Junger Herr ganz groß. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Junger Herr ganz groß - Ханс Фаллада страница 3
»Nun schön, Madeleine«, antwortete ich, nur halb überzeugt. »Ich kenne Sie nun fast drei Jahre, und ich weiß, daß Sie trotz allem welschen Firlefanzes ein gutes Mädchen sind.«
»Kommen Sie her, Lutz!« rief sie. »Bücken Sie sich ein wenig.« Und als ich ihr ganz überrascht den Willen tat, warf sie mir die Arme um den Nacken und küßte mich drei-, viermal auf den Mund. »So, und nun reiten Sie los, Lutz, und erzählen Sie dies dem Marcellin Arland, und wenn ihn das nicht von Ihrer Harmlosigkeit überzeugt, so soll ihn der Teufel holen und in der hintersten und heißesten Hölle mit der ältesten Hexe verkuppeln.«
»Welch eine Sprache im Munde eines jungen Mädchens!« rief ich empört, kaum war ich wieder zu Atem gekommen. »Und welch unglaubliches Benehmen!«
»Und welch langweiliger, hölzerner Landjunker!« rief sie lachend zurück. »Welch tumber, sittenreiner Parsifal! Was für einen trefflichen Schulmeister Sie abgegeben hätten, Lutz!«
Damit lief sie durch die Büsche zurück zum Haus, ich aber hielt da mit meinem braven Alexius, das ominöse Päckchen mit dem noch viel ominöseren Auftrag noch immer in der Hand. Da ich aber unmöglich zurückreiten und es vor Papa und Mama dem schlimmen Mädchen zurückgeben konnte, verwahrte ich es seufzend in der Satteltasche und überließ es dem Schicksal, wie es mich mit Professor Arland zusammenbringen würde.
Ich überholte meine Vierzöller kurz hinter Strietz, das denen von Belau gehörig ist, nicht sonderlich wegen seiner Wirtschaftsführung berühmt. Dort waren sie aber schon bei der Heuernte, und ich unterhielt mich eine Weile mit unserm Großspänner Junghanns über die Wetteraussichten und ob wohl die Belaus recht hatten, die jetzt schon mähten, oder wir, die erst nach meiner Rückkehr aus Stralsund anfangen wollten. Meiner Ansicht nach hatte das Wetter noch keinen rechten Bestand.
Junghanns war aber nicht bei der Sache, er wollte gern erfahren, wohin sie den Weizen fahren sollten, doch sicher wieder zu Kalander? Grade das aber sollte auf Papas Wunsch nicht erzählt werden. Papa wollte, ich sollte erst noch einmal mit dem schwedischen Käptn reden. So sagte ich nur, ich würde sie unbedingt kurz vor Stralsund abfassen, dort sollten sie auf mich warten, aber ich würde schon bestimmt vor ihnen da sein. In Nipperow sollten sie zwei Stunden füttern, ein Fässchen Bier würde dort für sie aufliegen.
Während sich Junghanns noch bedankte, ritt ich schon los, und ich ritt in einem schlanken Trab bis Nipperow durch, wo ich gegen elf Uhr am Kruge haltmachte. Hier beging ich den ersten schweren Fehler an diesem Tage: in meiner guten Stimmung bestellte ich nicht nur ein Fässchen Bier für meine Leute, sondern auch vier Flaschen Stralsunder Korn, immer für fünf Mann eine. Das ist an sich nicht viel, aber ich hatte nicht bedacht, daß wenig Korn Durst auf mehr Korn macht und daß die Leute bei solcher Fahrt alle eigen Geld bei sich in den Taschen führten. Die Folgen sollte ich noch erleben, vorläufig war ich aber in bester Stimmung. Warum aber das? Weil mich ein Mädel schon am frühen Morgen geküßt hatte. Ich war in dieser Hinsicht nicht verwöhnt worden, einmal, weil Mama, die das leichte Stramminer Blut fürchtete, immer ein Auge auf mich gehalten hatte, zum andern, weil ich wirklich ein etwas schwerfälliger Knabe bin. Die Wahrheit zu sagen, unter all meiner guten Kinderstube steckte ein Großteil Schüchternheit: ich hatte ein bißchen Angst vor den jungen Mädchen. So sicher ich tat, ich wäre maßlos verlegen geworden, hätte eine in meinem Arm gelegen. Kurz und gut, ich war an diesem Morgen noch das, was ich schon durch dreiundzwanzig Jahre gewesen war: ein echtes Muttersöhnchen.
