Raumfahrt - wohin und wozu. Thomas Ahrendt
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Ein mögliches Weltraumhabitat könnte zum Beispiel eine 15 km große Kugel sein, mit einer dünnen Außenhaut aus transparentem Material, die das Entweichen der Luft verhindert und die die auftreffende solare Strahlungsenergie ungehindert hindurch lässt. Der Luftdruck seinerseits gibt der Struktur die nötige Festigkeit. Unter der Hülle gibt es Einrichtungen und Vorrichtungen, zur Nutzung der Sonnenenergie, entweder Chlorophylltanks (oder künstlicher Fotosynthese) oder elektrische Anlagen - in dem Fall würde die Kugel über riesige hauchdünne solarelektrische Membranflügel verfügen, um die Fläche für das Sonnenlicht zu vergrößern und über Wärmeraditoren, um eine Überhitzung zu verhindern.
Vor unserer kosmischen Haustür, im Raum zwischen Erde und Mond ist alles das reichlich vorhanden, was auf der Erde knapp wird: Energie und Rohstoffe - in großem Umfang. Durch die geringe Mondschwerkraft wird der Transport von Materialien durch elektromechanische Katapultmaschinen in diesen "geolunaren Raum" außerdem noch viel billiger. Wenn die zu errichtende Station oder Siedlung nahe eines gewissen Punktes der Mondbahn liegt, ist der Geschwindigkeitsbedarf besonders gering. Eine lunare Montanindustrie liefert die nötigen Rohstoffe für den Bau der Erdaußenstation. Von einer weiterhin zu errichtenden Arbeitsstation aus wird die erste Einheit der Weltraumwohnstätten für 10.000 Menschen errichtet, deren wichtigste Aufgabe darin besteht, weitere Habitate zu bauen, um eine erste Kolonisationsphase einzuleiten. Zunächst müssen Kilotonnen von Material von der Erde ins All befördert werden; soll sich die erste Station reproduzieren, kommen noch etwa 10 Megatonnen vom Mond zur Abschirmung der primären kosmischen Strahlung dazu.
Die Hauptaufenthaltsgebiete der Siedler in den kosmischen Inseln - mächtige Zylinder von 32 km Länge und 6,4 km Durchmesser - besitzen normale, das heißt irdische Schwerkraft, die durch Rotation erzeugt wird. Der Personen- und Gütertransport erfolgt durch zylindrische Kanäle entlang der schwerelosen Null-g-Rotationsachse und durch Magnetschwebebahnen an der Außenseite. Dadurch gelangt man zu den Produktionsanlagen außerhalb des Habitats. Der Lebensraum im Zylinderinneren kann unglaublich fantastisch gestaltet werden. Diese Megastationen des 3. Typs bietet ausreichend Platz für 10 Millionen Menschen - mehr als in den meisten Großstädten. Allein die Luft im Inneren einer Insel III-Kolonie hätte bei 1 bar 1,2 Gigatonnen Masse.
Andere Weltraumkolonien könnten torusförmig sein, also die Form riesiger Reifen haben. Durch seine Rotation entsteht künstliche Schwerkraft wie auf der Erde, damit sich seine Bewohner normal bewegen können. Der Reifenhohlraum wäre 35 km lang, in seinem Inneren wäre eine Landschaft modelliert und es würde ein Wettergeschehen für seine mehrere Millionen Bewohner geben. Riesige Sonnenspiegel lenken Sonnenlicht durch transparente Wände in die künstliche Ökosphäre und erzeugen somit Tag und Nacht und Wärme.
Die Weltraumkolonien könnten sich zum Beispiel in EML4 und 5 befinden; an diesen Regionen gleichen sich die Anziehungskräfte zwischen Erde und Mond aus und ein dritter Körper mit vergleichsweise vernachlässigbarer Masse verbleibt an diesen Regionen auf einer stabilen Position. Auch der GSO wäre ein bevorzugter Platz, da eine dortige Weltraumstadt gleichzeitig eine Energiestation für die Erde sein könnte.
Durch die vollständige Unabhängigkeit ihrer Bio-Techno-Ökosphären von der Erde wären die Bewohner auch psychisch nicht mehr an sie gebunden, so dass sie sich in einer späteren Generation dazu entschließen könnten, ihre Kolonie als Multigenerationenschiff zu verwenden und zu anderen Bereichen des Sonnensystems wie dem Planetoidengürtel, zu anderen Planeten und Monden, dem Kuipergürtel oder der Oortschen Wolke oder sogar zu den Sternen aufzubrechen.
