Der Alpdruck. Ханс Фаллада

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Der Alpdruck - Ханс Фаллада

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ihm sagte der Wirt halb bittend, halb böse: »Unterlassen Sie das, Herr Dr. Doll! Ich dulde keinen Streit in meinem Lokal! Gehen Sie vor die Tür, wenn Sie ...«

      Doll fuhr unbeirrt ebenso leise fort: »Oder wünschen Sie, daß ich Ihnen hier öffentlich mit der Hand ins Gesicht schlage? Sie wie ein Kind strafe, das gelogen hat –?«

      Der alte schwere Mann war bewegungslos auf seinem Platz im Sofa sitzen geblieben. Das Gelb seines Gesichtes wandelte sich langsam unter dem drohenden Blick Dolls in ein fahles Grau, aber sein fischiges Auge blickte, ohne zu blinzeln und ohne erkennbaren Ausdruck, auf den Bedroher. Als dieser schweig, war es, als wolle er antworten, seine Lippen bewegten sich, dann erschien die Zungenspitze, wie um sie anzufeuchten, aber kein Laut wurde vernehmbar.

      »Also gehen Sie schon, Herr Dr. Doll!« sagte der Wirt mit eifrigem Drängen. »Sie sehen ja, Herrn Dr. Wilhelm tut es leid ...«

      Hier begann der alte Tierarzt plötzlich, unbegreiflich hartnäckig, wie eine Pagode mit dem Kopf zu schütteln.

      »Pssst! Pssst!« machte der Wirt wieder, als scheuche er Hühner. »Du wirst doch nicht, Willem!«

      Doll hatte einen Augenblick diesen pagodenhaft Schüttelnden starr angesehen, jetzt hob er die Hand und schlug mit ihrer Fläche dem Verleumder leicht ins Gesicht.

      Wie ein aus tiefster Brust geholtes »Ah –!« kam es von den Zuschauern dieser Szene.

      »Da –!« sagte der Wirt, offenbar erleichtert, daß nicht stärker und daß nicht zurückgeschlagen wurde.

      Einen Augenblick hatte Doll dem Gegner drohend und doch wie erlöst ins Gesicht gesehen. Die zerrenden, zwängenden Gewalten in seiner Brust hatten sich beruhigt, er war endlich wieder frei, von Haß wie von Zorn. Doch da geschah etwas Schreckliches, ganz Unerwartetes: aus den beiden ausdruckslosen Augen des alten Mannes traten zwei große klare Tränen. Einen Augenblick verharrten sie am Lidrand, dann rollten sie langsam über die Wangen. Andere folgten, mehr und mehr, nun lief es schon in ganzen Bächen über das lederne Nussknackergesicht, das von der Nässe glänzend wurde. Die Kehle begann zu schluchzen: »Oh –! Oh –! Oh –!« schluchzte der alte Tierarzt. »Oh, mein Gott, er hat mich geschlagen! Was soll ich nur tun –?! Oh –! Oh –! Oh –! Ich kann keinem Menschen mehr ins Gesicht sehen, ich muß sterben! Oh –! Oh –! Oh –!«

      Als Doll zuschlug, hatten die Sympathien im Raum zweifelsohne ihm gehört, das tief erlöste »Ah!« aus ihren Kehlen hatte das bestätigt. Aber die Tränen des alten Arztes änderten das. Doll war vom ersten Augenblick an fest davon überzeugt, daß es nur Krokodilstränen waren, schlau darauf berechnet, die Wirkung der Züchtigung aufzuheben und die Stadt auf seine Seite zu bringen.

      »Oh –! Oh –! Oh –!« weinte Dr. Wilhelm immer noch. »Er hat mich geschlagen – grade heute zu meinem 63. Geburtstag –! Und ich habe ihm nie etwas getan. Immer habe ich für ihn zum Guten gesprochen, wenn die Leute schlecht von ihm redeten. Ich war ihm ja so dankbar für all den vielen Wein, den er mir geschenkt hat –!«

      Bei diesen letzten Worten fühlte Doll Zorn und Haß von neuem erwachen. Lebhaft stand ihm die Szene vor Augen, wie er den Tierarzt wegen gar zu eigenmächtiger Freischluckerei vom Tische gejagt. Die Verleumdungen hatten begonnen, nicht, weil er viele Male »vielen Wein« geschenkt, sondern weil er einmal den Wein verweigert hatte. »Nun ist es aber genug!« rief er zornig. »Ein altes Wasch- und Klatschweib sind Sie – darum habe ich Sie geschlagen. Und wenn Sie hier weiter so lügen, werde ich Sie noch einmal schlagen, trotz ihrer verstellten Tränen –!« Und er hob drohend die Hand.