Ich glaubte, Madeleines Küsse noch auf meinen Lippen zu spüren, und in dieser Stimmung behagte mir weder das Geschwätz des Gastwirts, noch gefielen mir die vielen Fliegen in seiner Gaststube. Wieder stieg ich auf meinen Alex und ritt von neuem los. Wohin aber? Für Stralsund war es noch viel zu früh, mein Gespräch mit dem schwedischen Käptn dort war in zehn Minuten abgetan, und im Hotel »Halber Mond« würde ich heute Abend noch lange genug sitzen müssen. Eine Mittagspause aber würde auch ich machen müssen, schon des Alexius wegen. So ritt ich denn von der Landstraße ab und auf kleinen Nebenwegen und Feldrainen der See zu. Strammin ist ein herrliches Gut, ich wünsche mir keine schönere Heimat, aber wir liegen ein wenig fern von der See, mehr als zehn Kilometer. Wir haben die Wolken von der See und den Wind von der See und oft die Möwen und den Geruch der See, aber wir haben ihren Anblick nicht. Drum sehnen wir uns wohl nach ihr.
Nun gibt es genug breite Wege zur See, aber eben die wollte ich vermeiden. Genau hier in der Gegend sind die Schalenbergs begütert, und Bessy ist auch eine Schalenberg. Ich habe es schon gesagt, ich bin so halb und halb verlobt – und zwar mit der Bessy. Wir haben nie ein Wort über die Sache gesprochen, aber wir wissen beide, so ist es zwischen unsern Eltern ausgemacht, und im Grunde haben wir auch nichts dagegen. Bessy ist ein ganz prachtvolles Mädel, groß, weizenblond, schön; wenn ich etwas gegen sie habe, ist es das, daß sie mich immer eine Spur aufzieht, sie kann mich einfach nicht ernst nehmen. Das ist für jemanden, der einmal den Ehemann abgeben soll, nicht sehr angenehm.
Das ist aber auch das einzige, was ich an Bessy auszusetzen habe, wir kommen immer glänzend miteinander aus. Sie versteht enorm viel von Pferden, reitet fast ebensogut wie ich, ist Jägerin – da kann einem der Gesprächsstoff nie knapp werden. Von einer himmelstürmenden Verliebtheit ist natürlich zwischen uns nicht die Rede. Wir kennen uns von Kindesbeinen an, wie man so sagt. Damals haben wir uns gegenseitig an den Haaren gerissen, und einmal habe ich sie auch ins Wasser gestoßen, sie aber gleich wieder 'rausgeholt. Heute sind wir die besten Kameraden, alles andere würde sich in der Ehe schon finden – dachte ich damals. Wir haben uns so eine Art dalbrige Sprache miteinander zurechtgemacht, die uns über jede Verlegenheit forthilft: verlobt und doch nicht richtig verlobt und vor allen Dingen nicht verliebt, nichts von Händedrücken und Küssen – ihr versteht mich schon. Da hilft so ein bißchen Dalbrigkeit über die stillen Minuten fort.
Nun, über den Grund und Boden dieser Schalenbergs ritt ich jetzt seewärts und hatte nicht den geringsten Wunsch, meine sogenannte Braut Bessy zu sehen. Ich hatte nicht etwa ein schlechtes Gewissen wegen der drei oder vier Küsse der Madeleine, ganz im Gegenteil, mit diesen Küssen hatte sie mich eigentlich überzeugt, daß man küssen kann, ohne untreu zu sein. Sondern ich wollte einfach allein sein. Ich wollte allein sein und die See anschauen. Wenn man noch jung ist, hat man solche Wünsche, später ist man sich selbst meist zur Last. Später kennt man sich selbst nur zu gut. Aber damals hatte ich noch keine Ahnung von mir und fand mich hochinteressant.
Nun, ich kam an die See, die hier natürlich nur »Bodden« heißt, gut zwei Kilometer ab hatte ich vor der Nase die gelbgrüne Küste Rügens. Ich hing dem Alex den Futterbeutel um, machte ihn mit langem Trensenzügel an einem Birkenbäumchen fest und warf mich selbst ins Gras. Zu essen hatte ich keine Lust. Ich lauschte auf den Seewind, ich hörte auf das Plätschern der Wellen, manchmal schrien die Möwen, dann schnaubte wieder Alex. »Jawohl, Alexius«, antwortete ich ihm. »Hier sind wir in Sonne und Wind und haben nichts auszustehen. Ich finde, wir haben es verdammt gut auf dieser schönen Erde.«
Aber das war nur so ein allgemeines Gerede, ich war eben einfach glücklich. An was Besonderes habe ich nicht gedacht, weder an Küsse noch an Weizen noch an sonst was. Einfach animalisch glücklich.
Nach einer Weile hatte ich aber dann doch keine Ruhe mehr, so gedankenlos dazuliegen. Ich kramte in meinen Taschen herum und suchte meine Mundharmonika hervor. Von Musik verstehe ich, wohlgemerkt, gar nichts, und was man gar klassische Musik nennt, die ödet mich zum Sterben an. Aber meine Mundharmonika liebe ich über