Der Alpdruck. Ханс Фаллада

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Der Alpdruck - Ханс Фаллада

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begleitete die junge Frau, stolpernd, fallend, fluchend, lachend, auf ihrem Heimwege. Kopfnickend, das lederne Gesicht noch mehr verzogen, als fräße er reine Galle, machte der Tierarzt sich auf den Heimweg, langsam und gravitätisch, mit sehr auswärts gesetzten Füßen.

      Am nächsten Morgen schon durchflogen Gerüchte von der ‹Orgie›, die im ersten Hotel der Stadt gefeiert worden, die Straßen und Gassen und gelangten mit den Milchwagen auch bald aufs freie Land. Doll, den ein telefonischer Hilferuf der jungen Frau in die Stadt holte, erfuhr von dieser, daß die sehr bigotte Frau des Hoteliers ihr ‹wegen unsittlichen Auftretens› für heut und immer die Gaststube verboten habe. Die junge Frau war unglücklich und empört; zum erstenmal in ihrem Leben sah sie sich einem jener Kleinstadt-Urteile gegenüber, die ohne Anhören des Beschuldigten gefällt werden und gegen die es weder Berufung noch Wehren gibt.

      »Und wir haben uns doch nichts vorzuwerfen! Nichts ist geschehen, nicht einmal ein Kuss! Und dieses Schwein von einem Tierarzt hat erzählt, ich hätte den ganzen Abend auf Ihrem Schoß gesessen, und Sie dann in der Nacht mit mir nach Haus genommen! Wo doch das ganze Hotel weiß, daß Sie dort übernachtet haben!«

      Dies war richtig: nachdem sich nämlich herausgestellt hatte, daß Doll weder gehen noch radeln konnte, hatte ihn seine Begleiterin zum Hotel zurückgeführt, wo er sich dann ein Zimmer genommen hatte.

      »Nein, Herr Doll, Sie müssen unbedingt mit dem Wirt reden! Das Lokalverbot gegen mich muß aufgehoben und diesen ekelhaften Gerüchten Einhalt getan werden! Sie müssen mir helfen, Doll, ich bin sehr unglücklich! Wie gemein das alles ist –! Die hier hassen eine Frau schon, bloß weil sie gut aussieht und gerne lacht. Am liebsten verkaufte ich unser Wochenendhaus auf der Stelle und käme nie wieder hierher –!«

      Tränen standen in den Augen der jungen Frau, und Doll versprach alles, was sie wünschte. Er hätte es aber auch ohne diese Tränen getan, denn auch ihn erfüllten Wut und Haß. Doch sollte er rasch erfahren, daß solche Gerüchte leichter entstehen als ausgelöscht werden. Der unter der Fuchtel der bigotten Frau lebende Hotelier wand sich wie ein Wurm; schließlich, als die Debatte hitziger wurde, verschwand er sachte aus dem Zimmer und – ward an diesem Tage nicht mehr gesehen. Der als Entlastungszeuge angerufene Amtsgerichtsrat, sichtlich von Eifersucht auf den jüngeren, erfolgreichen Doll besessen, war ungewiß in seinen Angaben: in der Gaststube habe er nichts Anstößiges beobachtet. Was dann in der Nacht draußen auf der Straße geschehen sei, darüber könne er freilich nichts aussagen. Mit solchen Geschichten habe er übrigens nicht gerne etwas zu tun –!

      Empört rief Doll: »Was soll denn auf der Straße vorgekommen sein –?! Jeder im Hotel weiß, daß ich hier übernachtet habe!«

      Sanft, mit gesenktem Kopf, gab die Hoteliere zu bedenken, daß zwischen dem Fortgang der beiden und seiner, Herrn Dolls, Rückkehr ins Hotel immerhin mehr als eine Stunde vergangen sei –!

      »Das ist maßlos übertrieben!« rief Doll. »Eine Viertelstunde vielleicht, im höchsten Falle eine halbe Stunde kann es gedauert haben –!«

      Die Hoteliere und der Amtsgerichtsrat lächelten, dann meinte die Frömmlerin, auch eine halbe Stunde sei lang, auch in einer halben Stunde könne vieles geschehen ...

      Jetzt drückte sich auch der Amtsgerichtsrat aus der Stube, den zornigen Ruf Dolls, wie sie zu der Unverschämtheit komme, zwei unbescholtenen Menschen ohne jeden Anhalt zuzutrauen, sie könnten nicht eine halbe Stunde im Rechten Zusammensein, hörte der alte Richter nur noch vom Gang aus. Er lauschte auch nicht mehr länger: dies sah ganz danach aus, als könne es ein Prozeß werden, und in einem solchen Prozeß als Zeuge aufgerufen zu werden, das war nicht sein Wunsch.

      Doll ermatteten in der Folge sowohl Angriffslust wie Empörung im Kampfe gegen eine frömmlerische Frau, die auf all seine Einwände und Forderungen nur mit einem halben Lächeln und zweideutigen, ausweichenden Worten antwortete. Nicht einmal auf seine klare Frage, wie sie es denn nun mit dem Lokalverbot für die junge Frau zu halten gedenke, antwortete sie mit einem klaren Ja oder Nein.

