Oliver Twist. Charles Dickens
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Der wohlgenährte, rotwangige Speisemeister erblaßte, starrte den kleinen Rebellen wie betäubt vor Entsetzen an und mußte sich am Kessel festhalten. Die Frauen waren vor Erstaunen, die Knaben vor Schreck sprachlos. »Was willst du?« fragte der Speisemeister endlich mit schwacher Stimme. Oliver wiederholte unter Furcht und Zittern seine Worte, und nunmehr ermannte sich der Speisemeister, schlug ihn mit dem Löffel auf den Kopf und rief laut nach dem Kirchspieldiener.
Das Armenkollegium war eben versammelt, als Mr. Bumble in großer Erregung hereinstürzte und, zu dem Herrn auf dem hohen Stuhle gewandt, sagte: »Mr. Limbkins, ich bitte um Verzeihung, Sir! Oliver Twist hat mehr gefordert.«
Das Kollegium war starr. Entsetzen über eine solche Frechheit malte sich auf allen Gesichtern.
»Mehr!« erwiderte Mr. Limbkins. »Fassen Sie sich, Bumble, und antworten Sie mir klar und deutlich. Verstehe ich recht, daß er mehr gefordert hat, nachdem er die von dem Direktorium festgesetzte Portion verzehrt hatte?«
»Jawohl, Sir,« entgegnete Bumble.
»Denken Sie an mich, Gentlemen,« sagte der Herr mit der weißen Weste, »der Knabe wird dereinst gehängt werden.«
Niemand widersprach dieser Prophezeiung. Es entspann sich eine lebhafte Diskussion. Oliver wurde auf Befehl des Kollegiums sofort eingesperrt und am nächsten Morgen wurde ein Anschlag an die Außenseite des Tores geklebt, in dem jedermann, der Oliver Twist zu sich nehmen wollte, die Summe von fünf Pfund zugesprochen wurde – mit anderen Worten, man bot Oliver Twist um fünf Pfund an jedermann aus, sei es Mann oder Frau, der einen Lehrling oder Laufburschen brauchte, gleichviel wer und in welchem Handwerke oder Geschäfte.
Kapitel 3
Berichtet, wie Oliver Twist nahe dran war, eine Anstellung zu bekommen, welche keine Sinekure gewesen wäre
Wenn es Oliver darum zu tun gewesen wäre, die Prophezeiungen des Herrn mit der weißen Weste selbst wahr zu machen, so hätte er zum wenigsten Zeit genug dazu gehabt; denn er blieb acht Tage lang eingesperrt. Allein um sich im Gefängnis zu erhängen, fehlte ihm erstlich ein Taschentuch – denn Taschentücher waren als Luxusartikel verpönt – und zweitens war er noch zu sehr Kind. Er weinte daher nur den langen Tag über, und wenn die lange, grausige Nacht kam, so deckte er seine Händchen über seine Augen, um nicht in die Dunkelheit starren zu müssen, kroch in einen Winkel und versuchte zu schlafen. Aber immer und immer wieder fuhr er vor Angst und Entsetzen aus seinem unruhigen Schlummer empor und drängte sich dichter und dichter an die Wand heran, als wäre selbst ihre kalte, harte Fläche ein Schutz für ihn in der Finsternis und Einsamkeit, die ihn rings umgaben.
Es war indes dafür gesorgt, daß es ihm an Leibesbewegung, Gesellschaft und religiösem Troste nicht mangelte.
Was die Leibesübungen betrifft, so war es schönes, kaltes Wetter, und er durfte seine Waschungen jeden Morgen unter der Pumpe in einem gepflasterten Hofe vornehmen in der Gegenwart Herrn Bumbles, der durch wiederholte Anwendungen seines Stabes dafür sorgte, daß er sich nicht erkältete und daß eine prickelnde Empfindung seinen Körper durchlief. Was die Gesellschaft betrifft, so wurde er jeden zweiten Tag in den Saal geführt, wo die Knaben ihr Mittagbrot verzehrten und wo er vor deren Augen zum warnenden Beispiel ausgepeitscht wurde. Und weit entfernt, daß ihm die Segnungen des religiösen Zuspruchs vorenthalten worden wären, wurde er vielmehr jeden Abend zur Gebetsstunde in denselben Raum gestoßen; hier durfte er zuhören und seinem Gemüte Tröstung zuführen, da auf Anordnung des Kollegiums ein allgemeines Gebet der Knaben eingefügt worden war, das eine besondere Klausel enthielt, in der sie zu Gott flehten, er möge sie gut, tugendhaft, zufrieden und gehorsam machen und vor der Sündhaftigkeit und Lasterhaftigkeit Oliver Twists bewahren.
