Das alte Haus. Heimliche und unheimliche Geschichten. Gerstäcker Friedrich

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Das alte Haus. Heimliche und unheimliche Geschichten - Gerstäcker Friedrich

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/55/ von sich zu geben, so vor innerem Lachen, daß es ordentlich aussah, als ob ihm die Glieder locker würden.

      „Nun ja, was ist denn darin so Komisches, Herr Schwiebus?" sagte Marie erstaunt; „hat denn die Polizei nicht das Recht, Leuten, die ein ordentliches Gewerbe daraus machen, leichtgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche zu locken, das Prophezeien zu verbieten?"

      Schwiebus nickte wieder und wieder rasch mit dem Kopfe, als ob ihm das innere Lachen fast die Stimme ersticke, und nur endlich sagte er heiser und von öfterem Husten unterbrochen:

      „Ja - verbieten kann sie's - verbieten kann sie‘s, die - die Polizei. Schwiebus kann auch dem Laubfrosch verbieten, daß er bei schlechtem Wetter in's Wasser geht."

      „Aber, Schwiebus," lachte Helene, „Sie wollen doch nicht alte Frauen, die einen Erwerb daraus machen, andere Leute anzuführen, mit etwas vergleichen, dem die Natur schon den Instinct für das Wetter wenigstens gegeben hat? Ja, wenn die Frau Bause so gut prophezeien könnte wie ein Laubfrosch!"

      „Hm - würde ihr sehr angenehm sein, das zu hören," lachte der Famulus wieder auf seine stille Weise - „würde ihr ungemein angenehm sein." Er blinzelte dabei mit dem linken Auge, den Kopf halb dem Fenster zugewandt, immer nach dort hinüber, als ob da draußen Jemand säße, mit dem er sich unendlich über den Spaß freue und der ganz einverstanden mit ihm wäre.

      „Sie sind ein komischer Kauz," sagte lächelnd Helene und schraubte die Lampe etwas höher, daß sie heller brannte. „Ob übrigens die Frau Bause prophezeien kann oder nicht, soll mich wenig kümmern, ich werde ihre Künste doch nicht in Anspruch nehmen. - Man soll mit solchen Dingen keinen Scherz treiben."

      „Scherz?" sagte der Famulus und wurde auf einmal ganz ernsthaft, „Scherz? - wer hat von Scherz gesprochen? - Wer sich einen Spaß zu machen wünscht, soll um Gottes willen andere Sachen wählen, als die Geister einer andern Welt zu incommodiren. Es thut nicht gut, und wir kommen /56/ mit ihnen schon weit mehr, als rathsam, in unseren Träumen zusammen."

      „In unseren Träumen?" rief Marie rasch, die in den Worten eine Art Bestätigung für Manches zu finden glaubte, dem sie sich selber, sie mochte sich dagegen sträuben, so viel sie wollte, hinzuneigen begann. - „Also halten Sie unsere Träume auch für etwas Wirkliches?"

      „Unsinn!" rief Helene lachend; „wenn die etwas Wirkliches sind, so bin ich vor vierzehn Tagen vom Thurme der Dorotheenkirche über die ganze Stadt fortgeflogen und nachher in den Schwanenweiher gefallen, und wie ich aufwachte, lag ich doch warm und weich in meinem Bette."

      „Ihr Körper," erwiderte Schwiebus trocken - „Ihr Körper lag im Bette, Fräulein Helene, und der hatte mit der Sache auch weiter nichts zu thun. Ein Körper kann, wie sich das von selbst versteht, nicht träumen, und was der Geist unter der Zeit treibt, wo er den Körper verlassen hat, davon sagt er ihm gewöhnlich nichts. Nur die Seele, die indessen natürlich zu Hause bleibt, verräth es ihm manchmal."

      „Die Seele?" riefen Helene und Marie fast zu gleicher Zeit aus; „so machen Sie einen Unterschied zwischen den beiden, die Sie für zwei ganz verschiedene Wesen zu halten scheinen?"

      „Und sind sie das nicht?" lächelte der Famulus. „Eine Seele dürfen wir selbst dem Thiere nicht absprechen, dem wir keinen Geist gestatten. Der Geist mag den Körper im Schlafe verlassen, und den Beweis haben wir, wie er in der Zeit durch ferne Räume schweift. Die Seele dagegen muß den allgemeinen Naturgesetzen nach im Körper bleiben, ob er schläft oder wacht. Sobald sie ihn verläßt, ist er todt - bis sie zu ihm zurückgekehrt" - setzte er mit leiser, kaum hörbarer Stimme hinzu.

      „Aber sobald sie ihn einmal verlassen, kann sie nie mehr zurück!" rief Marie. „Todte müßten ja sonst wieder zum Leben erstehen."