      Unvermittelt brach Doll in ein Lachen aus und ließ die Hoteliere stehen. Gegen was kämpfte er hier –? Der Kampf des Don Quichote gegen die Windmühlenflügel konnte nicht aussichtsloser sein wie sein Streit mit dieser Frau, die bestimmt immer ihren angeschwärmten Führer gewählt hatte. Nein, was in dieser Sache noch zu tun war, das war mit dem Urheber all dieser Gerüchte abzumachen, diesem alten Waschweib in Hosen, dem tierärztlichen Freischlucker. Dem wollte er es schon besorgen –! Und von einer neuen Welle seines Zornes emporgetragen, machte er sich auf die Suche nach Dr. Wilhelm. Aber er ging umsonst, er fand ihn weder in seiner Wohnung noch in der Stadt, noch in einer Trinkstube. Es war, als hielte sich der alte Mann in Ahnung des ihm Drohenden versteckt – und vielleicht tat er das wirklich!

      So blieb Doll nichts, als zu einem Rechtsanwalt zu gehen und Briefe schreiben zu lassen, an den Tierarzt wie an die Hoteliere. Von dem Anwalt erfuhr Doll, daß jetzt im Kriege Privatklagen wegen Beleidigung nicht angenommen würden. Aber das mußten die andern nicht wissen, und so wurden denn Briefe abgeschickt, in denen ihnen mit gerade solcher Klage gedroht wurde. Vielleicht aber hatten auch sie Anwälte oder wußten Bescheid, jedenfalls antworteten sie nicht. Die Gerüchte gingen weiter.

      All dies erhöhte seine Erbitterung, wie die Abreise der jungen Frau seinen Zorn vermehrte: sie hatte flüchten müssen vor dem neidischen Gegeifer dieser Kleinstädter. Ihm war, als suche er sich einen Weg durch eine Wand von Federn und Watte, er mochte noch so stark auf sie einschlagen, sie blieb unverändert. Die Briefe seines Anwalts schienen ihm in dieser Stimmung viel zu sanft und diplomatisch; er setzte sich selbst hin und schrieb einen Brief an den Dr. Wilhelm, in dem er ihm ankündigte, er würde ihn als Ehrabschneider öffentlich ohrfeigen, wo er ihn auch treffe ...

      Als er ihn abgesandt hatte, kam die Reue. Dies war seiner nicht würdig, er hatte sich auf das Niveau seiner Gegner begeben, statt sie schweigend zu verachten, wie es bisher sein Standpunkt gewesen. Aber es sollte der Augenblick kommen, da er diesen Brief noch stärker bereute! An einem Vormittag betrat er den Wartesaal des Bahnhofes – da saß er auf dem Sofa, Farken-Willem, vor sich eine Flasche Wein!

      Am liebsten wäre Doll auf der Schwelle noch umgekehrt, und für seinen Seelenfrieden wäre es entschieden besser gewesen, er hätte es getan. Aber da saßen neben vielen Fremden auch etliche Mitbürger, die gespannt von ihm auf den Tierarzt blickten. Doll wußte, Wilhelm hatte nach Art aller alten Weiber den Brief den Stammtischgenossen und der halben Stadt gezeigt – die Drohung, sein Gegner werde ihn ohrfeigen, war allgemein bekannt. Ging Doll jetzt zurück, so war der andere der Sieger und jedem neuen Geschwätz Tür und Tor geöffnet.

      Doll trat also ein und nahm sich einen Platz, dem andern gegenüber. Ohne ein Wort trug der sonst so geschwätzige Wirt die bestellte Flasche zu. Alle Einheimischen warteten, daß die Fremden den Wartesaal verließen, ihr Zug mußte in einer Viertelstunde fahren. Unterdes saß Doll, die Hand um den Fuß seines Weinglases, im Kampfe mit sich selbst. ›Er ist deiner nicht wert‹, sprach es in ihm. ›Er ist bloß ein alter Mann, ein Waschweib. Was hat der mit deiner Ehre zu tun –?!‹ Und mit einem raschen Blick auf den andern, der wie er stumm, die Hand am Weinglase, saß: ›Aber sie werden mich als Feigling ansehen, alle, er zuerst, wenn ich nichts tue. Ich muß diesen Bürgern zeigen, daß ich mich nicht ungestraft mit Dreck bewerfen lasse! Es gibt kein Zurück!‹

      Die Fremden verließen den Saal, es blieben übrig fünf oder sechs Einheimische. Es war ganz still in dem Raum. Dann begann der Wirt Kurz, der hinter der Theke, scharf beobachtend, seine Gläser polierte, ein gleichgültiges lautes Gespräch mit einem Malermeister. »Die kriegen in Berlin mal wieder keinen guten Tag«, hörte Doll, denn gerade brausten über das Städtchen fort die feindlichen Luftgeschwader ...

      Da stand er schon direkt vor seinem ›Feinde‹. Beide Hände auf den Tischrand gestützt, das Gesicht nahe dem verhaßten, gelben, galligen

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