahnung, der sie nicht Ausdruck und Form zu geben wußte, auf ihrer Seele, daß der Verstorbene in größerem Schmerz und Weh dahingeschieden, auch von i h r verkannt zu sein.

       «Und Sie glauben, daß Sie der Sache vorstehen könnten?» sagte Hamann endlich, wieder vor ihr stehenbleibend und ihr scharf und forschend ins Auge schauend.

       «Ich glaube es», sagte Hedwig, dem Blick fest begegnend.

       «Haben Sie Zeugnisse?»

       «Ja – hier.»

       Der Wirt überlas die Papiere und gab sie ihr zurück.

       «Ja, das klingt alles recht schön», sagte er, «aber ist weit von hier, und irgendein Torschreiber oder Bäcker kann das ebensogut geschrieben haben, aber… », setzte er rasch hinzu, als er sah, daß sich die Wangen des jungen Mädchens unter dem halben Verdacht tiefer färbten und sich ihre Gestalt höher emporrichtete, «aber das kann und wird auch wohl alles in Ordnung sein, nur darauf gehen können wir hier nicht, und müssen selber sehen und prüfen. Sind Sie das zufrieden?»

       «Ich will eine Woche auf Probe meinen Dienst antreten», sagte Hedwig, «wenn Ihnen das genügt.»

       «Das wäre gut», sagte Herr Hamann leise, mit dem Kopfe nickend, «und wieviel Lohn verlangen Sie?»

       «Keinen.»

       «Ich meine nicht für die Probewoche, sondern überhaupt.»

       «Keinen», sagte die Jungfrau fest und entschieden.

       «Keinen Lohn?» rief Herr Hamann, überrascht zur ihr aufschauend. «Und was sonst dafür? Denn um gar nichts kann ich mir doch nicht gut denken, daß Sie arbeiten wollen?»

       «Nein», sagte Hedwig mit leiserer Stimme als vorher, «ich verlange vielleicht mehr dafür, als Sie gesonnen sind, mir zu bewilligen, könnte aber auch nur unter der Bedingung die Stelle, die ich gewiß zu Ihrer Zufriedenheit ausfüllen würde, annehmen.»

       «Und das wäre?»

       «Ich habe eine kranke Schwester in der Stadt», sagte Hedwig, «das wenige, was wir mitgebracht, ist halb verzehrt, und ich suche deshalb einen Dienst, um uns beide zu erhalten, bis meine Schwester wieder zu Kräften gekommen ist. Alles, was ich bis dahin für meine Arbeit verlange, ist, daß sie mein Zimmer mit mir bewohnen, mein Lager mit mir teilen darf und die wenige Nahrung erhält, die ihr Körper verträgt.»

       «Eine Kranke ins Haus nehmen?» sagte Herr Hamann kopfschüttelnd. «Nein, Mamsell, das ist eine mißliche Sache, davon hat man nur Schererei und Kosten, und darauf k a n n ich mich nicht einlassen.»

       «Sie ist nicht mehr k r a n k », sagte Hedwig rasch, «nur noch schwach und erschöpft von schwerem, doch ü b e r s t a n d e n e m Leiden. Nur Ruhe bedarf sie, keiner Pflege mehr, auch verlange ich nicht, daß sie mit an der Wirtstafel ißt; das wenige, was sie braucht, würd’ ich ihr selber bringen.»

       «Wie heißen Sie?» frug Herr Hamann.

       «Hedwig.»

       «Und Ihre Schwester?»

       «Clara.»

       «Mit Zunamen?»

       «Loßenwerder», sagte Hedwig, und wie sie den Namen aussprach, färbten sich ihre Stirn und die Schläfe dunkelrot.

       «Clara Loßenwerder?» wiederholte Hamann.

       «Ich heiße H e d w i g ! » sagte das junge Mädchen, und eine eigene, ihr selbst unerklärliche Angst schoß ihr bei der Verbindung der beiden Namen durch das Herz.

       «Ja, ja, Hedwig», wiederholte Herr Hamann, sie wieder dabei betrachtend, als ob er ihr mit dem Blick bis in das innerste Herz hineinsehen wollte. «Nun, ich will Ihnen einmal etwas sagen – Ihr Gesicht gefällt mir, obgleich man danach nicht recht gehen kann und durch eine hübsche Firma oft genug hinter’s Licht geführt wird; aber – wir können’s ja einmal miteinander versuchen. Ich brauche zwar eine derartige Wirtschafterin gerade jetzt nicht mehr so unumgänglich nötig, und würde auch nur wenig Lohn geben können. Vielleicht, wenn wir einander zusagen, ließe sich’s aber auch auf die Art einrichten, erst müssen wir jedoch beide wissen, woran wir miteinander sind, wären Sie das zufrieden?»

       «Ich habe nicht mehr verlangt», sagte Hedwig.

       «Gut, dann können Sie heute noch einziehen, wenn Sie wollen – aber die Schwester bringen Sie mir noch nicht ins Haus», setzte er rasch hinzu, «es ist das mit kranken Leuten eine eigene Sache.»

       «Aber darf ich sie in der Woche jeden Tag wenigstens einmal besuchen?» frug Hedwig.

       «Zwischen dem Mittag- und Abendessen ist nicht viel Zeit», sagte Herr Hamann, «aber die Abende n a c h dem Essen können Sie benutzen, wie Sie wollen – also, wann kommen Sie?»

       «Noch heute Mittag finde ich mich ein», sagte Hedwig, «und hoffe recht von Herzen, daß sie mit mir zufrieden sein werden.»

       Sie verließ nach kurzem Abschiedsgruß, aber Trost und Hoffnung im Herzen, das Gemach, während Herr Hamann sich aus der bis jetzt noch nicht berührten Karaffe ein volles Glas Wein einschenkte, und dann, wieder vollkommen zufrieden mit sich selber, seinen Spaziergang im Zimmer aufnahm.

       Für die Besetzung einer solchen Stelle hatte er schon gefürchtet, ziemlich beträchtlichen Lohn zahlen zu müssen, denn er konnte sich eine Person dazu nicht aus dem Haufen der Auswanderer heraussuchen, und jetzt war alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er sie durch ein ganz junges, hübsches Mädchen, was ihm jedenfalls eine Menge Kostgänger ins Haus ziehen würde, und für wenig mehr als nichts, für die doppelte Kost von ein paar Frauen, die überdies nicht viel aßen und gar nichts tranken, bekommen konnte.

      VIERTES KAPITEL

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