Jeder stirbt für sich allein. Ханс Фаллада

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Jeder stirbt für sich allein - Ханс Фаллада

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nun ist der Tod von Ottochen gekommen, und mit Beunruhigung spürt Otto Quangel, wie tief sie davon aufgewühlt ist.

      Er sieht ihr krankes, gelblichweißes Gesicht vor sich, wieder hört er ihre Anklage, er ist jetzt zu einer ganz ungewohnten Stunde unterwegs, diesen Borkhausen an der Seite, heute Abend ist die Trudel bei ihnen, es wird Tränen geben, endloses Gerede – und er, Otto Quangel, liebt doch so sehr das Gleichmaß des Lebens, den immer gleichen Arbeitstag, der möglichst gar kein besonderes Ereignis bringt. Schon der Sonntag ist ihm fast eine Störung. Und nun soll alles eine Weile durcheinandergehen, und wahrscheinlich wird die Anna nie wieder die, die sie einst war.

      Er muß sich das alles noch einmal ganz genau überlegen, nur der Borkhausen hindert ihn daran. Jetzt sagt dieser Mann doch: »Sie sollen ja auch einen Feldpostbrief bekommen haben, und er soll nicht von Ihrem Otto geschrieben sein?«

      Quangel richtet den Blick seiner scharfen, dunklen Augen auf den andern und murmelt: »Schwätzer!« Weil er aber mit niemandem Streit bekommen will, selbst nicht mit solch einem Garnichts wie dem Rumsteher Borkhausen, setzt er halb widerwillig hinzu: »Die Leute schwatzen alle viel zu viel!«

      Der Emil Borkhausen ist nicht beleidigt, den Borkhausen kann man so leicht nicht beleidigen, er stimmt eifrig zu: »Sie sagen's, wie's ist, Quangel! Warum kann die Kluge, die Briefschleiche, nicht das Maulwerk halten? Aber nein, gleich muß sie allen erzählen: Die Quangels haben einen Brief aus dem Felde mit Schreibmaschinenschrift bekommen!« Er macht eine kleine Pause, und dann fragt er mit einer ganz ungewohnten, halblauten, teilnehmenden Stimme: »Verwundet oder vermißt oder ...?«

      Er schweigt. Quangel aber – nach einer längeren Pause – antwortet nur indirekt: »Also Frankreich hat kapituliert? Na, das hätten die gut auch einen Tag früher machen können, dann lebte mein Otto noch ...«

      Borkhausen erwidert auffallend lebhaft: »Aber weil soundso viel Tausende den Heldentod gestorben sind, darum hat Frankreich sich doch so rasch ergeben. Darum bleiben so viele Millionen nun am Leben. Auf so 'n Opfer muß man stolz sein als Vater!«

      Quangel fragt: »Ihre sind alle noch zu klein, um ins Feld zu gehen, Nachbar?«

      Fast gekränkt meint Borkhausen: »Das wissen Sie doch, Quangel! Aber wenn sie alle auf einmal stürben, durch 'ne Bombe oder so was, da wäre ich nur stolz drauf. Glauben Sie mir das nicht, Quangel?«

      Aber der Werkmeister beantwortet diese Frage nicht, sondern denkt: Wenn ich schon kein rechter Vater bin und den Otto nicht so liebgehabt habe, wie ich mußte – dir sind deine Gören einfach eine Last. Das glaube ich, daß du froh wärst, die durch eine Bombe alle auf einmal loszuwerden, unbesehen glaube ich dir das!

      Aber er spricht nichts derart, und der Borkhausen, der schon des Wartens auf eine Antwort überdrüssig geworden ist, sagt: »Denken Sie doch mal nach. Quangel, erst das Sudetenland und die Tschechoslowakei und Österreich und nu Polen und Frankreich – wir werden doch das reichste Volk von der Welt! Was zählen da ein paar hunderttausend Tote? Reich werden wir alle!«

      Ungewohnt rasch entgegnet Quangel: »Und was werden wir mit dem Reichtum anfangen? Kann ich ihn essen? Schlaf ich besser, wenn ich reich bin? Werd ich als reicher Mann nicht mehr in die Fabrik gehen, und was tu ich dann den ganzen Tag? Nee, Borkhausen, ich will nie reich werden und so schon bestimmt nicht. So ein Reichtum ist nicht einen Toten wert!«

      Da packt ihn Borkhausen am Arm, seine Augen flackern, er schüttelt den Quangel, während er eilig flüstert: »Wie kannst du so reden, Quangel? Du weißt doch, daß ich dich für so 'ne Meckerei ins KZ bringen kann? Du hast ja unserm Führer direkt gegen's Gesicht gesprochen! Wenn ich nun so einer wäre und meldete das ...?«

