Karibisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani
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Was gab es weiter zu sehen? Eine alte Kirche in malerischer Lage vor dem Horizont des Meeres, ein wuchtiges Felsengebilde vor der Küste, das früher einmal wie eine Brücke ausgesehen hatte, nun aber eingebrochen war und einen Leuchtturm, um den sich zur Mittagszeit alle Tagesausflügler versammelten, als wäre es der Heilige Gral. Von diesem Leuchtturm aus überblickten wir die gesamte Insel, einen flachen, trockenen Fladen in einem regenlosen Winkel des karibischen Meeres. Hier trafen wir auch Marianne und August wieder. Sie gehörten zu einer offiziellen AIDAdiva-Tour und hatten für den Ausflug pro Person fünfzig Dollar bezahlt. Unsere preiswerte Extratour war natürlich nicht dazu angetan, unseren Kurs bei ihnen zu erhöhen. Schon auf der Rückreise, nördlich von Oranjestad, passierten wir den Palm- und den Eagle-Beach mit ihren Luxushotels, in denen mehrheitlich US Amerikaner abstiegen. Der Palm- und der Eagle-Beach gehörten zu einem über zehn Kilometer langen ununterbrochenen Strip von makellosen Weißsandstränden, die kinderfreundlich und wellenarm ganz sachte ins Meer abfielen. Wenn ich im nächsten Leben Kinder haben sollte, werde ich ihnen hier das Schwimmen beibringen.
Blick auf Willemstad/ Curacao
Willemstad, so bunt – CURACAO
Die Entfernung zwischen Aruba und Curacao betrug nur 137 Kilometer, so dass das Schiff, um Liegegebühren zu sparen, in der Nacht die Motoren stoppte und einfach eine Zeitlang in Sichtweite Curacaos ankerte. Erst gegen 7:00 Uhr in der Frühe erschien ein kleines Pilot-Boot und lotste die AIDAdiva in den Hafen von Willemstad. Langsam unterquerte unser gewaltiger Kahn die 57 Meter hohe Königin Juliana-Brücke, die höchste Brücke der Karibik, und legte an einer schlauchartigen Mole mitten in der Stadt an. Hunderte Schaulustige hatten das Anlegemanöver von den Balkonen oder dem Oberdeck aus verfolgt. Ebenso viele saßen bereits beim Frühstück und blickten wie aus einem Hochhaus auf Willemstad herab.
Willemstad machte einen noch wohlhabenderen Eindruck als Oranjestad. Die Stadt lebte nicht nur vom Kreuzfahrttourismus, sondern auch vom Lateinamerikahandel und der Raffinierung des venezuelanischen Erdöls, ein Geschäft, das wegen der katastrophalen Zustände in Venezuela derzeit allerdings nicht florierte.
An diesem Morgen ließen wir es ruhig angehen, frühstückten ausgiebig im Angesicht der wundersamen bunten Stadt und studierten die Informationen, die den Passagieren jeden Morgen als Faltblatt unter die Türe geschoben wurden. So, so die Insel Curacao umfasste also 444 qkm, auf denen insgesamt gut 160.000 Menschen lebten. Sie war die mit Abstand größte und bedeutendste Insel der Niederländischen Antillen und konnte auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Kaum hatten die Holländer die Insel besetzt, waren im Jahre 1655 schon die ersten Juden nach Curacao gekommen. Sie etablierten ein neues Verfahren der Zuckerbleichung, intensivierten den transatlantischen Sklavenhandel und errichteten, fromm wie sie waren, in Willemstad die erste Synagoge der Neuen Welt. Auch Curacao briet jahraus jahrein unter einem regenarmen Himmel, so dass das Trinkwasser über Meerwasserentsalzungsanlagen gewonnen werden musste.
Wieder befand sich die Anlegestelle unseres Schiffes in fußläufiger Entfernung zur Stadt. Rechter Hand erstreckte sich ein kleiner Platz mit der Statue des Befreiers Simon Bolivars. Man pflegte also die lateinamerikanischen Traditionen, hatte aber keine Lust, wirklich unabhängig zu werden, weil dann die fetten niederländischen Subventionen wegfallen würden. Linker Hand führte eine bewegliche Pontonbrücke nach Punda, dem touristischen Zentrum von Willemstad. Punda glich einem karibischen Disneyland mit einer lückenlosen Aneinanderreihung knallbunter Häuser mit Hollandfenstern und Amsterdamer Giebeln, Markengeschäften, Restaurants und Museen. Unmittelbar neben diesem Disneyland hatte im Süden Pundas der sogenannte „schwimmende Markt“ geöffnet. Er wurde von venezuelanischen Fischern betrieben, die fast täglich die Meerenge zwischen Curacao und dem südamerikanischen Festland überquerten, um im Schatten ihrer kleinen Schiffe Meeresfrüchte, Gemüse und Obst anzubieten. Hier waren wild gestikulierende Gesellen am Werk, und es war ein sehenswerter Anblick, die wettergegerbten Latinoamericanos Aug in Aug mit glattschneckenartigen Kreuzfahrttouristen um den Bananenpreis verhandeln zu sehen.
