Junger Herr ganz groß. Ханс Фаллада

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Junger Herr ganz groß - Ханс Фаллада

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Gedanken erraten. Und wirklich, sie rief: »Die Thibaut! Die kleine Katze mit ihren Schlitzaugen und dem galligen Teint. Siehst du, jetzt habe ich dich erwischt. Ich habe es schon immer gesehen, wie sie um dich 'rumgetänzelt und -geschwänzelt ist, aber ich dachte, du wärest zu dumm. Hast du es also endlich doch gemerkt?«

      Meine Wangen brannten vor Scham. Ich richtete mich steif auf. »Erstens möchte ich dich darauf aufmerksam machen, daß man sehr wohl eine küssen, einer andern aber im Herzen treu sein kann –«

      Sie rief spöttisch: »Oh, welch eine Weisheit aus dem Munde Eurer Liebden! Es ist mir genau, als hörte ich die kleine, falsche Katze miauen.«

      »Und dann«, fuhr ich unbeirrbar fort, »vergißt du ganz, daß du schon vorgestern wegen Geld, wohlgemerkt, wegen Geld einen alten Kapitän abgeküßt hast und daß seitdem alles zwischen uns zu Ende ist. Seitdem geht es dich gar nichts mehr an, wen ich küsse.«

      Ich setzte einen Fuß in den Bügel und schwang mich in den Sattel.

      »Wann es zwischen uns zu Ende ist, das werde ich dir schon rechtzeitig sagen«, rief Bessy und warf den Kopf zurück. »Das aber verspreche ich dir, ich werde heute nachmittag dein Fräulein Thibaut besuchen und werde ihr sehr gründlich beibringen, was ich über diese Küsserei denke.«

      Ich hatte schon reiten wollen, aber nun hielt mich der Schreck an. »Bessy«, sagte ich, »das wirst du nicht tun. Ich schwöre dir, Madeleine – Fräulein Thibaut ist ganz unschuldig. Ich, ich habe ihr ein paar Küsse gestohlen, ganz gegen ihren Willen.«

      Sie lachte. »Ich hoffe, diese Küsse sind geschickter ausgefallen als deine Lügen, Lutz, sonst ist die Thibaut bestimmt nicht auf ihre Kosten gekommen. Und nun reite zu, und kümmere dich um deinen Weizen. Ich werde mich schon um deine anderen Angelegenheiten kümmern.«

      Sie hatte dem Alex einen Schlag versetzt, ich zügelte ihn aber noch einmal und sagte bittend: »Bessy, willst du diesen Besuch bei Fräulein Thibaut nicht noch um einen Tag verschieben? Laß es uns morgen noch einmal hier an dieser Stelle besprechen – mit kälterem Blute.«

      »Nichts da, mein Freund!« rief Bessy. »Ich will die Katze meine Maus fangen lehren!«

      »Es ist also aus mit uns«, sagte ich und ritt ab, Wut und Verzweiflung im Herzen.

      Am liebsten hätte ich kehrtgemacht und wäre in einem gestreckten Galopp heim nach Strammin geritten, die kleine Madeleine auf diesen Besuch vorzubereiten. Aber konnte ich meinen Weizen im Stich lassen? Und was hätte ich schließlich in Strammin ausrichten können? Die Madeleine konnte sich ein-, vielleicht sogar zweimal vor der Bessy verstecken, aber das würde die Bessy nie entmutigen. Und selbst wenn ich mir vorstellte, ich würde als getreuer Ritter die Unschuld Madeleines an ihrer Seite gegen Bessys Verdacht verteidigen – ich hatte eben schon eine recht traurige Figur abgegeben, ich war mir gar nicht sicher, daß ich bei einem zweiten Kampf besser abschneiden würde. Schließlich war die Madeleine auch kein heuriger Hase und würde sich ihrer Haut schon wehren. Nicht umsonst hatte sie dies Zünglein.

      Aber die Bessy! Die Bessy war viel wichtiger, diese meine sogenannte Braut, mit der nun alles zu Ende sein sollte, was sie aber nicht wahrhaben wollte. Ich muß gestehen, die Schamlosigkeit, mit der sie ihr Vergehen mit dem alten Käptn als völlig nebensächlich behandelte, machte sie mir ganz abscheulich. Aber dann gefiel sie mir in anderer Hinsicht eigentlich zehnmal besser als früher. In unsere kühlen Beziehungen war ein Wirbelwind gefahren, ich hatte die vertraute Jugendgefährtin mit ganz andern Augen als früher angesehen. Freilich, der Himmel sollte mich vor solch einem Eheweib bewahren, die mich schon jetzt völlig als ihr Eigentum ansah. Zu Ende war es mit uns, und nachdem sich der Sturm in meinem Innern erst etwas gelegt hatte, kam ich ganz von selbst dazu, den Vers aus dem Hasenlied vor mich hin zu summen:

      »Ach, mein Schatz ist durchgegangen,

      Laridah!

