Psychologie der Massen (Gustave Le Bon). Gustave Le Bon

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Psychologie der Massen (Gustave Le Bon) - Gustave Le Bon

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der sich sehr der Verzauberung nähert, die den Hypnotisierten unter dem Einfluß des Hypnotiseurs überkommt. Da das Verstandesleben des Hypnotisierten lahmgelegt ist, wird er der Sklave seiner unbewußten Kräfte, die der Hypnotiseur nach seinem Belieben lenkt. Die bewußte Persönlichkeit ist völlig ausgelöscht, Wille und Unterscheidungsvermögen fehlen, alle Gefühle und Gedanken sind in die Sinne verlegt, die durch den Hypnotiseur beeinflußt werden.

      Ungefähr in diesem Zustand befindet sich der einzelne als Glied einer Masse. Er ist sich seiner Handlungen nicht mehr bewußt. Während bei ihm, wie beim Hypnotisierten, gewisse Fähigkeiten aufgehoben sind, können andere auf einen Zustand höchster Überspannung getrieben werden. Unter dem Einfluß einer Suggestion wird er sich mit unwiderstehlichem Ungestüm auf gewisse Taten werfen. Und dies Ungestüm ist in den Massen noch unwiderstehlicher als bei den Hypnotisierten, weil die für alle einzelnen gleiche Suggestion durch Gegenseitigkeit wächst. Die einzelnen in einer Masse, die eine hinreichend starke Persönlichkeit haben, um dem Einfluß zu widerstehen, sind in zu geringer Anzahl vorhanden, und der Strom reißt sie mit. Höchstens können sie vermittels eines anderen Einflusses eine Ablenkung versuchen. Ein glücklicher Ausdruck, ein im rechten Augenblick angewandter bildlicher Vergleich hat oft die Massen von den blutigsten Taten abgehalten.

      Die Hauptmerkmale des einzelnen in der Masse sind also: Schwinden der bewußten Persönlichkeit, Vorherrschaft des unbewußten Wesens, Leitung der Gedanken und Gefühle durch Beeinflussung und Übertragung in der gleichen Richtung, Neigung zur unverzüglichen Verwirklichung der eingeflößten Ideen. Der einzelne ist nicht mehr er selbst, er ist ein Automat geworden, dessen Betrieb sein Wille nicht mehr in der Gewalt hat.

      Allein durch die Tatsache, Glied einer Masse zu sein, steigt der Mensch also mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab. Als einzelner war er vielleicht ein gebildetes Individuum, in der Masse ist er ein Triebwesen, also ein Barbar. Er hat die Unberechenbarkeit, die Heftigkeit, die Wildheit, aber auch die Begeisterung und den Heldenmut ursprünglicher Wesen, denen er auch durch die Leichtigkeit ähnelt, mit der er sich von Worten und Vorstellungen beeinflussen und zu Handlungen verführen läßt, die seine augenscheinlichsten Interessen verletzen. In der Masse gleicht der einzelne einem Sandkorn in einem Haufen anderer Sandkörner, das der Wind nach Belieben emporwirbelt.

      Aus diesem Grunde sprechen Schwurgerichte Urteile aus, die jeder Geschworene als einzelner mißbilligen würde, Parlamente nehmen Gesetze und Vorlagen an, die jedes Mitglied einzeln ablehnen würde. Einzeln genommen waren die Männer des Konvents aufgeklärte Bürger mit friedlichen Gewohnheiten. Zur Masse vereinigt zauderten sie nicht, unter dem Einfluß einiger Führer die offenbar unschuldigsten Menschen aufs Schafott zu schicken, brachen unter Außerachtlassung ihres eignen Vorteils deren Unverletzlichkeit und verringerten ihre Schar.

      Nicht nur in seinen Handlungen weicht das Glied der Masse von seinem normalen Ich ab. Schon bevor es jede Unabhängigkeit einbüßte, haben sich seine Gedanken und Gefühle umgeformt, und zwar so, dass der Geizige zum Verschwender, der Zweifler zum Gläubigen, der Ehrenmann zum Verbrecher, der Hasenfuß zum Helden wird. Der Verzicht auf alle seine verbrieften Vorrechte, den der Adel in einem Augenblick der Begeisterung in der berühmten Nacht vom 4. August 1789 leistete, wäre sicherlich von seinen Mitgliedern als einzelnen niemals angenommen worden.

      Aus den vorstehenden Beobachtungen ist zu schließen, dass die Masse dem alleinstehenden Menschen intellektuell stets untergeordnet ist. Hinsichtlich der Gefühle aber und der durch sie bewirkten Handlungen kann sie unter Umständen besser oder schlechter sein. Es hängt alles von der Art des Einflusses ab, unter dem die Masse steht. Das haben die Schriftsteller, die die Masse nur vom kriminellen Gesichtspunkt studiert haben, vollständig verkannt. Gewiß ist die Masse oft verbrecherisch, oft aber auch heldenhaft. Man bringt sie leicht dazu, sich für den Triumph eines Glaubens oder einer Idee in den Tod schicken zu lassen, begeistert sie für Ruhm und Ehre, dass sie sich, wie im Zeitalter der Kreuzzüge, fast ohne Brot und Wasser zur Befreiung des göttlichen Grabes von den Ungläubigen, oder wie im Jahre 1793 zur Verteidigung des vaterländischen Bodens fortreißen läßt. Gewiß ein unbewußtes Heldentum, aber durch solche Heldentaten vollzieht sich die Geschichte. Wollte man nur die mit kalter Überlegung ausgeführten Großtaten auf das Aktivkonto der Völker schreiben, so würden in den Weltannalen nur wenige verzeichnet sein.

