Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I. - Helmut H. Schulz страница 4
In diesem Weimar wurde ich, Augusta am 30. September 1811 geboren, hätte die Prinzessin geschrieben, würde sie es der Mühe wert gehalten haben. Ich bin die Tochter eines Karl Friedrich, Großherzog von Sachsen Weimar und die Enkelin Karl Augusts. Rechnen wir die für die Erziehung einer Fürstin unbedingt notwendigen achtzehn Jahre hinzu, dann befinden wir uns unversehens im Jahr 1829, historisch keinem besonderen Jahr eigentlich, aber immerhin das Jahr ihrer Heirat mit Wilhelm I., damals noch ein Heerführer ohne Krieg, und ein General ohne Fortune, und nicht einmal Kronprinz, sondern bloß Prinz von Preußen. Infolge der Verbindung eines sächsisch-protestantischen Hofes mit dem russischen Kaisertum einerseits (und einer Verbindung zum europäischen Westen andererseits, von St.-Petersburg aus betrachtet), entstand eine eigentümliche Traditionsmischung. So legte Augusta beispielsweise in einer Art zweiten Trauung in der Berliner Oper russische Hoftracht an, um dem Zarenpaar zu schmeicheln, aber das wird zu gegebener Zeit ausführlicher erzählt werden. Der Maler Tischbein hat Karl August um 1795 gemalt; der Maler Tischbein hat überhaupt alle bedeutenden Leute seiner Epoche gemalt. Er war so etwas wie der Pressefotograf seiner Zeit. Daher wissen wir ungefähr, wie der Großherzog ausgesehen hat. Tischbein hat ihn nicht heroisch aufgefasst, hat uns also kein reitendes, schon gar kein heroisches Blech überliefert. Am ehesten könnte dieses Gesicht einem grübelnden Gelehrten angehört haben. Im Jahre 1795 zählte der Großherzog 38 Jahre. Bei Anna Amalie, seiner Mutter, müssten wir uns etwas länger aufhalten, ebenso bei seinem Vater, Ernst August Konstantin, wollen aber die genealogische Tiefenkunde nicht weiter als nötig treiben. Diese Anna Amalie, die Großmutter Augustas, hatte die Vormundschaft über Sohn Karl August inne. Von 1772 bis 1775, also bis zur Übernahme der Regentschaft durch den 18jährigen Fürsten, war Wieland sein Erzieher. Zufälliger- wie natürlicherweise gibt es von Wieland ebenfalls ein Bild aus jenen Tagen, und zwar aus dem Jahre 1775; Heinsius hat es gemalt, und es hängt oder es hing zu Halberstadt im Freundschaftstempel des Gleimhauses. Gleim, den freundlichen Alten, hielten alle jungen Dichter für ihren wahren Vater, und er tat ihnen auch nie etwas zu Leide, anders als der kritische und jüngere Goethe. Wieland wurde 1733 geboren, zu oder bei Biberach, und er war ein Predigerssohn, was sonst? Als solcher lernte er in einem Kloster zu Magdeburg einiges über den lieben Gott und ein bisschen ausländische Aufklärungsliteratur kennen, und er wurde, Nolens volens, Klopstockianer. Dieser hatte sich mit seinem Epos, dem Messias , 1748 in den Bremer Beiträgen teilweise abgedruckt, einen strahlenden Namen gemacht. Wieso die junge Generation diesen Klopstock schwärmerisch verehrte, ist eine zu verzweigte Angelegenheit, als dass wir uns hier damit befassen dürften. Eigentümlich bleibt jedoch, dass ein Werk dieses zeitgenössischen Aufsehens heute kein Mensch mehr liest oder bloß kennt. Der Schweizer Bodmer, Gelehrter, Herausgeber, Schriftsteller, feierte Klopstock sogar als den deutschen Milton, dessen Buch Das Verlorene Paradies Bodmer hoch schätzte. Von Magdeburg kam Wieland nach Erfurt und später nach Tübingen. Nun aber tat Wielands Talent das, was jedes Talent gemeinhin einmal tun muss, will es überhaupt entdeckt werden; es brach aus, und zwar in Form von allerlei Dichtung. Natur der Dinge, einen Anti-Ovid, ein Heldengedicht, Hermann , verfasste der junge Mann, auch Klopstock hatte sich um die Hermann-Figur bemüht, alles dies geschah bis 1752, also ganz beachtlich für einen jungen theologischen Gelehrten. Andererseits begann es in diesem Zeitalter von jungen Genies beängstigend zu wimmeln; jung sein war sogar eines ihrer Hauptmerkmale; das anbrechende klassische Zeitalter ließ einen seiner Hauptvertreter mit 17 Jahren ein Drama verfassen. Wer von Schiller gar nichts mehr weiß, von diesem Werk hat er zumindest gerüchteweise gehört. Wieland geriet auf Umwegen in die Arme Bodmers, wie sie alle irgendwann einmal mit Bodmer in Berührung kamen. Wie wir sehen, wandelte Wieland durchaus weiter auf Klopstocks Spuren, denn auch der hatte bei seinem Siegeszug in Zürich den Flug unterbrochen, sich aber mit dem gelehrten, aber pädagogisch beschränkten Mann, der alle nach seinem Bilde formen wollte, dauerhaft nicht verstanden, und war nach Norden weitergezogen. Dem Rat des Sprach- und Kulturerzieher der Deutschsprachigen, auf den wenig später alle mit Fingern zeigten, als einen Pedanten und Mucker, nicht ganz zu Recht, folgte Wieland gerne und ziemlich geschmeidig; er verfasste eine Menge anhimmelnde Dichtkunst auf Bodmer, kämpfte scharfsinnig, ohne sich ganz zu binden, an seiner Seite gegen diesen verfluchten Gottsched, dem die Jungen alle Krätze der Welt an den Hals wünschten, und verließ schließlich Bodmer in Eile, ganz wie Klopstock, um als Hofmeister und Hauslehrer in Züricher Bürgerfamilien Söhnen und Töchtern Bildung und höhere Lebensart zu vermitteln.
