Die schönsten Weihnachtsgeschichten II. Charles Dickens

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Die schönsten Weihnachtsgeschichten II - Charles Dickens

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soviel ich weiß, amüsierte es auch das Heimchen, wenigstens fing es jetzt mit einer gewissen Heftigkeit wieder zu zirpen an.

      »Hallo!« sagte John in seiner langsamen Weise, »'s ist heut Abend lustiger als je, scheint mir.«

      »Und es bringt uns sicherlich Glück, John! Das hat's immer getan. Ein Heimchen am Herd zu haben, ist das größte Glück von der Welt!«

      John sah sie an, als wäre er nahe daran, auf den Gedanken zu kommen, sie sei sein Oberheimchen, und war vollständig mit ihr einverstanden. Aber es war vermutlich wieder eine jener Gelegenheiten, wo er nahe daran war, einen Witz zu machen, denn er sagte nichts.

      »Das erstemal, daß ich seinen munteren lieben Gesang hörte, das war an jenem Abend, John, da du mich in dein Haus – in mein neues Heim brachtest, als seine kleine Herrin. Es ist nahezu ein Jahr her. Du erinnerst dich doch, John!«

      O ja, John erinnerte sich! »Das sollt' ich meinen!«

      »Sein Zirpen war mir ein so lieblicher Willkommensgruß! Es schien so voller Verheißung und Ermutigung! Es war, als wolle es mir sagen, du würdest gut und freundlich gegen mich sein und nicht erwarten – das fürchtete ich damals, John – einen alten Kopf auf den Schultern deiner dummen kleinen Frau zu finden.«

      John klopfte nachdenklich eine dieser Schultern und streichelte dann ihren Kopf, als wollte er sagen: »Nein, nein, ich hatte so etwas nicht erwartet; ich bin mit diesem Kopf und diesen Schultern ganz zufrieden.« Und er hatte durchaus recht: sie waren allerliebst.

      »Es sagte die Wahrheit, John, als es zu sprechen schien; denn du bist mir immer der beste, der nachsichtigste, der liebevollste Gatte gewesen. Du hast mir dieses Haus zu einem glücklichen Heim gemacht, John, und ich liebe das Heimchen darum.«

      »Na, dann ich auch«, sagte der Fuhrmann. »Dann ich auch, Dot.«

      »Ich liebe es, weil ich es so oft gehört habe und wegen der vielen guten Gedanken, die seine unschuldige Musik in mir angeregt hat. Wenn ich mich abends in der Dämmerung bisweilen ein wenig verlassen und niedergeschlagen fühlte, John, – nämlich ehe das Kindchen kam, um mir Gesellschaft zu leisten und es fröhlich im Hause zu machen – wenn ich bedachte, wie einsam du sein würdest, wenn ich stürbe, wie trostlos ich sein würde, wenn ich es wissen könnte, daß du mich verloren hättest, Liebster: da schien sein Zirp – zirp – zirp auf dem Herde mir von einem andern Stimmchen zu erzählen, von einem so süßen, meinem Herzen so teuren Stimmchen, daß dessen zukünftiger Klang meinen Kummer bald wie einen Traum verschwinden ließ. Und wenn ich sonst fürchtete – und ich fürchtete es anfangs wirklich, John, denn du weißt ja, ich war noch sehr jung! – wir könnten als ein schlechtes Ehepaar zusammenleben, da ich fast nur ein Kind war und du mehr aussahst wie mein Vormund als wie mein Mann – und daß du, welche Mühe du dir gäbest, doch nicht imstande wärest, mich so lieben zu lernen, wie du hofftest und wünschtest; dann heiterte sein Zirp-zirp-zirp mich wieder auf und gab mir frischen Mut und neues Vertrauen. An all diese Dinge dacht' ich heute Abend, Lieber, als ich dasaß und dich erwartete; und das ist's, warum ich das Heimchen so lieb habe!«

      »Dann ich auch«, wiederholte John. »Aber Dot . . . ich erst hoffen und wünschen, daß ich dich lieben lernte! Wie du nur reden magst! Das hatte ich längst gelernt, eh' ich dich hierher brachte, damit du des Heimchens kleine Herrin seist, Dot!«

      Sie legte ihre Hand einen Augenblick auf seinen Arm und schaute mit erregtem Gesicht zu ihm auf, als hätte sie ihm etwas sagen wollen. Am nächsten Augenblick jedoch lag sie vor dem Korb auf den Knien, plauderte mit ihrer angenehmen Stimme fröhlich und eifrig, während sie sich mit den Paketen beschäftigte.