      Erst wollt ich ihn wiederfangen,

      Laridah!

      Doch dann hab ich mich besonnen,

      Laridah!

      Manch Verloren ist Gewonnen,

      Laridah!«

      Unter solchen Gedanken war ich längst wieder auf die große Landstraße nach Stralsund gelangt und hatte mich schon bei dem und jenem am Wege Arbeitenden nach meinen Weizenfuhrwerken erkundigt. Sie waren aber noch nicht vorbeigekommen. Eigentlich hätte mich das bedenklich machen müssen, denn der Nachmittag war schon ziemlich vorgerückt. Aber in meiner augenblicklichen Stimmung lag es mir nicht sehr, viel über diese Fuhrwerke nachzudenken: ich hatte mit mir selbst genug zu tun. Ich sagte mir nur, daß bei einer solchen weiten Überlandfuhre immer etwas vorkommt: Eine Deichsel bricht, ein Reifen läuft vom Rade, oder sie hatten einfach zu lange Mittagspause gemacht.

      Damit war ich der Wahrheit ziemlich nahegekommen, und nun hätte ich eigentlich an den von mir gespendeten Stralsunder Korn denken müssen. Ich tat es aber nicht, weil ich nämlich gerade an den Käptn Ole Pedersen dachte. Ich ließ den Alex rascher ausgreifen; ich war plötzlich ganz begierig darauf, dem Schiffer in seiner Kajüte gegenüberzusitzen und ihm meine Meinung über junge Mädchen, weiße Arme und alte Männer zu sagen.

      Ich war schon gar nicht mehr weit von Stralsund ab, höchstens sechs, sieben Kilometer, und sah schon die Türme der ehrenfesten, guten Stadt: Nikolai, Marien und Jakobi, da zügelte ich den Alex. Denn mir entgegen kam am Straßenrand ein Männlein mit einer Aktentasche gewandelt oder, richtiger, gehumpelt, nämlich der Geheime Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, Herr Gumpel.

      Der Herr Gumpel ist mir seit meinen Kindertagen eine wohlvertraute Figur. Er ist nämlich der Berater aller Familien und Höfe um Stralsund herum, weit und breit, der Schlichter aller Streitigkeiten, der verschwiegene Mitwisser der tiefsten Familiengeheimnisse. Darum erstaunte und bekümmerte es mich, den würdigen Mann hier mit wunden Füßen die Landstraße entlangwandeln zu sehen, denn jede Familie hätte es sich zur Ehre gerechnet, Herrn Gumpel beliebig viele Meilen im besten Kutschwagen spazierenzufahren.

      Ich parierte darum meinen Alex und rief erstaunt: »Ja, Sie, Herr Geheimrat?! Was machen Sie denn in aller Welt hier zu Fuß?«

      Die finstere Miene des Geheimrates erhellte sich ein wenig bei meinem Anruf. Er setzte die Aktentasche umständlich ins Gras, zog ein Taschentuch hervor und trocknete sich die Stirn. »Sieh da, sieh da«, sprach er dabei. »Der Jungherr von Strammin. Das erste freundliche Gesicht, das mir auf diesem unfreundlichen Wege begegnet. Wie geht es der Frau Mama? Und dem Herrn Papa? Ich dachte eigentlich, er würde mich vor der Ernte noch einmal rufen.«

      »Ach, denen geht es allen gut, Herr Geheimrat«, antwortete ich etwas ungeduldig. »Und ich fahre heute vierhundert Zentner Weizen nach Stralsund, so daß Papa diesmal wohl ohne Ihre Hilfe bis zur neuen Ernte durchkommen wird. Aber was machen Sie hier so mutterseelenallein auf der Landstraße? Wer hat verbummelt, Ihnen den Wagen zu schicken?«

      »Niemand hat es verbummelt«, antwortete der Geheimrat mit ernster Miene. »Die Wahrheit ist – ich schleiche hier wie ein Indianer auf dem Kriegspfade. Ich will jemanden überraschen, der mich angemeldet nicht empfangen würde.«

      »Aber wie ist das möglich?« rief ich und sah ratlos in die Runde über unser schönes vorpommersches Flachland, aus dem sich da und dort zwischen Baumgruppen oder Parks die Giebel der Gutshäuser erhoben. »Wen gibt es denn bei uns, der Sie nicht jederzeit gern empfangen würde, Herr Geheimrat?« Plötzlich aber schwieg ich stille, wie auf den Mund geschlagen, denn mein Auge war auf ein etwa zwei Kilometer entferntes grauschwarz verwittertes Haus gefallen, dessen oberste Fensterscheibe grade

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