      Aber Doll hatte nicht mit den andern im Raum gerechnet. Sie hätten ja eigentlich ihren alten Farken-Willem kennen müssen, und wirklich kannten sie ihn seit vielen Jahren und hielten gar nichts von ihm. Aber diese Tränen und Klagen gegenüber entließen sie sofort ihre Erfahrung und Verstand. Ein schluchzender Alter wirkt immer auf das Gefühl, und sie drängten, der Bahnhofswirt voran, auf Doll ein: »Ja, nun ist es wirklich genug! – Sie werden doch den alten Mann nicht noch einmal schlagen –! – Am besten verlassen Sie sofort das Lokal, Sie können sich auch Ihre angetrunkene Flasche Wein mitnehmen –!«

      Und in einem Augenblick war Doll von seinem Feinde fortgedrängt, man gab ihm seinen Hut, der Bahnhofswirt legte ihm in die Aktentasche die eilig zugestöpselte Weinflasche, und plötzlich stand Doll auf dem Platz vor dem Bahnhof. Der Wirt aber sah ihn bekümmert aus den rötlich geäderten Augen an und sagte: »Das hätten Sie nie tun dürfen, Herr Doll, das bringt die ganze Stadt gegen Sie auf! So was tut ein feiner Mensch nicht: Schlagen! – Na, es mag sich ja alles wieder zurecht laufen ...«

      Aber leider lief sich nicht alles wieder zurecht. Der Wirt behielt recht: Doll verlor den letzten Rest von Sympathie in der Stadt, er wurde das, was er dann in alle Zukunft bleiben sollte: der meistgehasste Mann weit und breit.

      Und Dr. Wilhelm operierte in diesem Falle mit teuflischer Geschicklichkeit; dieses Mal gab ihm sein galliges Hirn ausgezeichnete Ratschläge. Nach dem Fortgange Dolls hatte er immer weiter geweint und schluchzend versichert, diese Schande überlebe er nicht. Er müsse sich das Leben nehmen, und das gerade an seinem Geburtstage ...

      Sie gaben ihm Wein zu trinken, damit er sich beruhigte, viel Wein und dann führten sie ihn nach Haus. Die Kunde aber von der ihm angetanen Schmach durcheilte die ganze Stadt, sie erweckte ihm Sympathien selbst da, wo er nie welche besessen. Nicht umsonst hatte er immer wieder betont, wie schlimm es doch sei, daß dieses ihm grade an seinem Geburtstag geschehen wäre: noch Tage später bekam er Geschenke – Lebensmittel, Wein, Schnaps – von Leuten, die ohne dies Ereignis nie daran gedacht hätten, von dem Geburtstage des Freischluckers Notiz zu nehmen.

      Unterdes ging der Krieg weiter, durch ein und durch zwei Jahre. Die Leute hatten jetzt andere Sorgen als die von Doll und seinem schlimmen Lebenswandel.

      Auch Doll hatte an anderes zu denken: in diesem Jahre wurde seine Ehe geschieden. Er hatte mancherlei Sorgen, und es tat ihm darum um so mehr weh, wenn er den schon überwunden gewähnten Haß beim Anblick des Tierarztes wieder losbrechen spürte, mit der alten Gewalt, unverändert durch die Zeit, immer noch die alte Schmach ...

      Dann tauchte nach langer Abwesenheit die junge Frau wieder im Städtchen auf. Jetzt trug sie schwarze Kleidung. Doll erfuhr, daß sie schon seit längerem Witwe war. Aber wenn die Leute bei dieser Nachricht neugierig in sein Gesicht spähten, so lasen sie darin nichts als Gleichgültigkeit. Und es war wirklich Gleichgültigkeit, die Doll empfand. Wenn er vor zwei Jahren, in einer entflammten Stunde, etwas mehr für diese Frau gefühlt hatte, so war das längst vergessen, er erinnerte sich nicht mehr ...

      Aber das Leben in einer kleinen Stadt hat seine eigenen Gesetze. In einer großen Stadt begegnen sich Menschen, um sich nie wiederzusehen. Hier aber war dieser Außenseiter Doll, ein Mann, der trotz seines Geldes durch sein hochfahrendes Wesen nur Verdacht erregen konnte. Und da war diese junge Frau, jetzt zweifelsfrei Witwe, dreiundzwanzig Jahre alt, nicht mehr, obwohl sie bereits die Mutter eines fünfjährigen Kindes war, und sie trug zur Trauer gelackte Fingernägel und machte sich den Mund purpurrot. Die Kleinstadt wußte, was sie von einer solchen Frau zu halten hatte, genau wie sie über Doll Bescheid wußte!

      Eine gemeinsame Abwehrfront gegen sich, ausgeschlossen vom Leben der andern, bespitzelt, beargwöhnt, verleumdet, mußten sie eines Tages zueinander kommen.

      »Guten Tag!« sagte Doll zögernd. »Wir haben uns lange nicht gesehen ...«

      »Ja«, antwortete sie. »Und viel ist seitdem geschehen.«

      »Richtig!« erinnerte er sich und sah die junge Frau an. Sie schien ihm noch schöner in der Trauerkleidung. »Sie haben Ihren Mann verloren ...«

      »Ja«,

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