      2. Kapitel: Gefühle und Sittlichkeit der Massen

      Nach diesem allgemeinen Hinweis auf die Hauptkennzeichen der Massen kommen wir nun zur Untersuchung der Einzelheiten.

      Verschiedene besondere Eigenschaften der Massen, wie Triebhaftigkeit (impulsivité), Reizbarkeit (irritabilité), Unfähigkeit zum logischen Denken, Mangel an Urteil und kritischem Geist, Überschwang der Gefühle (exagération des sentiments) und noch andere sind bei Wesen einer niedrigeren Entwicklungsstufe, wie beim Wilden und beim Kinde, ebenfalls zu beobachten. Ich streife diese Übereinstimmung nur im Vorübergehen, denn ihre Ausführung würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Sie wäre unnötig für alle mit der Psychologie der Primitiven Vertrauten und für jene, die nichts von ihr wissen, ohne rechte Überzeugungskraft.

      Ich gehe nun die verschiedenen Merkmale, die sich bei der Mehrzahl der Massen leicht beobachten lassen, der Reihe nach durch.

      § 1. Triebhaftigkeit, beweglichkeit und erregbarkeit der Massen

      Bei der Untersuchung ihrer grundlegenden Charakterzüge sagten wir, dass die Masse beinahe ausschließlich vom Unbewußten geleitet wird. Ihre Handlungen stehen viel öfter unter dem Einfluß des Rückenmarks als unter dem des Gehirns. Die vollzogenen Handlungen können ihrer Ausführung nach vollkommen sein, da sie aber nicht vom Gehirn ausgehen, so handelt der einzelne nach zufälligen Reizen. Die Masse ist der Spielball aller äußeren Reize, deren unaufhörlichen Wechsel sie widerspiegelt. Sie ist also die Sklavin der empfangenen Anregungen. Der alleinstehende einzelne kann ja denselben Reizen unterliegen wie die Masse, da ihm aber sein Gehirn die unangenehmen Folgen des Nachgebens zeigt, so gehorcht er ihnen nicht. Physiologisch läßt es sich so erklären, dass der alleinstehende einzelne die Fähigkeit zur Beherrschung seiner Empfindungen hat, die Masse aber nicht dazu imstande ist.

      Die mannigfachen Triebe, denen die Massen gehorchen, können je nach dem Anreiz edel oder grausam, heldenhaft oder feige sein, stets aber sind sie so unabweisbar, dass der Selbsterhaltungstrieb vor ihnen zurücktritt.

      Da die Reize, die auf eine Masse wirken, sehr wechseln und die Massen ihnen immer gehorchen, so sind sie natürlich äußerst wandelbar. Daher sehen wir sie auch in demselben Augenblick von der blutigsten Grausamkeit zum unbedingtesten Heldentum oder Edelmut übergehen. Die Masse wird leicht zum Henker, ebenso leicht aber auch zum Märtyrer. Aus ihrem Herzen flossen die Ströme von Blut, die für den Triumph jedes Glaubens notwendig sind. Man braucht nicht zu den Zeitaltern der Helden zurückzugehen, um zu erkennen, wozu die Massen fähig sind. Nie markten sie bei einem Aufstand um ihr Leben, und erst vor wenigen Jahren hätte ein General, der plötzlich volkstümlich geworden war, wenn er es verlangt hätte, leicht hunderttausend Menschen gefunden, bereit, sich für seine Sache töten zu lassen.

      Nichts ist also bei den Massen vorbedacht. Sie können unter dem Einfluß von Augenblicksreizen die ganze Folge der entgegengesetzten Gefühle durchlaufen. Sie gleichen den Blättern, die der Sturm aufwirbelt, nach allen Richtungen verstreut und wieder fallen läßt. Die Betrachtung gewisser revolutionärer Massen wird uns einige Beispiele für die Veränderlichkeit ihrer Gefühle geben.

      Diese Veränderlichkeit macht sie schwer regierbar, besonders wenn ein Teil der öffentlichen Gewalt in ihre Hände gefallen ist. "Würden die Notwendigkeiten des Alltagslebens nicht eine Art unsichtbarer Regelung der Ereignisse herausbilden, so könnten die Demokratien nicht bestehen. Wenn auch die Massen die Dinge leidenschaftlich begehren, so wollen sie sie doch nicht für lange Zeit. Sie sind ebenso unfähig zu ausdauerndem Wollen wie zum Denken.

      Die

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