Jeder stirbt für sich allein. Ханс Фаллада

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Jeder stirbt für sich allein - Ханс Фаллада

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Gestapo angezeigt.

      Der Baldur aber fährt fort: »Seht ihr, und das ist das Große an unserem Führer: er läßt keinen in seine Pläne reingucken. Die denken jetzt alle, er freut sich über seinen Sieg in Frankreich, und dabei sammelt er vielleicht schon die Schiffe für eine Invasion auf der Insel. Seht ihr, das müssen wir von unserm Führer lernen: wir sollen nicht jedem auf die Semmel schmieren, wer wir sind und was wir vorhaben!« Die andern nicken eifrig; endlich glauben sie erfaßt zu haben, worauf der Baldur hinauswill. »Ja, ihr nickt«, sagt der Baldur ärgerlich, »aber ihr macht's ganz anders! Keine halbe Stunde ist es her, da habe ich Vatern vor der Briefträgerin sagen hören, die olle Rosenthal oben soll uns Kaffee und Kuchen spendieren ...«

      »Och, die olle Judensau!« sagt Vater Persicke, aber doch mit einem entschuldigenden Ton in der Stimme.

      »Na ja«, gibt der Sohn zu, »viel Aufhebens wird von der nicht gemacht, wenn ihr mal was passiert. Aber wozu den Leuten so was erst erzählen? Sicher ist sicher. Guck dir mal 'nen Menschen an wie den über uns, den Quangel. Kein Wort kriegst du aus dem Manne heraus, und doch bin ich ganz sicher, der sieht und hört alles und wird auch seine Stelle haben, wo er's hinmeldet. Wenn der mal meldet, die Persickes können die Schnauze nicht halten, die sind nicht zuverlässig, denen kann man nichts anvertrauen, dann sind wir geliefert. Du wenigstens bestimmt, Vater, und ich werde keinen Finger rühren, um dich wieder rauszuholen, aus dem KZ oder aus Moabit oder aus der Plötze, oder wo du grade sitzt.«

      Alle schweigen, und selbst ein so eingebildeter Mensch wie der Baldur spürt, daß dieses Schweigen nicht bei allen Zustimmung bedeutet. So sagt er noch rasch, um wenigstens die Geschwister auf seine Seite zu bringen: »Wir wollen alle ein bißchen mehr werden als Vater, und wodurch kommen wir zu was? Doch nur durch die Partei! Und darum müssen wir's so machen wie der Führer: den Leuten Sand in die Augen streuen, so tun, als wären wir freundlich, und dann hintenrum, wenn keiner was ahnt: erledigt und weg. Es soll auf der Partei heißen: Mit den Persickes kann man alles machen, einfach alles!«

      Noch einmal sieht er das Bild mit den lachenden Hitler und Göring an, nickt kurz und gießt dann Schnaps ein, zum Zeichen, daß sein politischer Vortrag beendet ist. Er sagt: »Zieh bloß keinen Flunsch, Vater, weil ich dir mal die Meinung gegeigt habe!«

      »Du bist erst sechzehn und mein Sohn«, fängt der Alte, noch immer gekränkt, an.

      »Un du bist mein Oller, den ich zu ville besoffen gesehen habe, als daß du mir noch groß imponierst«, sagt Baldur Persicke rasch und bringt damit die Lacher, sogar die ständig verängstigte Mutter, auf seine Seite. »Nee, laß man, Vater, eines Tages werden wir noch im eigenen Auto fahren, und du sollst alle Tage Sekt zu saufen kriegen, bis du voll bist!«

      Der Vater will wieder etwas sagen, aber dieses Mal nur gegen den Sekt, den er nicht so schätzt wie seinen Kornschnaps. Aber Baldur fährt rasch und leiser fort: »Ideen hast du gar nicht so schlechte, Vater, bloß, du solltest mit keinem darüber reden als mit uns. Mit der Rosenthal ist vielleicht wirklich was zu machen und mehr als Kaffee und Kuchen. Laßt mich nur darüber nachdenken, das muß vorsichtig angefaßt werden. Vielleicht riechen andere den Braten auch, und vielleicht sind andere besser angeschrieben als wir!«

      Seine Stimme hat sich gesenkt und ist gegen den Schluß hin fast unhörbar geworden. Baldur Persicke hat es wieder fertiggebracht, er hat alle auf seine Seite gezogen, selbst den Vater, der erst eingeschnappt war. So sagt er denn: »Prost auf die Kapitulation von Frankreich!«, und weil er sich dabei lachend auf die Schenkel klatscht, merken sie, daß er damit etwas ganz anderes meint, nämlich die alte Rosenthal.

      Sie lärmen durcheinander und stoßen an und trinken so manchen Schnaps, immer einen hinter dem andern. Aber sie vertragen auch was, dieser ehemalige Gastwirt und seine Kinder.