Wenn die Sonne alt geworden ist und unsere Nachfahren woanders hin müssen, bevor sie von der Sonne verdampft und verschluckt werden, gibt es genügend asteroidales Eisen um ein wirklich großes Raumschiff zu bauen - etwa ein zylindrisches mit 1 km Durchmesser und - da genügend Stahl vorhanden ist - eine Länge von 4 Milliarden Kilometer, damit reicht es von der Sonne bis jenseits des Uranus. Vielleicht begrenzt man die Raumschifflänge auch auf 1000 km; dann lassen sich stattdessen 4.000.000 Schiffe bauen, wovon jedes 2,5 Milliarden Menschen fasst oder man baut 4 Milliarden Schiffe, die nur 1 km lang sind. Selbst diese hätten noch genügend Platz für jeweils 2,5 Millionen Menschen und könnten diese zu jedem sonnenähnlichen Stern in der Galaxis bringen. Durch Recycling und Kernfusion stellt jedes Schiff hinsichtlich Rohstoffe und Energie eine autarke Einheit, eine kleine wandelnde Welt dar. Stellen wir uns eine andere interstellare Arche von 10 km Durchmesser vor, dementsprechend ein Volumen von 1000 km³ und einer Masse von 2,5 Gigatonnen; in ihr haben 1 Milliarde Menschen Platz. Doch der Planetoidengürtel hat genügend Masse, um 1 Milliarde dieser Archen zu bauen.
Um ein derartiges Generationenschiff auf 1000 km/s zu beschleunigen, sind 10 Megatonnen Helium-3 nötig; um sie alle auf die Reise zu den Sternen zu schicken, sind dementsprechend 10 Billiarden Tonnen Helium-3 erforderlich - so viel? Keine Angst, die Helium-3-Vorkommen auf Uranus und Neptun sind 500-mal größer, ganz zu schweigen von Jupiter und Saturn. Alleine mit nur 1% der Heliumvorräte von Uranus und Neptun ließen sich 1 Milliarde interstellarer Archen mit je 1 Milliarde Menschen (oder Transhumanen und KLs) zu anderen Planeten um andere Sternen schicken, die sie entweder mittels (Para-)Terraforming besiedeln oder als Ressourcen für weitere Archen usw. nutzen. Vielleicht suchen sie sich aber auch Sterne aus, die nicht der Sonne ähnlich sind und die keine Planeten, sondern nur Planetoiden und Kometen haben?
Wir verfügen tatsächlich über die Ressourcen und das Potenzial, die gesamte Milchstraße zu besiedeln.
Planetoiden
Was die Energiemenge, also das Delta-V angeht, sind ENAs im Vergleich zum Mond leicht erreichbar, da ihre Anziehungskraft gering ist; die Fallbeschleunigung liegt in der Größenordnung von einigen cm/s²; die Entfernung ist im Gegensatz zum Delta-V in der Raumfahrt allgemein zweitrangig. Zu ENAs zu reisen ist einfacher als zum Mond zu fliegen, die entsprechenden Raketentechnologien gibt es schon und eine solche Reise wäre kürzer als die bis zum Mars; überhaupt liegt der Schwierigkeitsgrad einer solchen ENA-Mission zwischen dem einer Mars- und dem einer Mondmission. So würde eine Hinreise zum ENA "Nereus" 10 Monate, der Rückflug nur 3 Wochen dauern und der Aufenthalt 30 Tage. Sollten Menschen zum Mars fliegen, wären ENAs eine günstige und geeignete Trainingsgrundlage.
Um einen Megaimpakt zu verhindern, sollten wir zu diesen Kleinwelten reisen und ihre Bahnen mit großen Raketentriebwerken oder elektrodynamischen Massenschleudern ändern, oder man stattet sie mit großen Reflektoren aus und bringt sie mithilfe des Sonnenlichts oder starker irdischer Laser auf einen anderen Kurs. Gelingt es, Planetoiden in eine Erdumlaufbahn zu bringen, liefern diese Welten Mineralien und Edelmetalle sowie Ressourcen für den schwerelosen Aufbau einer Weltrauminfrastruktur.
Mit verbesserten Raumfahrzeugen und dem Weltraumlift werden Starts von der Erde leicht und erschwinglich; befindet man sich erst mal im Raum, steht der gesamte Planetoidengürtel zur Verfügung, mit dessen Rohstoffen die materiellen Bedürfnisse einer Bevölkerung gedeckt werden können, die millionenfach größer ist, als die Erde fassen kann.
Der Planetoidengürtel verfügt über abnorm hohe Rohstoffvorkommen, riesige Mengen an Sonnenenergie und sehr viel Bewegungsfreiheit; ein wunderbarer Ort, wo viele Menschen leben und dessen Ressourcen dazu verwenden könnten, um die Erde von einigen Milliarden Menschen zu entlasten und den Mars bewohnbar zu machen. Wenn unsere Nachfahren den Planetoidengürtel und die trojanische Region in Jupiternähe erschließen, werden sie Rohstoffe und Energie haben, um eine Gesellschaft zu gründen, die einige Zehnbilliarden Menschen