Gegen Mittag spazierten wir zum alten Fort Amsterdam, das zu einem Luxusrestaurant umgebaut worden war. Gleich daneben begann wieder die Fußgängerzone von Punda, eine blankgewienerte Komfortzone, die sich so makellos darbot, dass man unwillkürlich den Impuls verspürte, die Schuhe auszuziehen.
Blick auf den Ortsteil Punda/Willemstadt, Curacao
Authentisch oder touristisch zubereitet – so schön hatte ich mir Curacao nicht vorgestellt. Blitzblanke Karibik unter ewiger Sonne. Die Stimmung war entspannt bis an den Rand der Schläfrigkeit. Die Einheimischen saßen tiefschwarz und allzeit freundlich grüßend den ganzen Tag auf Bänken und Simsen und palaverten mit Ihresgleichen. So vielfältig der karibische Menschenschlag auch sein mochte, das Element der Gelassenheit schien ihr gemeinsamer Nenner zu sein.
Allerdings waren auch hier die Geschäfte, Eingänge und Balkone sorgfältig vergittert. Man durfte sich also vom bunten Schein nicht täuschen lassen. Das wahre Ausmaß der Friedfertigkeit einer Gesellschaft zeigte sich am Ausmaß ihrer Vergitterung. Eine imaginäre Skala führt von wandlosen Fale-Fale-Häusern auf Samoa über die allseits offenen Haustüren im ländlichen Nordamerika bis hin zu den Wohnungs- und Hausfestungen Südamerikas. Wie sollte man es beurteilen, dass nun auch in Deutschland der Markt für Türschlösser und Sperranlagen florierte?
Der Tag auf Curacao klang aus mit einer rauschenden Karibik-Party auf dem Oberdeck. Es gab erstklassige Steaks, süffigen Wein und Reggae Musik. Auch der Kapitän war anwesend und mischte sich unter das Volk, während seine Offiziere beim Bierausschank halfen. Wir aßen und saßen im Strandkorb auf dem zwölften Deck und sahen rund um uns die funkelnden Lichter von Willemstad. Über uns der gestirnte Himmel, in der Hand der Punsch, erfüllte uns ein Gefühl der Unwirklichkeit. Reisen als Mitte zwischen Illusion und Rausch. War es das?
Das Schönste unter Wasser: BONAIRE
Ruhige Nacht, ruhiger Morgen, erster Kaffee auf unserem Kabinenbalkon. Auch der Nachbar war schon aufgestanden, ein etwas älterer Herr, der mich jedes Mal überrascht ansah, als könne er gar nicht glauben, welche Figur sich neben ihm einquartiert hatte. Meine Versuche, eine lockere Konversation von Balkon zu Balkon zu beginnen, schlugen völlig fehl. Seine Frau war eine strenge, fast quadratische Dame, die sich nie zeigte und von deren Existenz wir nur wussten, weil wir hörten, wenn sie ihren Gatten zur Schnecke machte.
Die Insel Bonaire unterschied sich auf den ersten Blick in nichts von Aruba und Curacao. Kralendijk hieß die Hauptstadt der vierzig Kilometer langen und 288 qkm großen Insel. Hier lebten 1300 der 1600 Inselbewohner. Eine kleine Stadt mit dem unbestreitbaren Vorzug, nicht so überlaufen zu sein wie Oranjestad oder Willemstad, was aber einfach daran lag, dass es in Bonaire wenig zu sehen gab.
Unsere erste aidagebuchte Tour über den Norden von Bonaire kostete 25 Dollar pro Person und dauerte zwei Stunden. Sie war konzipiert nach dem Prinzip einer leeren Zahnpastatube, die nach allen Regeln der Kunst ausgequetscht wurde, ohne dass etwas dabei herauskam. Unser Fahrer war ein schlanker, gutmütiger Farbiger, dessen Englisch kaum zu verstehen war. Zunächst fuhren wir die staubige Küste nach Norden und begutachten eine Tauchstation