      Ein Mann namens Borkhausen

      Der Werkmeister Quangel ist auf die Jablonskistraße hinausgetreten und hat vor der Haustür herumstehend den Emil Borkhausen getroffen. Es schien der einzige Beruf Emil Borkhausens zu sein, immer irgendwo rumzustehen, wo es was zu gaffen oder zu hören gab. Daran hatte auch der Krieg nichts geändert, der doch überall mit Dienstverpflichtungen und Arbeitszwang vorgegangen war: Emil Borkhausen stand weiter rum.

      Er stand da, eine lange, dürre Gestalt in einem abgetragenen Anzug, und sah verdrossen mit seinem farblosen Gesicht in die um diese Stunde fast menschenleere Jablonskistraße. Als er Quangels ansichtig wurde, kam Bewegung in ihn, er trat auf ihn zu und bot ihm die Hand. »Wo gehen Sie denn jetzt hin, Quangel?« fragte er. »Das ist doch noch nicht Ihre Zeit für die Fabrik?«

      Quangel übersah die Hand des andern und murmelte fast unverständlich: »Eiliger Weg!«

      Dabei ging er schon weiter, nach der Prenzlauer Allee zu. Dieser lästige Schwätzer hatte ihm gerade noch gefehlt!

      So leicht ließ sich der aber nicht abschütteln. Er lachte meckernd und rief: »Da haben wir ja denselben Weg, Quangel!« Und als der andere, stur geradeaus starrend, weiterschritt, setzte er hinzu: »Der Doktor hat mir nämlich gegen meine Hartleibigkeit viel Bewegung verordnet, und allein rumlaufen, das langweilt mich!«

      Er fing nun an, genau zu schildern, was er alles schon gegen seine Hartleibigkeit getan hatte. Quangel hörte gar nicht hin. Ihn beschäftigten zwei Gedanken, und der eine verdrängte immer wieder den andern: daß er keinen Sohn mehr hatte und daß Anna gesagt hatte: Du und dein Führer. Quangel gab es sich zu: er hatte den Jungen nie geliebt, wie ein Vater seinen Sohn zu lieben hat. Von der Geburt an hatte er das Kind nur als Störer seiner Ruhe und seiner Beziehungen zu Anna empfunden. Wenn er jetzt doch Schmerz fühlte, so darum, weil er mit Unruhe an Anna dachte, wie sie diesen Tod aufnehmen, was dadurch alles geändert werden würde. Hatte doch Anna schon zu ihm gesagt: Du und dein Führer!

      Es stimmte nicht. Hitler war nicht sein Führer, oder doch nicht mehr sein Führer, als er Annas Führer war. Sie waren sich immer einig gewesen, als er mit seiner kleinen Tischlerwerkstatt verkracht war, daß der Führer den Karren aus dem Dreck gerissen hatte. Nach vier Jahren Arbeitslosigkeit war er 1934 Werkmeister in der großen Möbelfabrik geworden und brachte jetzt alle Wochen seine vierzig Mark nach Hause. Damit kamen sie gut aus.

      Aber in die Partei waren sie darum doch nicht getreten. Einmal reute sie der Parteibeitrag, man mußte schon so an allen Ecken und Enden bluten, für das WHW, für alle möglichen Sammlungen, für die Arbeitsfront. Ja, in der Arbeitsfront hatten sie ihm in der Fabrik auch ein Ämtchen aufgehuckt, und gerade das war der andere Grund, warum sie beide nicht in die Partei eingetreten waren. Denn er sah es bei jeder Gelegenheit, wie sie ständig einen Unterschied zwischen Volksgenossen und Parteigenossen machten. Auch der schlechteste Parteigenosse war denen noch mehr wert als der beste Volksgenosse. War man einmal in der Partei, so konnte man sich alles erlauben: so leicht passierte einem nichts. Das nannten sie Treue um Treue.

      Er aber, der Werkmeister Otto Quangel, war für Gerechtigkeit. Jeder Mensch war ihm ein Mensch, und ob er in der Partei drin war, das hatte damit gar nichts zu tun. Wenn er in der Werkstatt immer wieder erleben mußte, daß dem einen ein kleiner Fehler am Werkstück schwer angekreidet wurde und daß der andere Pfusch über Pfusch abliefern durfte, so empörte ihn das stets von neuem. Er setzte die Zähne auf die Unterlippe und nagte wütend an ihr – wenn er's gekonnt hätte, er wäre auch diese Pöstchen in der DAF längst los gewesen!

      Die Anna wußte das gut, darum hätte sie das nie sagen dürfen, dies Wort: Du und dein Führer! Die Anna hatte nicht gemußt wie er. Gott ja, er verstand ihre Einfachheit, ihre Demut und wie sie nun so plötzlich anders geworden war. Zeit ihres Lebens war sie Dienstmädchen gewesen, erst auf dem Lande, dann hier in der Stadt, zeit ihres Lebens hatte sie Trab laufen müssen und war kommandiert worden. In ihrer Ehe hatte sie auch nicht viel zu sagen gehabt, nicht

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