Während Olivers Angelegenheiten sich in diesem vielversprechenden und günstigen Zustande befanden, ereignete es sich eines Morgens, daß der Schornsteinfegermeister Mr. Gamfield auf der Landstraße langsam seines Weges zog, in tiefem Sinnen über die Mittel und Wege, wie er seine Miete, wegen deren er von seinem Hauswirt schon zu wiederholten Malen gemahnt worden war, bezahlen sollte. Mr. Gamfield mochte den Stand seiner Finanzen noch so sanguinisch betrachten: es fehlten ihm immer noch fünf Pfund an der nötigen Summe, und in einer Art arithmetischer Verzweiflung zermarterte er sein Gehirn und mißhandelte seinen Esel, als er am Armenhause angelangt, den Anschlag am Tore erblickte.
»Brrr!« sagte Mr. Gamfield zu dem Esel.
Der Esel war ebenfalls in tiefes Nachdenken versunken und beschäftigte sich wahrscheinlich gelegentlich mit der Frage, ob er einen oder zwei Kohlstrünke erhalten würde, wenn er die beiden Säcke Ruß, mit denen der kleine Karren beladen war, an Ort und Stelle gebracht hätte, und so trottete er denn weiter, ohne auf den Zuruf seines Herrn zu achten.
Mr. Gamfield stieß halblaut einen schweren Fluch aus, rannte dem Esel nach und gab ihm einen Schlag auf den Kopf, der jeden anderen Schädel, ausgenommen den eines Esels, zertrümmert haben würde. Dann ergriff er den Zügel und riß scharf an dem Kinnbacken des Tieres, um ihm in zarter Weise zu Gemüte zu führen, daß er nicht sein eigner Herr sei; durch diese Mittel gelang es ihm, den Esel herumzulenken. Dann gab er ihm einen zweiten Schlag auf den Kopf, um ihn bis zu seiner Rückkehr zu betäuben, und schritt, nachdem er diese Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, auf das Tor zu, um den Anschlag zu lesen.
Der Herr mit der weißen Weste stand, die Arme auf dem Rücken gekreuzt, vor dem Tore, nachdem er in dem Beratungszimmer einige tiefempfundene Wahrheiten zum besten gegeben hatte. Er hatte den kleinen Zwist zwischen Mr. Gamfield und dem Esel beobachtet und lächelte höchst vergnügt, als der Mann näher trat, um den Anschlag zu lesen, da er auf den ersten Blick sah, daß Mr. Gamfield gerade der richtige Lehrherr für Oliver sei. Auch Mr. Gamfield lächelte, als er das Schriftstück las, denn fünf Pfund waren gerade die Summe, die er brauchte, und was den Knaben betrifft, den er dazunehmen sollte, so wußte Mr. Gamfield, dem es bekannt war, welcher Art die Kost im Armenhause war, daß es sich um einen ganz kleinen, schmächtigen Kerl handeln würde, wie geschaffen für die neuen Patentschornsteine. Daher las er den Anschlag noch einmal von Anfang bis zu Ende durch, faßte als Beweis für seine Höflichkeit an seine Pelzmütze und wandte sich an den Herrn in der weißen Weste.
»Dieser Junge hier, den das Armenhaus als Lehrling vergeben will . . .« begann Mr. Gamfield.
»Ach, lieber Mann,« erwiderte der Mann in der weißen Weste herablassend, »was ist mit ihm?«
»Wenn das Kirchspiel ihn ein leichtes, angenehmes Handwerk, das achtungswerte Schornsteinfegerhandwerk, erlernen lassen will, so brauche ich einen Lehrling und bin bereit, ihn zu nehmen.«
»Treten Sie näher,« entgegnete der Mann in der weißen Weste. Mr. Gamfield lief erst noch einmal zurück, um dem Esel noch einen Schlag vor den Kopf zu versetzen und am Zaume zu reißen, als Warnung, er möge es sich nicht etwa einfallen lassen, in seiner Abwesenheit durchzugehen, und folgte dann dem Herrn mit der weißen Weste in das Zimmer, wo Oliver diesen zuerst gesehen hatte.
»Es ist ein schmutziges Gewerbe,« erwiderte Mr. Limbkins, als Mr. Gamfield seinen Wunsch abermals vorgebracht hatte.
»Es ist auch schon vorgekommen, daß Knaben in den Schornsteinen erstickt sind,« sagte ein anderer Herr.
»Das kam nur daher,« versetzte Gamfield, »daß man das Stroh naß machte, ehe man es im Kamin anzündete, um die Jungen herunterzuholen; es gab nur Rauch, aber keine Flamme. Rauch aber