Wieland war ausnehmend produktiv; die deutsche Literatur verdankt ihm auch das erste Drama in Blankversen und einiges mehr, heute alles vergessen und Makulatur, bedenkt man, dass eine Gesamtausgabe von Wielands Werken beiläufig mehrere Dutzend Bände ergeben müsste. In Bern, wo Wieland Hauslehrer war, lernte er Julie von Bondeli kennen und verlobte sich mit ihr, 1760 wird er auf einmal Senator in seiner Vaterstadt und ist als ein Kanzleiverwalter ein gemachter Mann. Ab jetzt entwickelt sich Wieland zu dem Wieland, obschon niemand sagen kann, wie der wirkliche Wieland ausgesehen und was er angestrebt hat. Auf Schloss Warthausen, im Kreise des ehemaligen Kurmainzischen Ministers Friedrich von Stadion und eines Ehepaares La Roche, fällt Wieland dem leichtfertigen französischen Rokoko zu, seine Dichtung wird leicht und bisweilen schlüpfrig, so wie das Zeitalter. Anakreon, der 500 Jahre vor Anbeginn des Christentums lebte, ein Lyriker, der Wein und Liebe besang, geisterte noch überall herum. Seine Nach- und Anbeter erweiterten das Dasein regierender Fürsten und Hofschranzen ins Bukolische; man zog nur allzu gern das prunkvolle Staatskleid aus, und den Rock des Schäfers oder der Schäferin an, und pflegte freudig und ausgelassen das Ländliche in Neckerei und Schäferei. Dieses Rokokopaar, Schäferin und Schäfer, ist heute in Gestalt von kostbarem Meißner Porzellan gegenwärtig.
Eines muss der Neid dem Wieland indessen lassen; er war erstaunlich anpassungsfähig. Aus jeder seiner veränderten Lebenssituationen holte er das Äußerste an Erfolg und an Genuss. Wieland beugte sich immer stärker dem Zeitgeschmack, und beherrschte das Handwerk des Schreibens immer besser, er sitzt in allen Sätteln gerecht, schafft nach, dichtet um, lässt sich anregen. Sein Bildungsroman: Geschichte des Agathon, ein auf zwei Bände angewachsenes Buch, verschaffte ihm neues Ansehen. Er heiratete gelegentlich und wurde 1769 Professor der Philosophie in Erfurt, rückt also unserem Weimar geografisch ein Stück näher. Hier reicht der Platz nicht, um in aufzuzählen, was der Wieland noch alles schrieb, aufschrieb, abschrieb und übersetzte, tatsächlich ein imponierende Menge, bis die Herzogin Anna Amalie auf diesen genial Schreibfleißigen aufmerksam wurde, und ihn als Erzieher für ihre beiden Söhne, darunter den Karl August, nach Weimar holte. Er blieb nur drei Jahre in diesem Amt, und es ist bloß zu vermuten, dass der Professor, ein Philologe, Alt- und Neusprachler, von ungewöhnlichen Kenntnissen, einen recht guten Pädagogen abgegeben hat. Wir dürfen diesen Schluss umso sicherer ziehen, als wir wissen, dass Wieland ein Mann war, der mit Leichtigkeit alles Neue in seine Welt einzufügen verstand, durchaus auch kritisch. Charakterlich dürfte er schwach und nachgiebig, nicht aber intrigant