      „Und geschieht das nicht bisweilen?" sagte der Famulus.

      „Scheintodte, ja."

      „Gut, wir nennen sie Scheintodte!" rief der Famu-/57/lus kopfschüttelnd. „Der Name thut nichts zur Sache, und - sind noch keine solche Scheintodte beerdigt worden?"

      „Oh Gott, ja!" rief Helene schaudernd -„selbst in unserer Familie haben wir ein derartiges furchtbares Beispiel."

      „In Deiner Familie?" fragte Marie überrascht; „davon hast Du mir ja noch nie erzählt!"

      „Wer spricht gern von so Entsetzlichem!"

      Der Famulus stemmte die Geige wieder an die Schulter, und eine neue, aber leise Melodie beginnend, um das Gespräch nicht zu stören, sagte er langsam:

      „Auch das Entsetzliche wird interessant, sobald es mit dazu dient, die Kenntnisse zu vermehren, an deren Schwelle wir noch stehen - die Kenntnisse jener Welt, von der die Wenigen, die wirklich etwas davon wissen, eben nichts, oder doch so gut wie nichts, verrathen dürfen."

      „Also glauben Sie in vollem Ernst, Schwiebus," fragte ihn Helene, „daß hier wirklich Leute auf unserer Erde, in unserer Mitte leben, die etwas von jener andern geheimnißvollen Welt sagen könnten, wenn sie nur eben dürften?"

      Der Famulus erwiderte nichts darauf, aber die Töne seiner Geige schnitten wie ein Weheruf in das Ohr der Mädchen.

      „Sie wollten uns ja die Geschichte des Scheintodten erzählen," sagte er dann plötzlich, zu Helenen gewandt. „War es Mann oder Frau?"

      „Eine Tante von mir," lautete die Antwort. „Erst wenige Jahre verheirathet, fiel sie bald nach ihrer ersten Entbindung in eine schwere Krankheit. Mein Oheim wich nicht von ihrem Lager und berief die geschicktesten Aerzte aus der Residenz, das flüchtige Leben der Sterbenden aufzuhalten. Umsonst - das Kind starb zuerst, und an dem nämlichen Tage folgte ihm die Mutter. Ihr Gatte war außer sich - er raste förmlich, warf sich über den Leichnam und schwur, daß er nicht ohne die Dahingeschiedene leben könne und wolle. Er widersetzte sich sogar den Leuten, nach denen geschickt war, die Leiche für das Begräbniß vorzubereiten, und die Aerzte, die für seinen Verstand fürchteten, drangen endlich darauf, daß /58/ er entfernt würde. Im Anfange ließ er sich das auch wirklich gefallen, schon nach der ersten Nacht aber fing er an zu toben und schrie, daß man seine Frau, von der er behauptete, sie wäre ihm im Traume erschienen, lebendig begraben wolle. Er wüthete dabei dermaßen, daß man ihn festhalten und in eine Zwangsjacke einschnüren mußte.

      „So lag er sechsunddreißig Stunden, bis er endlich ruhiger wurde oder seine Kräfte doch so aufgerieben hatte, um sich nicht weiter rühren zu können. Die Zwangsjacke wurde ihm dann allerdings wieder ausgezogen, aber Wochen vergingen doch noch, ehe ihn die Aerzte für so weit wieder hergestellt erklärten, die Anstalt verlassen zu können. Er reiste augenblicklich nach Hause, und seine Schwester, die indessen sein Haus verwaltet, fand ihn wohl noch niedergeschlagen und ernst, aber doch sonst ruhig und selbst gefaßt. Er erkundigte sich nach dem Begräbniß, wie es gehalten worden, und ob Mutier und Kind zusammen begraben wären, fragte, ob die Aerzte auch in der That jedes Mittel angewandt hätten, sich von dem wirklichen Tode der Hingeschiedenen zu überzeugen, und schien sich, als ihm alle diese Fragen genü-gend beantwortet worden, vollständig beruhigt zu haben.

      „Er aß zu Mittag, trank seinen Kaffee und sagte dann seiner Schwester, daß er hinaus auf den Kirchhof gehen und die Gruft, in der sein Weib und Kind ruhten, besuchen wolle. Seine Schwester wollte ihn allerdings begleiten, aber er lehnte es ab. Er wünschte allein mit seinem Schmerz zu sein, und wenn er sich da draußen ordentlich ausgeweint, werde ihm schon bester und leichter werden."

      „Es war im Januar und bitter kalt, und der Kirchhof lag etwa eine halbe Stunde von der Stadt entfernt. Mein Oheim hatte dort ein Erbbegräbniß, ein ziemlich tiefes und geräumiges

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