      Quangel ist erschrocken über seine eigenen Worte. Diese Sache mit Otto und Anna muß ihn viel mehr aus dem Gleis geworfen haben, als er bisher gedacht hat, sonst hätte ihn seine angeborene, stets wachsame Vorsicht nicht so verlassen. Aber der andere bekommt von seinem Erschrecken nichts zu merken. Quangel befreit seinen Arm mit den starken Arbeitshänden von dem laschen Griff des andern und sagt dabei langsam und gleichgültig: »Was regen Sie sich denn so auf, Borkhausen? Was habe ich denn gesagt, das Sie melden können? Ich bin traurig, weil mein Sohn Otto gefallen, ist und weil meine Frau nun vielen Kummer hat. Das können Sie melden, wenn Sie wollen, und wenn Sie wollen, dann tun Sie's! Ich geh gleich mit und unterschreibe, daß ich das gesagt hab!«

      Während Quangel aber so ungewohnt wortreich daherredet, denkt er innerlich: Ich will 'nen Besen fressen, wenn dieser Borkhausen nicht ein Spitzel ist! Wieder einer, vor dem man sich in acht nehmen muß! Vor wem muß man sich nicht in acht nehmen? Wie's mit der Anna werden wird, weiß ich auch nicht ...

      Unterdes sind sie am Fabriktor angekommen. Wieder streckt Quangel dem Borkhausen nicht die Hand hin. Er sagt: »Na denn!« und will hineingehen.

      Aber Borkhausen hält ihn an der Joppe fest und flüstert: »Nachbar, was gewesen ist, darüber wollen wir nicht mehr sprechen. Ich bin kein Spitzel und will keinen ins Unglück bringen. Aber nun tu mir auch einen Gefallen: ich muß meiner Frau ein bißchen Geld für Lebensmittel geben und habe keinen Pfennig in der Tasche. Die Kinder haben heut noch nischt gegessen. Leih mir zehn Mark – am nächsten Freitag bekommst du sie bestimmt wieder – heilig wahr!«

      Der Quangel macht sich wieder wie vorhin von dem Griff des andern frei. Er denkt: Also so einer bist du, so verdienst du dein Geld! Und: Ich werde ihm nicht eine Mark geben, sonst denkt er, ich habe Angst vor ihm, und läßt mich nie wieder aus der Zange. Laut sagt er: »Ich bringe nur dreißig Mark die Woche nach Haus und brauche jede Mark davon alleine. Ich kann dir kein Geld geben.«

      Damit geht er ohne ein weiteres Wort oder einen Blick in den Torhof der Fabrik hinein. Der Pförtner dort kennt ihn und läßt ihn ohne weitere Fragen durch.

      Der Borkhausen aber steht auf der Straße, starrt ihm nach und überlegt, was er nun tun soll. Am liebsten ginge er zur Gestapo und machte Meldung gegen den Quangel, ein paar Zigaretten fielen dabei schon ab. Aber besser, er tut's nicht. Er ist heute früh zu vorschnell gewesen, er hätte den Quangel sich frei ausquatschen lassen sollen; nach dem Tode des Sohnes war der Mann in der Verfassung dazu.

      Aber er hat den Quangel falsch eingeschätzt, der läßt sich nicht bluffen. Die meisten Menschen haben heute Angst, eigentlich alle, weil sie alle irgendwo irgendwas Verbotenes tun und immer fürchten, jemand weiß davon. Man muß sie nur im richtigen Augenblick überrumpeln, dann hat man sie, und sie zahlen. Aber der Quangel ist nicht so, ein Mann mit so 'nem scharfen Raubvogelgesicht. Der hat wahrscheinlich vor nichts Angst, und überrumpeln läßt der sich schon gar nicht. Nein, er wird den Mann aufgeben, vielleicht läßt sich in den nächsten Tagen mit der Frau was machen, 'ne Frau schmeißt der Tod vom einzigen Jungen noch ganz anders um! Dann fangen so 'ne Weiber an zu plappern.

      Also die Frau in den nächsten Tagen, und was macht er jetzt? Er muß wirklich der Otti Geld geben, er hat heute früh heimlich das letzte Brot aus dem Küchenspind weggegessen. Aber er hat kein Geld, und woher kriegt er auf die schnelle was? Seine Frau ist 'ne Xanthippe und imstande, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Früher strichte sie auf der Schönhauser Allee und konnte manchmal richtig nett und lieb sein. Jetzt hat er fünf Blagen von ihr, das heißt, die meisten sind wohl kaum von ihm, und sie kann schimpfen wie 'n Fischweib in der Markthalle. Schlagen tut das Aas auch, zwischen die Kinder, und wenn's ihn trifft, so gibt es eben 'ne kleine Klopperei, bei der sie immer das meiste bezieht, aber das macht sie nicht klug.

      Nein, er kann nicht ohne Geld zur Otti kommen. Plötzlich fällt ihm die alte Rosenthal ein, die da jetzt ganz allein, ohne allen Schutz im vierten Stock Jablonskistraße 55 wohnt. Daß ihm die olle Jüdin nicht eher eingefallen ist, die ist doch ein lohnenderes Geschäft als der alte Geier, der Quangel! Sie ist 'ne gutmütige Frau, er

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