      »Es sind heute Abend nicht viele, John; aber ich habe soeben hinten auf dem Wagen einige Ballen gesehen, und wenn sie auch mehr Arbeit machen, so bringen sie doch auch mehr ein; wir haben also nichts, worüber wir uns zu beklagen hätten, nicht wahr? Und zudem hast du gewiß auf dem Heimweg schon einiges abgeliefert, nicht?«

      »Jawohl«, sagte John. »Eine recht hübsche Anzahl.«

      »Aber was ist dies für eine runde Schachtel? Du meine Güte, John, das ist ja ein Hochzeitskuchen!«Der Hochzeitskuchen, eine Art Baumkuchen, spielt in England bei der Hochzeit eine große Rolle.

      »Sowas kann nur eine Frau erraten!« sagte John voll Bewunderung. »Ja, ein Mann wäre gar nicht auf solche Gedanken gekommen! Man packe nur einen Hochzeitskuchen in eine Teekiste, in eine auseinandergenommene Bettstelle, in ein Lachsfäßchen oder in irgendein anderes unwahrscheinliches Ding, ich wette, eine Frau findet ihn sofort heraus . . . Ja, das ist richtig, ich habe ihn von dem Konditor mitgebracht.«

      »Und er wiegt, ich weiß nicht wie viele . . . ganze hundert Pfund!« rief Dot, indem sie große Anstrengungen machte, ihn aufzuheben. »Für wen ist er, John? Wo soll er hin?«

      »Lies die Adresse auf der anderen Seite«, erwiderte John.

      »Wie, John! Du meine Güte, John!«

      »Ja, wer hätte das gedacht!« versetzte John.

      »Du meinst doch nicht etwa«, fuhr Dot fort, indem sie sich auf den Boden setzte und den Kopf schüttelte, »daß er für Gruff und Tackleton, den Spielwarenhändler, ist!«

      John nickte.

      Mrs. Peerybingle nickte ebenfalls, wenigstens fünfzigmal. Nicht zum Zeichen der Zustimmung, sondern in stummer, mitleidiger Überraschung, und inzwischen zog sie mit all ihrer geringen Kraft ihre Lippen spitz zusammen – sie waren gar nicht für das Spitzzusammenziehen geschaffen, das ist mir klar – und blickte in Gedanken verloren den guten Fuhrmann gleichsam durch und durch an. Inzwischen fragte Fräulein Tolpatsch, die ein ungeheures Talent dafür hatte, aus dem Fluß der Unterhaltung einige Brocken zum Vergnügen des Wickelkindes herauszufischen, wobei sie sie jedoch alles Sinnes beraubte und fast sämtliche Wörter ins Diminutiv verwandelte, um sie diesem jungen Geschöpfchen anzupassen: »Wirklich für Gruffchen und Tapletonchen, das Spielwarenhändlerchen? Wollte bei dem Pastetenbäckerchen Hochzeitküchelchen holen? Und Mütterchen wirklich Schächtelchen sofortchen erkanntchen, als Väterchen sie heimchen gebracht!« und so weiter.

      »Und die Heirat soll also wirklich zustande kommen!« sagte Dot. »Gott, wir sind zusammen in die Schule gegangen, John.«

      John dachte ohne Zweifel an sie, oder war vielleicht nahe daran zu denken, wie sie in jener Schulzeit ausgesehen habe. Er sah sie mit nachdenklichem Wohlgefallen an, ohne jedoch zu antworten.

      »Und er ist so alt –! Ihr so ungleich –! . . . Sag doch mal, John, wie viel Jahre ist Gruff und Tackleton wohl älter als du?«

      »Wieviel Tassen Tee soll ich heute Abend in einer Sitzung wohl mehr trinken als Gruff und Tackleton je in vier Sitzungen getrunken hat?« versetzte John gutgelaunt, indem er einen Stuhl an den runden Tisch rückte und den kalten Schinken in Angriff nahm. »Was das Essen anbelangt, Dot, so esse ich nur wenig, aber dieses Wenige lass' ich mir schmecken.«

      Selbst dieser sein gewöhnlicher Trinkspruch, eine seiner unschuldigen Selbsttäuschungen, – denn sein Appetit war stets hartnäckig und strafte ihn offensichtlich Lügen – rief kein Lächeln auf das Gesicht seines kleinen Weibchens, das zwischen den Paketen stand und die Kuchenschachteln langsam mit dem Fuße von sich stieß, ohne ihrem zierlichen Schuh, dem sie sonst so viel Beachtung schenkte, auch nur einen Blick zu gönnen, obgleich ihre Augen ebenfalls niedergeschlagen waren. In Gedanken verloren stand sie da, dachte ebensowenig an den Tee wie an John – obwohl er sie anrief und mit dem Messer auf den Tisch klopfte, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen – bis er endlich aufstand und ihren Arm berührte. Da schaute sie ihn einen Augenblick an und eilte,

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